
Die Stimmung zwei Monate vor den Zürcher Regierungsratswahlen zeigt sich deutlicher, als allen lieb ist, an der Personalie Köppel. Man spricht vor allem über seine Kandidatur, FDP und SVP fetzen sich – dabei will Köppel gar nicht in den Regierungsrat, sondern im Herbst in den Ständerat. Die Regierungsratswahlen dagegen sind spannungsarm, da es Grüne und Grünliberale nicht geschafft haben, ernsthafte Konkurrenz aufzustellen. Und weil Grüne und SP nicht mal ein gemeinsames Wahlplakat zustande bringen.
So verkam die Medienkonferenz des bürgerlichen Fünfertickets gestern in Zürich zu einem Gala-Schaulaufen ohne Konkurrenz. Weil die fünf alle mit einer komfortablen Wahl rechnen dürfen, sind sie lieb miteinander: Ernst Stocker (SVP, bisher), Natalie Rickli (SVP, neu), Silvia Steiner (CVP, bisher), Carmen Walker Späh (FDP, bisher) und Thomas Vogel (FDP, neu). Sie gaben sich als Team ohne politische Widersprüche – und das erst noch in einer Frauenmehrheit. Sie nennen sich nicht mehr «Top 5» oder «Fünf gewinnt» wie früher. Der Slogan lautet cool: «Zürich geht es gut».
Kein Jammern, keine Angst vor kriminellen Ausländern, keine utopischen Steuersenkungen, kein Angriff auf die «Linken und Netten». Die Bürgerlichen klopfen sich selber auf die Schultern: Die Mehrheit aus FDP, SVP und CVP in Regierung und Parlament hats gut gemacht. Und damit die glorreichen fünf nicht einschlafen, steht noch auf dem Plakat: «Wir arbeiten weiter daran».
Inszeniert hat diesen Auftritt erneut ein ausgebuffter Profi: Robert E. Gubler, Vorsitzender des Forums Zürich, das wiederum eine Plattform aller Zürcher Wirtschaftsverbände ist. Der bald 70-jährige Gubler ist der Löwenbändiger im bürgerlichen Käfig, der Charmeur mit dem Teflonspray, der quietschende Scharniere beruhigt.
Was Zampano Gubler bloss antönt: Pro investierten Werbefranken erhält die bürgerliche Seite mehr, wenn es ihr gelingt, den Kantonsrat bürgerlich zu bewahren. Bei den Regierungsratswahlen schaukeln SVP, FDP und CVP ihre 5:2-Mehrheit wohl sicher heim. Zumal Polizeidirektor Mario Fehr (SP) bloss als halber «Sozi» gilt. Und nur die pointierte Linke Jacqueline Fehr als amtierende Justizdirektorin nicht allen Bürgerlichen in den Kram passt. Gubler und sein Wirtschaftsforum setzen deshalb alles daran, dass auch der Kantonsrat bürgerlich bleibt.
Heute haben SVP, FDP und CVP 93 von 180 Sitzen, die Mehrheit ist also knapp und funktioniert längst nicht immer. Fast jeden Montag gibt es Abstimmungen im Kantonsrat, bei denen die SVP aufläuft. Die FDP bekommt dann den Vorwurf zu hören, sie lege sich mit den Linken ins «Lotterbett».
Solche Divergenzen wurden gestern zum Start des bürgerlichen Wahlkampfs nicht hervorgestrichen. Bildungsdirektorin Silvia Steiner lobte die gute Zusammenarbeit. Thomas Vogel sprach so positiv über die Kantonspolizei, als möchte er Mario Fehr beerben. Carmen Walker Späh gab sich selber Bestnoten für die Infrastruktur auf Schiene und Strasse. Natalie Rickli gab die abgeklärte Staatsfrau, ohne die Steuervorlage 17 zu erwähnen oder die linke Justizdirektorin anzugreifen. Ernst Stocker schliesslich hatte am allerwenigsten Mühe, die gesunden Staatsfinanzen zu rühmen.
Was können die Linken und die Mitteparteien gegen dieses geölte Räderwerk und finanziell gut dotierte Bündnis im bürgerlichen Kanton Zürich ausrichten? Eine Mehrheit in der Regierung zu erreichen, ist so gut wie unmöglich. Im Parlament dagegen winken neue Mehrheitsverhältnisse, sofern die SVP einbrechen sollte. Beeinträchtigt wird der Wahlkampf durch das «Problem Fehr» – Mario Fehr. Die SP unterstützt zwar Martin Neukom (Grüne) und Walter Angst (AL). Die Delegierten hatten dies allerdings beschlossen, bevor Grüne und AL entschieden, von der SP nur Jacqueline Fehr, nicht aber Mario Fehr zu unterstützen.

Für die Strategen bei SP und Grünen heisst das: Keine gemeinsame Medienkonferenz und kein gemeinsames Plakat; es gibt weder ein linkes Dreier- noch ein Viererticket. Die grüne Präsidentin Marionna Schlatter sagt: «Die gegenseitige Unterstützung und Zusammenarbeit der Parteien funktioniert trotzdem sehr gut, auch weil die SP die Unterstützung von Martin Neukom nie von unserem Entscheid zu Mario Fehr abhängig gemacht hat.»
SP-Co-Präsident Andreas Daurù lobt zwar ebenfalls die gute Zusammenarbeit mit den Grünen. «Wir stehen hinter den Kandidaten der Grünen und der AL und empfehlen diese auch zur Wahl. Wir hätten gerne ein Viererticket geschnürt.» Dem Betrachter bietet sich somit ein widersprüchliches Bild: Politisch sind sich Grüne und SP und sogar die AL in der Parlamentsarbeit einiger als FDP und SVP. Die Bürgerlichen übertünchen jedoch ihre Differenzen im Wahlkampf, und die Linken können nicht über ihren Schatten springen.
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Wie sich «Top 5» selber toppt
Teflon, Watte und ein ausgebuffter PR-Profi bei den bürgerlichen Regierungsratskadidaten, «Problem Fehr» bei den Linken.