Wie war das mit dem Klassenbesten?
Wenn die Zahlen viel schlechter sind als die schlechten Prognosen, ist etwas faul: Die Credit Suisse beherrscht das Investmentbanking nicht.

Man wusste es: Im dritten Quartal war im Geschäft mit festverzinslichen Papieren (Fixed Income, Currencies and Commodities, FICC) nicht viel Geld zu verdienen. Da das Investmentbanking der Credit Suisse in diesem Markt stark engagiert ist, durfte man deshalb keine Wunder erwarten. Die Analysten kalkulierten deshalb überaus zurückhaltend. Sie rechneten mit einem Vorsteuergewinn von über 500 Millionen Franken. Die Credit Suisse vermochte dies mit 229 Millionen dennoch deutlich zu unterbieten. Das sagt uns dreierlei:
Erstens ist es ein äusserst schwaches Ergebnis der Sparte Investmentbanking – so schwach, dass es die Eigenkapitalrendite der Gesamtbank in den ersten neun Monaten des Jahres auf 9,3 Prozent und im dritten Quartal gar auf 4,3 Prozent drückt. Das ist weit entfernt von der eigenen Zielvorgabe von 15 Prozent. Es liegt in einem Bereich, in dem manch ein Industrieunternehmen locker mithalten kann.
Zweitens und schlimmer zeigt das Ergebnis, dass die Credit Suisse schlecht kommuniziert. Wenn sich die ganze Analystenschar verrennt, ist etwas faul im Informationsfluss. Es ist nicht Aufgabe eines börsenkotierten Unternehmens, Analysten fehlzuleiten, sondern die Anleger mit seriösen Informationen zu versorgen.
Drittens und schlimmstens signalisieren die Zahlen, dass die Problemfelder im Investmentbanking auch fünf Jahre nach der Finanzkrise nicht bereinigt sind. Dies zeugt von einer Strategie, die, wenn nicht falsch, dann mindestens mit Mängeln behaftet ist.
Dennoch erzählen uns die Exponenten der Bank seit Jahren gebetsmühlenartig, dass das Investmentbanking unverzichtbar sei. Die Forderung von Politikern und Anlegern, sich von diesem Bereich zu trennen, weisen sie bis heute kategorisch zurück. CS-Präsident Urs Rohner sagte eben erst gegenüber der «NZZ am Sonntag», er sei überzeugt, mit der Investmentbank in guten Jahren 3 bis 4 Milliarden Franken Vorsteuergewinn erzielen zu können. Mag sein. Die Frage ist, zu welchem Preis.
Gesicht wahren
Im Moment sieht es ganz danach aus, als ob es den CS-Oberen darum ginge, das Gesicht zu wahren. Man tut so, als ob man die alte Strategie weiterverfolgen würde. Tatsächlich richtet die Bank aber sogenannte nicht strategische Einheiten ein – ein gestelzter Name für etwas, das eigentlich ein Abfallkübel für Geschäftsbereiche ist, die man entsorgen will. Dahinter steht weniger die Einsicht, dass man sich mit dem sturen Festhalten an kostenintensiven und ertragsunsicheren Geschäften im Investmentbanking verrannt hat. Es steht der Druck des Marktes dahinter, der die CS-Strategie nicht länger goutiert. Allein gestern verlor die Aktie in einem positiven Umfeld 2,8 Prozent an Wert.
Man kann die Geschichte personifizieren und CS-Chef Brady Dougan für die Versäumnisse verantwortlich machen. Tatsächlich mochte er, der im Investmentbanking Karriere und viel Geld machte, sich nie von diesen Tätigkeiten abnabeln. Auch hat er sein Geschäftsmodell – vermutlich weil die Credit Suisse die Finanzkrise weniger schlecht als andere Banken durchgestanden hat – zum Erfolgsmodell verklärt. Mal für Mal war von Dougan zu hören, man sei «best in class», wobei nicht immer klar war, ob er die Bank oder deren Chef meinte. Der Anspruch, Klassenbester zu sein, holt einen spätestens dann ein, wenn etwas nicht rundläuft.
Dougan beherrscht nicht nur das Schönreden. Er ist auch Meister im Werfen von Nebelpetarden. Wie andere Banken trägt auch die Credit Suisse noch immer Altlasten aus der Zeit vor der Finanzkrise mit sich herum. Da ist der Streit um die undurchsichtige Art und Weise, wie Banken das Geschäft mit verbrieften Hypothekarkrediten betrieben hatten. Eben erst wurde bekannt, dass die beiden US-Grossbanken J.P. Morgan und die Bank of America zur Bereinigung dieser Geschichte voraussichtlich Milliarden lockermachen müssen. Da auch die Credit Suisse in diese Sache verwickelt ist, wurde Dougan gestern anlässlich der Medien- und Analystenkonferenz nach dem Stand der Dinge gefragt. Der CS-Chef redete und redete und redete – gesagt hat er nichts.
Klassenbester? In welchem Fach? Die Zahlen stimmen nicht. Die Altlasten sind nicht bereinigt. Die Kommunikation ist schwach. Die Strategie ist nicht erkennbar.
Verluste den Aktionären
Dennoch: Es ist nicht Dougan allein, der die Richtung der Bank definiert. Da ist eine neunköpfige Geschäftsleitung und ein dreizehnköpfiger Verwaltungsrat. Darunter sind Leute wie Peter Brabeck und Walter Kielholz, die seit den 90er-Jahren die Fäden ziehen. Da ist Urs Rohner, seit viereinhalb Jahren im Gremium, seit zweieinhalb Jahren Präsident. Von ihm vernimmt man wenig, abgesehen davon, dass er die Strategie öffentlich verteidigt.
Es muss wieder einmal daran erinnert werden: Im Mai 2007 lag der Kurs der CS-Aktie über 90, gestern Abend unter 30 Franken. Die Aktionäre haben viel Geld verloren, die Verwaltungsräte und Konzernleitungsmitglieder immer Geld gewonnen – vor, während und nach der Finanzkrise.
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