Will Griechenland nun doch weitere Euro-Hilfe beantragen?
Nach der hartnäckigen Weigerung der vergangenen Tage will Griechenland unbestätigten Berichten zufolge nun doch einen Antrag auf Verlängerung des Kreditabkommens prüfen.

Im griechischen Schuldendrama deutet sich in letzter Minute ein Kurswechsel der neuen Regierung in Athen an. Unter Berufung auf ungenannte Regierungsquellen berichten mehrere Medien, Athen wolle doch noch die Verlängerung des aktuellen Hilfsprogramms beantragen.
«Wir untersuchen die Möglichkeiten einer Verlängerung des Kredite-Abkommens», zitierte die Deutsche Presse-Agentur (dpa) Quellen aus Regierungskreisen am Dienstagabend. Das Sparprogramm gelte aber nicht, hiess es demnach weiter. Was das genau bedeute, wollten die Regierungsquellen in Athen nicht sagen.
Damit blieb die entscheidende Frage zunächst offen, ob Athen nun auch bereit ist, die bisher vereinbarten Auflagen der internationalen Geldgeber zu akzeptieren.
Griechischen Medien zufolge strebt Athen eine Verlängerung um sechs Monate an, also bis Ende August. Ein Sprecher des Athener Finanzministeriums wollte die Berichte am Dienstagabend auf Anfrage der dpa weder bestätigen noch dementieren. Regierungskreise schlossen eine neue Sitzung der Eurogruppe nicht aus.
Wie die griechischen Medien weiter berichteten, wird Athen den Europartnern versprechen, keine Massnahmen zu treffen, die zu zusätzlichen Defiziten führen. Athen sei zudem offen, weitere Zugeständnisse zu machen.
Börse reagiert positiv
Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble reagierte auf die Ankündigung eines neuen Hilfsantrages mit grosser Zurückhaltung. Im «Heute Journal» des ZDF sagte er, er habe dazu keine näheren Informationen.
Ob bestätigt oder nicht, die Anleger in den USA reagierten am Dienstag positiv auf die Spekulationen. Der Börsenindex S&P-500 erreichte erstmals 2101 Punkte.
Die Euro-Länder fordern die Regierung in Athen auf, bis diesen Freitag eine Verlängerung zu beantragen. Dies lehnte das Links-Rechts-Bündnis unter Ministerpräsident Alexis Tsipras bisher strikt ab. Athen macht das bisherige Programm der Euro-Partner und des Internationalen Währungsfonds (IWF) für die Misere in Griechenland verantwortlich.
Ohne eine rasche Einigung droht Griechenland eine dramatische Verschlechterung seiner Finanzlage bis hin zur Staatspleite. Eine wichtige Entscheidung steht bei der Europäischen Zentralbank (EZB) an. Sie berät darüber, ob sie die Notfallkredite von bisher 65 Milliarden Euro für die griechischen Banken weiter bewilligt.
Die Eurogruppe setzte am Montag Athen eine Frist bis Freitag, um eine Verlängerung des laufenden Rettungsprogramms um sechs Monate zu beantragen. Doch die Regierung von Tsipras lehnte dies ab, weil damit weiterhin Spar- und Reformauflagen verbunden sein werden. Diese Auflagen haben nach Meinung des Syriza-Chefs das Land in die derzeitige wirtschaftliche und soziale Misere getrieben.
Märkte reagieren nervös
Die Märkte reagierten am Morgen zunächst nervös auf den Abbruch der jüngsten Gespräche zwischen Griechenland und den übrigen Mitgliedern der Eurogruppe vom Vorabend. Am Nachmittag reduzierte der griechische Leitindex aber seinen Verlust von zunächst vier Prozent auf 2,5 Prozent. Viele Investoren hoffen auf eine Einigung in letzter Minute. Allerdings stiegen in Griechenland die Zinsen für Staatsanleihen. Dies werteten Beobachter als Zeichen dafür, dass Anleger eher mit Bankenpleiten rechnen.
«Die Rettung kommt nicht dadurch, dass man einen Fehler weiter macht», sagte Tsipras den Abgeordneten. Seine Partei hatte die Wahlen vor gut drei Wochen auch deshalb gewonnen, weil sie ein Ende des harten Sparkurses versprach, den Griechenland im Gegenzug für die Hilfskredite von bisher 240 Milliarden Euro fahren muss.
Grexit wird wahrscheinlicher
Der Chef der Eurogruppe, Jeroen Dijsselbloem, hatte allerdings am Dienstag signalisiert, dass eine Flexibilisierung möglich sei, sofern Griechenland eine Verlängerung des Programms beantrage. Die Griechen könnten anschliessend «ihre politischen Prioritäten einbringen», meinte er.
Die internationalen Kreditgeber bewahren das Euro-Land seit dem Beinah-Zusammenbruch 2010 mit gigantischen Milliardenbeträgen vor dem Bankrott. Bisher gewährten die Eurogruppe und der Internationale Währungsfonds Rettungskredite in Höhe von 240 Milliarden Euro. Am 28. Februar läuft das bisherige Rettungsprogramm für Athen aus. Sollte es bis dahin keine Einigung mit den europäischen Gläubigern geben, könnten unter anderem die Banken womöglich ohne erschwingliche Finanzierung dastehen und der Staat in den Bankrott schlittern.
In letzter Konsequenz droht das Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro. «Die Zeit, um eine Einigung zu erzielen, läuft nun davon», sagte Analyst Lee Hardmann von Bank of Tokyo-Mitsubishi UFJ. «Es wird immmer wahrscheinlicher, dass Griechenland aus dem Hilfsprogramm zum Ende des Monats aussteigen wird», vermutet er. «Sollte Griechenland den Euro verlassen, könnte das dann ausbrechende Finanzchaos auch das Ende der Syriza-Regierung bedeuten», sagte Jane Foley von der Rabobank International. «Deshalb glauben wir, dass ein Kompromiss in allerletzter Minute zwischen Griechenland und seinen Gläubigern noch möglich ist.»
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sagte derweil in Brüssel, es sei nicht klar, was Griechenland eigentlich wolle. Bei den Verhandlungen am Montagabend hatte Finanzminister Gianis Varoufakis eine Verlängerung des laufenden Programms abgelehnt und einen Überbrückungskredit gefordert, um mit mehr Zeit über neue Finanzierungsformen verhandeln zu können.
Griechenland wählt neuen Präsidenten
Der konservative Politiker und Verfassungsrechtler Prokopis Pavlopoulos soll derweil neuer Staatspräsident Griechenlands werden. Darauf hat sich die griechische Regierung am Dienstag in Athen verständigt. Die Abstimmung im Parlament ist am Mittwochabend vorgesehen. Die Wahl von Pavlopoulos scheint so gut wie sicher.
Prokopis Pavlopoulos kommt aus dem konservativ-bürgerlichen Lager und ist ein Experte für Verwaltungsrecht. Politisch eher zurückhaltend und etwas farblos gilt er als prinzipientreuer Mann der leisen Töne. Die Presse beschreibt ihn als «Gentleman der griechischen politischen Szene», der sich oft bedeckt halte. Als Präsidentschaftskandidat der linken Regierungspartei Syriza tritt der 64-Jährige frühere Professor der Universität Athen nun ins grelle Rampenlicht.
Syriza-Chef und Ministerpräsident Alexis Tsipras will mit der Kandidatur von Pavlopoulos einer wichtigen Forderung der Verfassung Folge leisten. Die Persönlichkeit an der Spitze des Staates soll über eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung verfügen und nicht nur Vertreter der gerade stärksten Partei sein. Pavlopoulos ist Mitglied der Partei Nea Dimokratia (ND) des Ende Januar abgewählten Ministerpräsidenten Antonis Samaras.
AP/AFP/sda/thu/chk
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