«Wir befinden uns im Krieg gegen Spekulanten»
Die Risikoaufschläge für französische Staatsanleihen steigen rapide an. Finanzminister François Baroin findet dies nicht gerechtfertigt. Der Vergleich mit Deutschland gibt ihm Recht – auf den ersten Blick.

Die Finanzmärkte nehmen jetzt auch Frankreich richtig in die Mangel: Der Risikoaufschlag für Schuldpapiere des französischen Staates steigt täglich auf eine neue Rekordhöhe. «Wir befinden uns im Krieg gegen Spekulanten», wetterte Finanzminister François Baroin diese Woche. Schliesslich habe die Regierung doch schon äusserst mutige Reformen beschlossen, um sich das Vertrauen der Investoren zu sichern. Doch den Finanzmärkten scheint dies nicht zu reichen, und so blickt Europa zunehmend sorgenvoll auch nach Frankreich, wo die Bestnote AAA für die Kreditwürdigkeit des Landes auf dem Spiel steht.
Die zweitwichtigste Wirtschaftsmacht im Euro-Raum nach Deutschland ist schon seit geraumer Zeit im Visier der Rating-Agenturen und Finanzinvestoren. Dass die Risikoaufschläge für französische Staatsschuldtitel nun aber so schnell ansteigen, findet die Regierung in Paris «nicht gerechtfertigt». Tatsächlich ist der Schuldenstand des Landes kaum höher als in Deutschland, und die Neuverschuldung soll von relativ hohen 5,7 auf 4,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) im nächsten Jahr gedrückt werden. Dazu hat die konservative Regierung bereits zwei Sparpläne aufgelegt, trotz anstehender Wahlen im nächsten Jahr. Baroin versicherte allerdings in der Zeitung «Les Echos»: «Wir arbeiten nicht an einem dritten Sparplan.»
Aufgeblasene Staatsausgaben
Analysten und Finanzmarktexperten fordern von Frankreich aber genau das. Denn als Hauptprobleme des Landes gelten die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit und die «aufgeblasenen» Staatsausgaben, wie es im «Euro Plus Monitor» der Privatbank Berenberg und der Brüsseler Ideenfabrik Lisbon Council diese Woche hiess. «Die Alarmglocken müssten für Frankreich schrillen», warnte Holger Schmieding, Chefökonom bei Berenberg. Unter den sechs Euro-Zonen-Ländern mit einer AAA-Note liege Frankreich bei den Fundamentaldaten mit weitem Abstand auf dem letzten Platz. Ohne Frankreichs AAA könnte auch der Euro-Rettungsfonds EFSF seine Top-Bonität verlieren.
Innerhalb der AAA-Länder sei Frankreich «eines der schwächsten Glieder», urteilt auch Gernot Griebling, Analyst bei der Landesbank Baden-Württemberg. Die Reaktion der Märkte sei zwar übertrieben. Aber «es muss sich in Frankreich etwas ändern, und Reformen müssen auch tatsächlich umgesetzt werden». Arbeitsmarktreformen wie die der Agenda 2010 habe es in Frankreich nie gegeben. So seien seit der Euro-Einführung die Lohnstück-Kosten in Frankreich um 26 Prozent gestiegen, in Deutschland nur um fünf bis sechs Prozent. Eine Möglichkeit wären längere Arbeitszeiten oder niedrigere Lohnnebenkosten.
Markt zweifelt an den Reformen
Auch andere Experten fordern Strukturreform am Arbeitsmarkt oder bei den Sozialkassen. Gerne lobt die französische Regierung zwar ihre Rentenreform, die sie gegen alle Widerstände und Proteste vergangenes Jahr durchgesetzt habe. Tatsächlich wurde das Renteneintrittsalter aber nur von 60 auf 62 Jahre erhöht, in Deutschland liegt es bei 67 Jahren. Und das Volumen des französischen Staatshaushaltes für 2012 umfasst 366 Milliarden Euro, während in Deutschland 306 Milliarden geplant sind - trotz einer deutlich höheren Bevölkerungszahl.
«Der Markt hat Zweifel an den politischen Massnahmen», gibt Griebling denn auch als eine Ursache für die steigenden Risikoaufschläge an. Das bisherige Wachstumsmodell in Frankreich, das auf billigen Krediten für Staat und Private fusste, «stösst an seine Grenzen», meint er. Für nächstes Jahr wird höchstens ein Prozent Wachstum prognostiziert. Griebling warnt aber zugleich vor einem zu rigiden Sparkurs, der die Konjunktur noch weiter abwürgen könnte. Dann könnten alle Bemühungen «ins Leere laufen». Dennoch gibt es seiner Ansicht nach Lichtblicke: Die Lage für Frankreich sei noch nicht dramatisch, das Land habe Zeit für Reformen - anders als Italien.
AFP/miw
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