«Wir Frauen müssten jetzt drei Jahre lang schweigen»
Monika Ebeling, die entlassene Gleichstellungsbeauftragte aus Goslar, ist am Samstag bei der IG Antifeminismus zu Gast. Im Interview mit Redaktion Tamedia kritisiert sie die gängige Gleichstellungspolitik.

Frau Ebeling, bei uns gibt es die Altfeministinnen, die streiken, und die jungen Frauen, die den Sinn des Streiktags nicht einsehen. Sie vereinen die beiden Typen in einer Person.
In meiner Altersklasse, zwischen Mitte 40 und Mitte 50, hat man eine besondere Verantwortung, zwischen den Altfeministinnen und den jungen Frauen zu vermitteln. Junge können mit der feministischen Kampfhaltung wenig anfangen, sie können arbeiten, eine Scheidung ist kein Problem, alleinerziehend sein auch nicht. Dass es diese Spaltung in der Schweiz auch gibt, habe ich beobachtet. Die jungen SP-Frauen, angeführt von Tanja Walliser, die sich von der Feminismusbewegung distanzieren – ich dachte: wow! Das ist fortschrittlich. Bei uns gibt es diesen Streit zwischen Familienministerin Christine Schröder und der Feministin Alice Schwarzer. Ich finde es schlecht, wenn Altfeministinnen den Zeigefinger erheben und erklären: Ihr werdet dann schon noch sehen, ihr werdet noch kämpfen müssen.
Kann es sein, dass die Errungenschaften der Feministinnen von den Jungen zu wenig verdankt werden, dass man sich der früheren Verhältnisse zu wenig bewusst ist?
Dankbarkeit finde ich fehl am Platz. Aber Respekt und Anerkennung wären sicher wichtig. Die Feministinnen könnten ihre Anliegen aber auch besser nach aussen tragen, finde ich. Stattdessen setzen sie immer dieselbe Schallplatte auf, sie wiederholen sich die ganze Zeit. Das stösst ab.
Wann haben Sie sich von den Feministinnen abgewendet?
Ich bin als junge Frau mit feministischen Kampfsprüchen konfrontiert worden und habe diese übernommen. Geändert habe ich meine Haltung mit den Erfahrungen im Beruf und Privatleben. Zum Beispiel fand ich es immer problematisch, dass bei Scheidungen das Mutterideal so hochgehalten wird. Das ist nicht nur für die Männer schlecht, die ihre Kinder verlieren, sondern auch für die Frauen. Sie müssen allgegenwärtig sein, als wäre das Kind das Eigentum der Mutter. Doch wenn man etwas verbessern will, wird das von links-grünen Frauen immer als Angriff verstanden, man will uns etwas wegnehmen. Statt dass man das Problem einfach pragmatisch anginge. Was mich auch abgestossen hat, ist die Stigmatisierung der Männer. Aus schlechten Einzelerfahrungen wird eine Regel gemacht. Ich habe mit Männern nicht nur gute Erfahrungen gemacht, aber es würde mir fernliegen, dafür das ganze Geschlecht verantwortlich zu machen. Es hat doch auch liebenswerte Typen darunter.
Wie war es als «progressive» Gleichstellungsbeauftragte im links-grünen Umfeld?
Egal welches Umfeld – Deutschland ist ja CDU-FDP-regiert –, es herrscht in der Gleichstellungspolitik ein fundamental-feministischer Mainstream. Und wenn man die Apartheid der Geschlechter – «der Mann steht über der Frau, die Frau ist das Opfer» – nicht einfach akzeptiert, ist das sehr provokativ. Es gab eine kleine Gruppe von Frauen, die sich drei Jahre lang stark für meine Abberufung engagiert und diese letztlich erreicht hat. Natürlich haben sich dafür auch ein paar Männer einspannen lassen. Mobbing ist ein grosses Wort, aber hier trifft es wohl zu: Zuerst wurden mir die feministischen Leviten gelesen, offiziell in der grossen Runde. Ich sass da auf dem heissen Stuhl. Später haben einige dieser Frauen meine Info-Mails abbestellt mit der Begründung, meine Informationen würden keine Frauenanliegen aufgreifen. Ich wurde zu Frauentreffen nicht mehr eingeladen, und schliesslich wurde mir auch das Gespräch verweigert, das härteste Mittel. Es gab eine Initiative für ein interfraktionelles Gespräch, was die Frauen aus links-grün abgelehnt haben, es mache keinen Sinn.
Haben Sie sich auch mal als Verräterin gefühlt?
Ich habe mir Gedanken darüber gemacht, ob ich mein Geschlecht verrate, wenn ich mich nicht mehr ausschliesslich um Frauenanliegen kümmere. Doch im deutschen Grundrecht, Artikel 3, steht die Gleichstellung von Mann und Frau festgeschrieben. Nur das «und» wollen viele nicht richtig wahrhaben.
Sie wehren sich gegen die Opferhaltung. Der Streit um die Stigmatisierung der Frau hat letztlich zu Ihrer Abberufung geführt.
Es waren zwei Anlässe. Eine Ausstellung und eine Broschüre über Gewalt in Paarbeziehungen. Jede Berufsbezeichnung war in der Broschüre männlich und weiblich angegeben, nur bei Täter und Opfer ist immer ganz klar: Täter ist männlich. Da habe ich mich dagegen gewehrt, es stimmt ja auch nach neusten Erkenntnissen nicht mit der Realität überein, dass Frauen keine Gewalt ausüben. Der andere Fall war die Brötchentüte zur Kinderschutzwoche, bei der die Frauen miteinbezogen wurden. Das habe ich moniert. Es wurden nur die Männer nicht genannt. Warum?
In jungen Jahren haben Sie die Gleichstellungsaktivistinnen als grosse Schwestern bezeichnet; heute sehen Sie sie als verbitterte Kämpferinnen. Wann war die Wende?
Bei der Diskussion um den Abtreibungsparagrafen 218 in den Siebzigerjahren. Dabei hat sich das weibliche Geschlecht isoliert, indem es die Männer von der Diskussion ausgeschlossen hat, nach dem Motto: «Das ist mein Bauch, der Inhalt gehört mir». Damals sind die Feministinnen inhaltlich stehen geblieben.
Ist die mitteleuropäische Gleichstellungspolitik überholt?
Ja, wir müssen sie neu erfinden. Nicht beerdigen, aber die Männerpolitik einfliessen lassen. Es braucht Männer- und Frauenförderung, und dabei gibt es sogar eine Schnittmenge. Es darf keinen Wettbewerb unter den Geschlechtern geben, wer mehr Geld kriegt et cetera. Ich würde mit Ursula März – die in der «Zeit» beschrieb, warum sie die Debatten über die Rolle der Frau nicht mehr erträgt – vorschlagen, dass die Frauen jetzt versuchsweise drei Jahre lang schweigen und so lange Männerthemen beackert werden.
Ganz vollendet ist die Frauenpolitik ja noch nicht, an Schaltstellen der Macht fehlen die Frauen, und Lohnunterschiede gibt es auch immer noch.
Ja, aber wir haben rechtliche Gleichstellung. Und die gesellschaftliche ist eine andere Ebene, die einfach mehr Zeit braucht. Vielleicht richten wir Frauen den Fokus auch zu sehr auf Macht und Geld.
Gleichstellungspolitik ist heikel; wenn nun das Scheidungsrecht zugunsten der Männer angepasst wird, sind Frauen rasch wieder benachteiligt.
Ich glaube nicht, dass Rückschritte möglich sind. Dafür sind wir viel zu sehr sensibilisiert. Man muss nur pragmatisch bleiben und darf nicht ideologisch werden. Beim Abtreibungsgesetz frage ich mich beispielsweise, ob eine Kürzung der gesetzlich erlaubten Abtreibungsfrist nicht angemessen ist, angesichts des medizinischen Fortschritts.
Sie treten am Samstag bei den Antifeministen in der Schweiz auf. Hat Ihnen das in Goslar weitere Kritik eingebracht?
Ja, Zeitungen in Goslar und auch in Braunschweig, wo ich wohne, haben das kritisiert. Menschen, die mit diesen Themen nicht gut umgehen können, schubladisieren immer schnell in konservativ oder rechts.
Allerdings ist der Gründer der IG Antifeminismus, René Kuhn, sogar von der rechts positionierten SVP zum Rücktritt aufgefordert worden wegen Verbalattacken auf «Vogelscheuchen» und «verfilzte Weiber»…
Dass ich bei den Antifeministen auftrete, heisst nicht, dass ich dieselbe Meinung vertrete. Als Sozialarbeiterin bin ich den Dialog mit allen möglichen Menschen gewohnt. Aber nur schon die Tatsache, dass es jemand wagt, dem Feminismus ein «anti» voranzustellen, hat mich beeindruckt.
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