«Wir haben gut verhandelt, wir haben hart verhandelt»
Im Fall Tinner hat das Bundesstrafgericht ein abgekürztes Verfahren gegen die drei Angeklagten genehmigt. Diese bleiben auf freiem Fuss. Bundesanwalt Michael Lauber ist dennoch zufrieden.

Das Bundesstrafgericht hat einen juristischen Schlussstrich unter die Affäre Tinner gezogen und das abgekürzte Verfahren genehmigt. Bestätigt hatte das Gericht mit dem Urteil auch die beantragten Strafen. Es sprach die Angeklagten der «Förderung der Herstellung von Kernwaffen» schuldig. Marco Tinner wurde zusätzlich der Urkundenfälschung schuldig gesprochen. Es verurteilte Urs und Marco Tinner zu einer 50- respektive 41-monatigen Freiheitsstrafe und ihren Vater zu zwei Jahren Gefängnis auf Bewährung.
Staatsanwalt des Bundes, Peter Lehmann, zeigte sich grundsätzlich froh darüber, dass es zu einer Verurteilung gekommen ist. Mit dem reduzierten Aktenbestand habe man nicht von so etwas ausgehen können, sagt er gegenüber der Sendung «10vor10». Dennoch ist Lehmann der Meinung, dass mit den sehr tiefen Strafen, welche die Tinners in Bellinzona erhielten, die «unterste Grenze erreicht» sei.
Bis zu 15 Jahre Haft hätten die Tinners für ihr Vergehen erhalten können. Doch Bundesanwalt Michael Lauber ist mit dem Ausgang des Prozess zufrieden. «Wir haben gut verhandelt, und wir haben hart verhandelt», so Lauber gegenüber der Nachrichtensendung. Man aus dieser Situation das Optimum rausgeholt. Man müsse im Fall Tinner die Alternativen betrachten: «Mit diesem Prozessrisiko mussten wir davon ausgehen, dass es zu Freisprüchen und hohen Entschädigungsforderungen kommt. Diese hätte dann der Steuerzahler bezahlen müssen.»
Die Angeklagten bleiben auf freiem Fuss
Die Angeklagten bleiben auf freiem Fuss, da die Söhne ihre Strafen bereits in Untersuchungshaft abgesessen haben und die Strafe des Vaters eine bedingte war. Die Tinners tragen die Verfahrenskosten in der Höhe von 400'000 Franken.
Die Tinners haben den ihnen angelasteten Sachverhalt grundsätzlich eingestanden und somit gegen das Kriegsmaterialgesetz verstossen. Im Gegenzug hatten sie sich mit der Bundesanwaltschaft (BA) in einem massgeschneiderten Deal auf ein bestimmtes Strafmass geeinigt.
Richter äusserten Vorbehalte
Das Bundesstrafgericht hat diesen Deal nun zwar genehmigt, brachte allerdings zahlreiche Vorbehalte an. So hatte es Schwierigkeiten zu beurteilen, ob das verhängte Strafmass der Schwere der ihnen zur Last gelegten Strafen Rechnung tragen würde. Die Richter hoben vor allem die Differenz zwischen der zweijährigen Bewährungsstrafe von Friedrich Tinner und den 50- respektive 41- monatigen Strafen seiner Söhne Urs und Marco hervor.
Die Richter riefen in Erinnerung, dass Friedrich Tinner die Hauptrolle in dieser langen Affäre spielte. Zudem erachtete das Gericht die Zusammenarbeit mit den amerikanischen Behörden keineswegs als strafmildernd. Vielmehr handle es sich um eine unerlaubte Massnahme.
Die Richter fragten sich weiter, aus welchen Gründen die Tinners davon absahen, die Schweizer Behörden vor dem Risiko einer Verletzung des Atomwaffensperrvertrages zu warnen, obschon die amerikanischen Behörden davon in Kenntnis gesetzt wurden.
Angesichts der Nachteile eines normalen Verfahrens, die vor allem auf die Aktenvernichtung wichtiger Teile des Dossiers zurückzuführen seien, akzeptierte das Bundesgericht letztlich den vorgeschlagenen Deal der Bundesanwaltschaft.
Arbeit für «Vater der Atombombe»
Die Affäre Tinner beschäftigte Politik, Gerichte und Öffentlichkeit seit über sechs Jahren. Das Eidg. Untersuchungsrichteramt hatte den Tinners angelastet, seit den späten 1970-er Jahren im Netzwerk des pakistanischen «Vaters der Atombombe» Abdul Qadeer Khan an der Urananreicherung zur Produktion von Atomwaffen mitgewirkt zu haben. Bereits im Juni 2003 sollen die Tinners dabei von der CIA angeworben worden sein.
Ab diesem Zeitpunkt hätten sie in deren Auftrag weiter für Khan gearbeitet und damit zum Auffliegen seines Netzes beigetragen. Offenbar auf ihren Tipp hin konnten die Geheimdienste im Oktober 2003 in Italien ein Schiff abfangen, das mit Teilen für eine Urananreicherungsanlage nach Libyen unterwegs war.
Die Details der CIA-Tätigkeit durften allerdings auf Geheiss des Bundesrates nicht unter die Lupe genommen werden. Die BA konnte deshalb auch nicht klären, ob die Tinners tatsächlich mit ausländischen Diensten zur Aufdeckung des libyschen Atomwaffenprogrammes beigetragen haben.
Die Landesregierung hatte 2008 zudem auf Druck der USA Material aus dem Tinner-Verfahren schreddern lassen. Kopien von Teilen der vernichteten Akten tauchten später in den Archiven der BA auf. Die Tinners waren 2005 verhaftet worden. Der Vater wurde 2006, die Söhne Ende 2008 und Anfang 2009 aus der Untersuchungshaft entlassen.
SDA/kpn
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