
Sanitas hat vor kurzem die App Active lanciert. Sie greift auf die Gesundheitsdaten des Telefons zu und übermittelt die tägliche Schrittzahl an den Krankenversicherer. Dieser belohnt regelmässige Bewegung mit virtuellen Münzen. Die dürfen gegen Einkaufsgutscheine eingetauscht werden, zum Beispiel bei Digitec oder bei Athleticum. Die Motivation des Versicherers für die App liegt auf der Hand: Prämienzahler, die täglich ihre 7000 oder 10'000 Schritte abspulen, sind gesünder und verursachen weniger Kosten.
Ich habe mich sofort angemeldet. Nicht trotz, sondern gerade wegen der vielen Einwände meiner Peergroup. Die hat prognostiziert, dass der Bonus für die Aktiven schon bald zu einem Malus für die Faulen werden wird. Bald wird man sich allein deswegen verdächtig machen, wenn man seine Daten nicht zur Verfügung stellt.
Das ist keine erfreuliche Aussicht. Doch wir leben längst im digitalen Kapitalismus. Unsere persönlichen Daten sind ein bequemes Zahlungsmittel. Es entsteht scheinbar aus dem Nichts und erlaubt es uns, das Internet als riesigen Selbstbedienungsladen zu benutzen. Wäre der digitale Kapitalismus mit Verweigerung aufzuhalten, dann wäre Google nach wie vor ein unbedeutender Suchmaschinenanbieter. Und Facebook hätte irgendwann 2005 Konkurs angemeldet.
Ein riesiges Wachstum
Doch das ist nicht, was passiert ist. Wir beobachten im Gegenteil, wie eine neue datenverarbeitende Wirtschaft entsteht. Marktbeobachter IDC prognostiziert, dass 2025 das «digitale Universum» eine Datenmenge von 180 Zettabytes umfassen wird. Das sind eine Billion Gigabytes. Der Wert dieser Daten steigt, weil lern- und leistungsfähige Algorithmen diese Daten bewirtschaften. Manchmal profitiert auch die Allgemeinheit, wenn im Rahmen von Open-Data-Bestrebungen die gesammelten Informationen öffentlich zugänglich gemacht werden. Doch in den meisten Fällen bleiben sie in der Hand von Unternehmen wie Facebook und Google, die sich hinter komplizierten und intransparenten Nutzungsbedingungen verschanzen.
«The Economist» zitiert in einem langen Artikel zu der neuen datengetriebenen Wirtschaft ein Konzept des WEF vom persönlichen Datenbankkonto. Dort stecken die eigenen Daten, die man selbst kontrolliert, verwaltet und für die man einen Zins erhält, wenn man sie investiert.
Das Datenkapital investieren
Das ist der richtige Ansatz. Wir müssen anfangen, uns als Teil dieses digitalen Kapitalismus oder, neutraler gesagt, der neuen Datenwirtschaft zu sehen. Unsere persönlichen Daten sind unser Kapital – das es gewinnbringend zu investieren gilt. Wenn man sich auf diese Sichtweise einlässt, dann fängt man bei der Active-App zwangsläufig an nachzurechnen: Sanitas zahlt für jeden Tag, an dem das Schrittziel erfüllt wird, eine Münze. Dreissig Münzen ergeben bei Digitec einen Gutschein von 10 Franken. Umgelegt auf die Krankenkassenprämie, ist das ein Rabatt im Prozentbereich.
Ist das genug? Für die Schrittzahl vielleicht – aber wenn die Daten des Pulsmessers übermittelt werden, müsste der Rabatt markant ansteigen. Das Schlafprotokoll sollte der Krankenkasse einen Rabatt von mindestens fünf Prozent auf die Prämie wert sein. Und der Zugriff auf die digitale Waage wäre mit einem Rabatt von wenigstens fünf Prozent auf die Prämie zu entgelten. Oder zahlt jemand mehr?
Diese Sichtweise führt nicht unbedingt dazu, dass jeder zum gierigen Datenspekulanten wird. Auch bei den Geldanlegern gibt es diejenigen, denen es nicht auf den maximalen Shareholder-Value ankommt – und genauso kann man für seine Daten eine Nachhaltigkeitsstrategie entwickeln. Ob die Active-App dann im Portfolio bleibt, wird jeder selbst entscheiden müssen.
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Wir müssen zu klugen Daten-Investoren werden
Eine Krankenkasse vergütet Gesundheitsdaten ab Smartphone neuerdings mit Einkaufsgutscheinen. Warum es sich lohnt, da mitzumachen!