«Wir werden einen guten Deal aushandeln»
Labour-Chef Corbyn wurde von seinen Delegierten wie ein Popstar gefeiert. Premierministerin May muss sich dagegen vor ihrem Parteitag fürchten.

Die Labour-Spitze wollte am letzten Tag des Parteitags in jeder Hinsicht Einigkeit zeigen. Alle Mitglieder des Schattenkabinetts, die ihren Chef Jeremy Corbyn auf dem Weg zu seiner Abschlussrede ins Konferenzzentrum begleiteten, hatten sich abgesprochen: Die Männer kamen in schwarzen Anzügen mit roten Krawatten, die Frauen sassen in roten oder rot-schwarzen Kleidern vor einer knallroten Wand. Die Optik stimmte also schon mal, die Parteifarbe dominierte das Podium.
Auch sonst funktionierte die Inszenierung: Corbyn wurde, wie so oft auf diesem Parteitreffen, zu dem alles in allem mehr als 13'000 Menschen angereist waren, wie ein Popstar gefeiert. Nach seinem Abschluss-Gag, Labour werde das Land erneuern – «... and we can!», einer Paraphrase des Sieger-Slogans von Ex-US-Präsident Barack Obama, tanzten die Delegierten ausgelassen im Saal.
Die letzten Stunden auf britischen Parteitagen sind traditionell für den Parteichef oder die -chefin reserviert. Jeder in Liverpool wusste, dass Corbyn ein leichtes Spiel haben würde – ganz anders als Premierministerin Theresa May, die sich vor dem Tory-Parteitag in Birmingham, der am kommenden Sonntag beginnt, regelrecht fürchten muss.
Ihr droht eine Abrechnung mit der eigenen Partei; May hat berechtigte Sorge, dass ihr der Parteitag das Vertrauen für ihren Brexit-Kurs und eventuell sogar für ihre Person entziehen könnte. Corbyn hingegen sonnte sich in dem Gefühl, dass er für Labour, zumindest derzeit, unersetzlich ist.
Corbyn versprach zudem höhere Mindestlöhne
Gleichwohl gab es ein paar politische Baustellen, zu denen er sich äussern musste, wenn er den ganzen Saal gewinnen wollte. So warb der Labour-Chef erneut um das Vertrauen der jüdischen Wähler und erteilte jeder Form von Antisemitismus eine Absage; unerträgliche Äusserungen einzelner Parteimitglieder hätten leider «ausserordentliches Leid erzeugt».
Hauptthema der Rede allerdings war die Wirtschafts- und Sozialpolitik. Der 69-Jährige geisselte die soziale Kälte der konservativen Regierung; die radikalen Einsparungen unter den Tories seien ein «Skandal». Labour werde, wenn die Partei an die Macht komme, die Kommunen und das Gesundheitswesen besser ausstatten und pro Woche 30 Stunden kostenlose Kinderbetreuung für alle Zwei- bis Vierjährigen anbieten.
Corbyn versprach zudem höhere Mindestlöhne nicht nur für Kindergärtnerinnen und Sozialarbeiter, sondern für alle Menschen, die mit Minilöhnen abgespeist würden; die Partei will den Mindestlohn branchenübergreifend auf zehn Pfund pro Stunde anheben. Neue Jobs sollen durch einen Umbau der Wirtschaft und eine ökologische Erneuerung kommen. Grüne Energie könne bis zu 400'000 neue Arbeitsplätze schaffen.
Es werde unter einer Labour-Regierung auch mehr Arbeitnehmerrechte geben. So solle die Belegschaft bei Firmen mit mehr als 250 Mitarbeitern ein Drittel der Sitze in den Aufsichtsräten übernehmen und über Firmenbeteiligungen mit mindestens 500 Pfund im Jahr an den Unternehmensgewinnen beteiligt werden.
Auch zum Brexit äusserte sich der Parteichef
Es war eine klassisch sozialdemokratische Rede, die der Parteichef hielt, das Programm gleicht dem vieler linker Parteien in Europa. Labour allerdings erlebt auch deshalb einen Aufschwung unter Corbyn, weil sich die Partei vom wirtschaftsfreundlichen Kurs der Blair-Jahre losgesagt hat und wieder puristischer geworden ist.
Auch zum Brexit äusserte sich der Parteichef, was er selten tut, und machte klar, dass Labour einen Brexit auf Kosten von Arbeitnehmern und Jobs nicht zulassen werde. Ein Scheitern der Verhandlungen, ein «No Deal», sei unerträglich. Sollte May aber einen Vertrag mit der EU aushandeln, der eine Zollunion für das ganze Land beinhalte und eine harte Grenze in Irland vermeide, könne Labour einem solchen Deal im Parlament eventuell zustimmen.
Da das aber nicht zu erwarten sei, müsse die Premierministerin beiseiterücken. «Wir werden einen guten Deal aushandeln», rief Corbyn in den Saal, «und Leaver und Remainer zusammenbringen.» Das allerdings versucht auch May seit zwei Jahren verzweifelt.
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