«Wir wollen nichts mehr von der Ukraine hören»
Ob unabhängig oder russisch – Hautpsache ohne die «Banditen in Kiew». Vor den Wahllokalen in Donezk und Luhansk zeigt sich die Wut gegen die Übergangsregierung. Andere befürchten ein riesiges Chaos.
Swetlana zuckt mit keiner Wimper, als sie in der ostukrainischen Grossstadt Donezk zwischen bewaffneten Männern hindurch zur Abstimmung über die Abspaltung ihrer Region von Kiew geht. Vor dem Wahllokal Nummer sieben warten bereits zahlreiche Menschen in einer Schlange. Swetlana, eine zarte, ältere Frau, stellt sich geduldig an, fest entschlossen, an diesem «historischen Tag» ihre Stimme für die Unabhängigkeit der «Volksrepublik Donezk» abzugeben, die von den prorussischen Separatisten ausgerufen worden ist.
«Amerika hat den Maidan organisiert und nun organisieren sie ein Massaker an uns», sagt Swetlana aufgebracht mit Blick auf die monatelangen Proteste der proeuropäischen Opposition in Kiew, die Ende Februar zum Sturz von Präsident Viktor Janukowitsch führten, und die jüngste Offensive der ukrainischen Sicherheitskräfte im Osten. «Ich will nichts mehr von der Ukraine hören!»
Ihr Nachbar Wladimir gibt ihr Recht. «Wir wollen diese Banditen in Kiew nicht», sagte der hochgewachsene Mann. Ob die Region Russland beitritt oder unabhängig bleibt, ist ihm egal - Hauptsache ohne die bisherige Führung.
Weniger Wahllokale geöffnet
Mykola Solnzew, der das Referendum in Donezk mitorganisiert, freut sich über den Andrang: «Alles läuft wie geplant, die Wahllokale sind geöffnet und viele Leute kommen, um abzustimmen.» Allerdings sind «aus Sicherheitsgründen» weit weniger Wahlorte geöffnet als sonst bei Abstimmungen. Zudem ist es ohnehin nur in 14 Kommunen unter Kontrolle der Rebellen möglich, ein Votum abzugeben. Damit hat nicht mal die Hälfte der Bevölkerung in den Regionen Donezk und Lugansk die Chance zur Teilnahme.
«Wenn wir unabhängig werden, wird das zuerst hart sein, doch alles ist besser, als mit den Faschisten zu leben», glaubt die 35-Jährige Tatjana. Für Nikita ist die Ukraine nicht überlebensfähig, «weil sie von Dieben geführt wird». Er will daher für «Russland» stimmen - auch wenn das eigentlich nicht zur Abstimmung steht. Auf dem Stimmzettel, der ohne Umschlag für alle sichtbar in die durchsichtigen Urnen geworfen wird, steht nur die Frage: «Stimmen Sie für die Unabhängigkeit der Volksrepublik Donezk?»
Blutige Gefechte
Für viele Separatisten ist die Unabhängigkeit aber nur ein Schritt auf dem Weg in die Russische Föderation - so wie dies im März in der ukrainischen Halbinsel Krim der Fall war. Allerdings dürfte ausser Moskau kein Land das Ergebnis des Referendums anerkennen. Es gibt keine internationalen Wahlbeobachter, um den fairen Ablauf zu überprüfen. Da die Separatisten keinen Zugang zu den Wählerregistern haben, kann ausserdem jeder abstimmen - gegebenenfalls auch mehrfach.
In der südlichen Hafenstadt Mariupol, wo es in den Tagen zuvor blutige Gefechte gegeben hat, ist unter den Wählern die Begeisterung für die Abstimmung spürbar. Viele sind empört über das harte Vorgehen der Armee. «Seht, was sie hier gemacht haben. Sie haben am 9. Mai Truppen hergeschickt und alles zerbombt und zerstört», sagt die Rentnerin Nelli Lewkowskaja, als sie auf dem Weg zur Stimmabgabe vor einer Barrikade aus Reifen vor dem ausgebrannten Rathaus hält. Sie wolle nicht zu Russland, sondern «einfach unabhängig» sein.
Andere lehnen dagegen die Abstimmung ab. «Das ist alles sehr beunruhigend. Das ist keine normale Abstimmung. Seht doch, die Leute wählen inmitten bewaffneter Männer», sagte Irina in Donezk. Und in Mariupol legt Ivan Schelest, der gerade joggen ist, wert darauf, dass keineswegs alle abstimmen gehen. «Wenn dies durchgeht und sie wirklich die Republik Donezk werden, wird das eine Katastrophe», sagte der 20-jährige Feuerwehrmann. «Was für Leute werden sie führen? Es wird Chaos - noch schlimmer als jetzt.»
AFP/wid
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