«Wir zahlen einen hohen Preis für den Slalomkurs»
Nach der Wahlniederlage in Zürich wird Kritik an der FDP-Parteileitung laut: Beackere sie die Klimapolitik weiter, spiele sie noch mehr in die Hände ihrer grünen Gegner.

Nach den gestrigen Verlusten der Zürcher FDP bei den Regierungs- und Kantonsratswahlen wird Kritik am Kurs der Mutterpartei laut. «Es war strategisch ein grosser Fehler, sich mitten im Wahlkampf auf das Terrain des Gegners zu begeben», sagt Alain Schwald, Präsident der FDP Bezirk Affoltern. Auch Nicolas A. Rimoldi, Vizepräsident der Jungfreisinnigen in Luzern, übt Kritik: «Wir zahlen einen hohen Preis für den Slalomkurs der FDP-Spitze», schreibt er auf Twitter. «Letzte Alarmglocke: Bitte zurück zu den liberalen Werten!»
Die beiden Freisinnigen spielen auf die Kursjustierung in der Klimapolitik an, die FDP-Präsidentin Petra Gössi Mitte Februar angekündigt hatte – samt einer breiten Befragung der Basis. «Damit hat die FDP selber dazu beigetragen, dass das Klima zum Hype wird», kritisiert Schwald. Es sei absehbar gewesen, dass davon die grünen Kräfte profitieren würden. «Wir können nicht die Grünliberalen kopieren und ernstlich das Gefühl haben, der GLP dabei das Wasser abgraben zu können.»
So kritisch und gleichzeitig namentlich zitierbar äussern sich im Freisinn derzeit nur wenige zur Frage, welche Folgen es für die FDP bei den nationalen Wahlen im Herbst haben könnte, wenn die Partei das Feld der Klimapolitik weiterhin beackert. Andere tragen ihre Bedenken hinter vorgehaltener Hand vor: Es sei brandgefährlich, sich auf die Klimadebatte einzulassen, wie sie von den grünen Kräften in populistischer Manier angeheizt werde, sagt ein FDP-Nationalrat. Die FDP verstärke so die Botschaft, wonach es sich um d a s drängende Problem schlechthin handle – ohne dass es der FDP selber nütze. Bei Klima- und Umweltthemen gewinne immer das Original.
Wie wichtig das sogenannte Framing sein kann, hat Sprachforscherin Elisabeth Wehling 2017 im Zusammenhang mit dem Begriff Fake News aufgezeigt. Es sei ein Erfolg der rechtspopulistischen Seite, wenn die Medien den Begriff Fake News ständig wiederholen und sich auf die Debatte einlassen würden, wie vertrauenswürdig und verlässlich sie seien, sagte Wehling. «Damit haben sie sich in den gedanklichen Angriff der Gegenseite eingekauft und propagieren diesen Frame selber.» Wer das tue, habe schon verloren.
Parteileitung hält an Basisbefragung fest
Der zitierten Kritik ungeachtet will die FDP-Parteileitung ihren Plan durchziehen. Am Donnerstag wird sie den Medien den Fragekatalog zur Klimapolitik präsentieren, mit dem sie ihren Mitgliedern den Puls fühlen will. Aus den Antworten wird sie in der Folge ein Positionspapier erarbeiten, das sie am 22. Juni den Delegierten vorlegen wird.
FDP-Kommunikationschef Martin Stucki ist überzeugt, dass der FDP die Diskussion über ihre eigene Klimapolitik nicht schaden wird. «Wir haben auf die Ankündigung, eine Mitgliederbefragung durchzuführen, sehr viele positive Reaktionen erhalten.» Es bestehe im Freisinn ein grosses Bedürfnis, die Haltung zur Umwelt- und Klimapolitik zu schärfen und stärker in den Vordergrund zu rücken.
Diese Ansicht scheint auch in der FDP-Bundeshausfraktion vorherrschend zu sein, wie Gespräche mit Parlamentariern zeigen. «Es ist richtig, dass wir diese Befragung jetzt durchführen», sagt Nationalrat Hans-Ulrich Bigler. Dabei gehe es auch darum, das Thema zu besetzen, also aufzuzeigen, wie eine griffige Klimapolitik mit liberalem Ansatz – also mit Eigenverantwortung und so wenig staatlichen Interventionen wie nötig – aussehe. «Damit werden wir bei den Wahlen im Herbst punkten können.»
Auch Nationalrat Peter Schilliger spricht von einem «guten Weg». Die Basisbefragung sieht er als einen Schritt dazu, die Debatte um die Klimapolitik «wieder zu versachlichen». Auch in der Klimapolitik brauche es gesellschaftsverträgliche Lösungen, also Gesetze, die ohne Verbote und Bevormundungen auskämen. Gelinge es der FDP, dies aufzuzeigen, könne sie auch mit dem Klimathema punkten.
Bereits gibt es in der FDP Exponenten, die mit Klimapolitik Wahlkampf betreiben, so etwa Damian Müller. Unter dem Titel «Verantwortung wahrnehmen für die Umweltpolitik 2.0» hat der Ständerat letzte Woche einen Blogbeitrag geschrieben, in dem er bedauert, dass Eigenverantwortung leider nicht ausreiche. «Genau deshalb müssen wir bei jedem Einzelnen die Eigenverantwortung einfordern», folgter er. «Dies bedeutet in der Konsequenz nichts anderes, als dass Auflagen, Einschränkungen, Förderinstrumente und steuerliche Anreize durchaus Teil einer liberalen Politik sind. Dann nämlich, wenn es darum geht, zeitnah und effektiv die gesetzten und zum Teil gesetzlich verankerten Ziele zu erreichen.»
Warum nicht schon bei Energiestrategie?
Doch es gibt in der Fraktion auch kritischere Stimmen. Nationalrat Hans-Peter Portmann erinnert daran, dass das CO2-Gesetz noch vor den Wahlen in den Ständerat kommt. «Wir müssen also so oder so Stellung beziehen.» Dass die FDP in einem schwierigen Rank ist, bestreitet Portmann aber nicht. In der Tat stelle sich die Frage, ob die Partei von gewissen Grundsätzen abrücken könne, ohne unter dem Strich Wähler zu verlieren.
Es wäre, so resümiert Portmann rückblickend, sinnvoller gewesen, die Basisbefragung bereits im Rahmen der Energiestrategie 2050 durchzuführen. Damals schon sei der Freisinn gespalten gewesen. «So hätte die FDP ihren energie- und klimapolitischen Kurs allenfalls justieren können und wäre gefestigter in die Debatte um das CO2-Gesetz gestartet.»
Experte taxiert Lage als knifflig
Ähnlich äussert sich der Zürcher FDP-Politiker Alain Schwald: Die Mitgliederbefragung sei inhaltlich durchaus richtig, nicht aber zum jetzigen Zeitpunkt. Damit trage die FDP selber dazu bei, ein Thema oben auf der Agenda zu halten, «mit dem wir keine Wähler gewinnen können».
So weit wie Schwald geht der Berner Politikwissenschafter Marc Bühlmann in seiner Analyse nicht. Er beurteilt die Ausgangslage für die FDP aber als knifflig: «Tut sie nichts, wird man ihr vorhalten, die Klimapolitik und damit ein wichtiges Thema zu ignorieren.» Unternehme sie etwas wie nun mit der Basisbefragung, bestehe das Risiko, dass sie ein Thema bewirtschafte, von dem vor allem jene Parteien mit «grün» in ihrem Namen profitieren würden.
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