Neue Radgrössen und e-Bike-Flut zersplittern den Velomarkt Von Roger Lange, sda Hintergrund
Die Velosaison 2013 wirft schräge Schatten voraus: Bei den Mountainbikes setzen sich neue Radgrössen durch und bei den boomenden Elektrovelos wird der Markt härter.
Wenn nächste Woche die Eurobike, die weltweit wichtigste Messe der Branche beginnt, haben viele Schweizer Veloläden die Modelle für kommendes Jahr bereits bestellt. Seit den 1970er-Jahren hat das Mountainbike die Welt erobert; in der Schweiz waren letztes Jahr über 35 Prozent aller rund 352'000 verkauften Velos Mountainbikes - von denen viele den Asphalt nie verlassen. Als Bike-Radgrösse hat sich 26 Zoll etabliert: stabil und leicht dank kurzen Speichen. Doch jetzt steht mit grösseren Rädern ein Umbruch an. 29-Zoll- Bikes - faktisch mit von Rennvelos bekannten 28-Zoll-Felgen plus fetten Reifen - sollen Hindernisse viel besser überrollen, versprechen die Hersteller. «29er» sind schwerer, weicher und träger. Und entsprechen offenbar einem Bedürfnis vieler. Die Nachfrage nach den grösseren Rädern hat jetzt auch in der Schweiz richtig eingeschlagen. «29er» verdrängen bisherige Bikeräder Der grosse Zürcher Veloladen Elsener zum Beispiel hat nach gutem Absatz im letzten Jahr heuer schon 60 Prozent seiner Bikes in 29» bestellt, für 2013 gar 80 Prozent. Seine Hauptmarke Specialized aus den USA hat eine breite Palette 29er und eine lange Erfahrung, sodass deren Rahmengeometrien laut Christian Elsener optimal funktionieren. Der Velokonzern Scott mit Sitz in Givisiez FR beziffert den 29er- Anteil an den eigenen Verkäufen weltweit auf zwei Drittel. Etwa in den USA, wo der Trend herkam, seien es fast 100 Prozent. Doch an 29ern haben nicht alle Freude, etwa kleinere Fahrerinnen und Fahrer. Als Kompromiss haben einige Firmen die alte französische Radgrösse 650B exhumiert und als «27,5er» an einigen Bikes neu lanciert. Nino Schurter hat auf einem 27,5er-Scott neben dem Mountainbike-Gesamtweltcup für die Schweiz soeben Olympia-Silber gewonnen. Dieses Fernseh-Ereignis verspricht Absatz. Markt-Zersplitterung Der Markt wird so für Hersteller aufwändiger und für die Kundschaft unübersichtlicher. Läden müssen sorgfältig einkaufen - und immer früher: Wenn ab kommenden Mittwoch (29. August) die Eurobike in Friedrichshafen (D) die Branche an den Bodensee lockt, haben viele Shops ihre Velos für 2013 schon an den Schauen der einzelnen Marken bestellt. Das relativiert die Bedeutung der Messe, die indes weiter den besten Zubehörüberblick bietet. Gerade kleine Läden kämen mit dem immer differenzierteren Angebot gut zurecht, sofern sie ihre Kundschaft gut kennen, schätzt die Schweizer Zweirad-Fachstelle (SFZ). Märkte im Umbruch böten Chancen für neue Nischen. Der Schweizer Velomarkt sei sehr heterogen; so kauften etwa «Golden-Agers» teure Velos und sehr viele Frauen e- Bikes. Letztere hat heute fast jeder Veloanbieter im Sortiment. Mit zwei Vollstellen plus Lehrtochter ist Velove in Basel einer dieser kleiner Nischenläden, der bald ein Vierteljahrhundert lang seine Kundschaft findet. Die Inhaberin hat mit City-lastigem Sortiment und Fokus auf Beratung eine treue Kundschaft bis nach Zürich. Da sie keine Mountainbikes führt, lässt die Radgrössen- Debatte sie bisher kalt: 29er-Modelle suche bei ihr niemand - e- Bikes aber sehr wohl. Velove wie Elsener betonen die Bedeutung guter Lieferanten. Das gilt umso mehr für e-Bikes, deren Hauptmängel wie schwache Reichweite und hohes Gewicht nach rascher Weiterentwicklung gieren. Veloläden müssen ja in die nötigen Testvelos und das e-Bike-Lager einiges Kapital stecken, das bei Modellwechseln schlagartig an Wert verliert. Branchenfremde drängen auf e-Bike-Markt Dass für e-Bikes meist weit mehr bezahlt wird als für normale Strassenvelos - erst recht in der Schweiz -, hat zudem branchenfremde Marktteilnehmer angelockt: Derzeit breiten sich etwa Motoren von Bosch und Panasonic aus, 2013 kommen jene von AEG auf den Markt. Und die Migros-Tochter M-Way verkauft zwei- und vierrädrige Elektrofahrzeuge diverser Hersteller. Für die Grenchner BMC - auf deren Rennvelos die Tour de France 2011 gewonnen wurde - ist hingegen das «Swiss Made» und eigene Kompetenz so wichtig, dass sie Thömus aus Oberried dessen selbst entwickelte «Stromer»-e-Bike-Sparte abgekauft hat. Scott indes setzt auf Boschs Knowhow und dessen weltweites Servicenetz - wie übrigens auch BMCs deutsche Tochter Bergamont. BMC und Scott illustrieren das offene Rennen um das technische Konzept: Bosch-Motoren sitzen wie jene von Panasonic, Flyer oder Dolphin zentral im Rahmen, Stromer-Motoren wie die verbreiteten BionX in den Hinterradnaben. Daneben buhlen Fernost-Vorderradnaben- Motoren um die sparsamere Kundschaft. Knackpunkt ist indes immer die elektronische Steuerung, also wie Tretenergie mit Motorenkraft kombiniert wird. Und ständig werden Verbesserungen und neue Konzepte angekündigt. Laut SFZ sind schon 50 Anbieter mit 1000 e-Bike-Modellvarianten auf dem Schweizer Markt. Der e-Boom gehe klar zulasten der Stadtvelos. Die zunehmende Konkurrenz lässt Anzeichen eines Überangebotes erkennen: Laut Elsener sind nach ausverkauften Anfangsjahren schon 2011 erstmals einige e-Bikes unverkauft geblieben, was eine breite Ausverkaufs-Rabattschlacht ausgelöst habe. Angesichts des Material- und Weiterbildungsaufwands sei für Händler also Vorsicht angesagt. Notiz an die Redaktion: Hinweis: Internationale Fahrradmesse Eurobike in Friedrichshafen (D) vom 29. August bis 1. September mit 1200 Ausstellern aus 50 Ländern auf 100'000 Quadratmeter Ausstellungsfläche.
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