Sie wissen, was es für nachhaltiges Wachstum braucht
Die Nobelpreisgewinner Paul Romer und William Nordhaus haben untersucht, wie die Wirtschaftsleistung mit der Verbreitung von Ideen und der Umwelt zusammenhängt.
Nachhaltiges Wachstum, das ist der Oberbegriff, für den der sogenannte Nobelpreis in Ökonomie heute Morgen an die beiden amerikanischen Forscher William Nordhaus und Paul Romer vergeben wurde. Genau genommen handelt es sich nicht um einen Nobelpreis, wie er ursprünglich von Alfred Nobel eingerichtet und gestiftet wurde, sondern um einen seit 1969 von der Schwedischen Reichsbank (der Notenbank des Landes) gestifteten Preis in Erinnerung an Alfred Nobel. Denn Nobel sah in der Ökonomie keine Wissenschaft. Dennoch spricht man auch hier vom Nobelpreis.
Ein streitbarer Purist
Durch seine Funktion als Chefökonom der Weltbank bis Anfang dieses Jahres hat Paul Romer jüngst für mehr Schlagzeilen gesorgt als William Nordhaus. Den Posten hat er nach nur 16 Monaten frühzeitig wieder abgegeben, weil er offenbar mit der Qualität der Forschung des Instituts nicht zufrieden war. Aufgefallen ist er auch mit Kritik an seiner eigenen Zunft, der er eine unangemessene Verwendung der Mathematik vorwarf. Die Art, wie Ökonomen Mathematik einsetzen – so Romer –, sorge zuweilen mehr für Konfusion statt zu einer Klärung, der sie eigentlich dienen sollte.
Das Forschungsgebiet von Paul Romer, das nun zu seiner Auszeichnung geführt hat, ist das sogenannte endogene Wachstum. Die führende Theorie zur Erklärung von wirtschaftlichem Wachstum stammte vor Romer vom Amerikaner Robert Solow, der für seine Arbeiten in den 1950er-Jahren den Nobelpreis im Jahr 1987 erhielt. Im Kern besteht die Leistung von Solow in der Erkenntnis, dass langfristiges Wachstum nur durch eine Zunahme der Produktivität des eingesetzten Kapitals und der Beschäftigten erreicht werden kann – und die Produktivität kann langfristig nur durch technologischen Fortschritt zunehmen.
Die endogene Wachstumstheorie
Romer ging in seiner Forschung in den 1980er-Jahren einen Schritt weiter und wollte wissen, welche ökonomischen Bedingungen überhaupt zu technologischem Fortschritt führen. Man spricht deshalb bei seiner Theorie von einer «endogenen» Wachstumstheorie, weil sie den technologischen Fortschritt selbst ökonomisch erklären wollte, während dieser in den Überlegungen Solows bloss als Notwendigkeit für langfristiges Wachstum postuliert wurde.
Grundlagenforschung, die nicht unmittelbar in wirtschaftlich verwertbare Produkte fliesst, soll der Staat bereitstellen.
Zentral ist für den technologischen Fortschritt laut Paul Romers Forschung die Verbreitung von Ideen und Wissen. Wer eine ökonomisch verwertbare Idee oder Innovation hat, sorgt damit in der Ökonomensprache für «positive externe Effekte». Und diese Effekte sind gewaltig, weil die Verbreitung der Idee kaum etwas kostet. Ein Beispiel: Die Erfindung der Elektrizität hat der Welt sehr viel mehr genützt, als die Erfinder davon in Geld gemessen profitieren konnten.
Romer hat sich mit den ökonomischen Bedingungen befasst, unter denen verwertbare Ideen entstehen und unter denen sie verbreitet werden. Markteingriffe und Regulierungen sind hierzu äusserst hilfreich: So brauchen Unternehmen einerseits eine gewisse Marktmacht, damit sie überhaupt einen Anreiz für Innovationen haben, da sonst sogleich alle anderen gleich viel davon hätten. Gleichzeitig müssen Regulierungen aber auch dafür sorgen, dass die neuen Erkenntnisse sich verbreiten können. Grundlagenforschung, die nicht unmittelbar in wirtschaftlich verwertbare Produkte fliesst, soll der Staat bereitstellen, weil dafür sonst niemand einen Anreiz hat. Sie sind Voraussetzung für alle weiteren Erkenntnisse.
In den Jahrzehnten vor der Finanzkrise hat die von Romer entwickelte endogene Wachstumstheorie die makroökonomische Forschung weitgehend dominiert. Das lag auch daran, dass man Fragen zur Geldpolitik oder zur Konjunkturpolitik bei einem Grossteil der Ökonomenzunft für so gut wie geklärt hielt. Wie sich dann zeigen sollte, war das ein grosser Irrtum.
Die Umwelt hat einen Preis
Der Beitrag von William Nordhaus, dem zweiten frisch erkorenen Nobelpreisträger, dreht sich um die Bedeutung, die Messung und die Steuerung des Klimawandels im Zusammenhang mit dem langfristigen Wirtschaftswachstum. Während sich Romers Forschung um «positive marktexterne Effekte» von Ideen dreht, dreht sich jene von Nordhaus um «negative marktexterne Effekte» der Umweltbelastung.
Damit ist gemeint, dass unregulierte Märkte für die Umwelt und das Klima Schäden verursachen, die in den Märkten durch Preise nicht abgegolten werden. Deshalb wird zu viel geschädigt. Schon der britische Ökonom Arthur Cecile Pigou hat zu Beginn des 20. Jahrhunderts das Konzept von Umweltabgaben entwickelt, um solche negativen Effekte in die Märkte zu reintegrieren. Alle Arten von Verschmutzungs- und Umweltabgaben gehen auf diese Überlegungen zurück. Nordhaus sprach sich denn auch für eine weltweite Steuer auf emittierte Kohlenstoffe aus.
Die Umwelt in die Ökonomie integriert
Doch Nordhaus ging weiter. Wie Romer baut auch er auf den Erkenntnissen der Wachstumstheorie von Robert Solow auf. Seine Aufgabe sah Nordhaus darin, die Entwicklung der Gesamtwirtschaft mit jener der Luftverschmutzung zusammenzubringen und die gegenseitigen Zusammenhänge zu quantifizieren und zu erklären. Mit seinen Arbeiten versucht er, zu zeigen, wie die Kohlenstoffkonzentration in der Luft mit dem Wirtschaftswachstum zusammenhängt, wie dann die globale Temperatur wiederum mit der Kohlenstoffkonzentration zusammenspielt und wie letztlich die wirtschaftliche Aktivität und das Wohlbefinden der Menschen ihrerseits mit dem Temperaturwandel zusammenhängt. Mit diesem integrierten Ansatz lassen sich besser Prognosen und Folgeabschätzungen von Politikmassnahmen erzielen.
Angesprochen auf den praktischen Nutzen der Forschung von Nordhaus, meinte anlässlich der Verkündigung des Nobelpreises sein Mit-Preisträger Paul Romer (nur er war per Telefon verbunden): «Aktuell denken viele, mit der Umwelt umzugehen, ist so schwierig und so teuer, dass nichts getan wird. Die Forschung zeigt, dass wir substanzielle Fortschritte machen können, ohne ein nachhaltiges Wachstum aufzugeben.» Und Romer ergänzte: «Es ist aber Zeit, damit zu beginnen.»
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