Abruptes Ende eines Überfliegers
Anfang Jahr sammelte das Zuger Start-up Envion bei Investoren 100 Millionen Franken. Jetzt wird es zwangsweise liquidiert – wegen eines Organisationsmangels.

Auf den rasanten Aufstieg folgt der tiefe Fall. Erst Anfang Jahr sammelte das Zuger Blockchain-Unternehmen Envion innerhalb von nur einem Monat bei Anlegern aus aller Welt ein Startkapital, das mit Kursgewinnen auf Kryptowährungen vorübergehend auf 100 Millionen Franken anstieg. Envion wollte mit günstigem Strom in Containern Kryptowährungen schürfen und versprach eine sagenhafte Rendite von bis zu 161 Prozent.
Doch daraus wird nichts. Wegen eines Streits zwischen Gründern und Geschäftsleitung blieb das operative Geschäft von Beginn weg blockiert. Nun wird Envion liquidiert. Das hat das Kantonsgericht Zug Ende November beschlossen, weil es Envion nicht schaffte, eine Revisionsstelle einzusetzen. Jetzt ist die Berufungsfrist für diesen Entscheid abgelaufen. Er ist damit rechtskräftig und wird demnächst im Handelsamtsblatt veröffentlicht.
Verlieren Investoren Geld?
Involvierte Kreise sprechen von der ersten Liquidation eines Blockchain-Unternehmens überhaupt. Bernhard Häusler, stellvertretender Leiter des Handelsregister- und Konkursamts Zug, bestätigt, dass ihm noch keine vergleichbaren Fälle bekannt sind und sich neue Fragen stellen.
Nun befürchten Anleger, dass sie Geld verlieren. Der Firmensitz von Envion liegt zwar in Zug, doch die Investoren sind über die ganze Welt verteilt. Darunter hat es Leute aus Schwellenländern, die im Internet auf das Projekt gestossen sind und vergleichsweise kleine Beträge einbezahlt haben. Wie ein Interessenvertreter der Anleger feststellt, erkundigen sich manche höchstens einmal im Quartal nach Neuigkeiten zu Envion. Er befürchtet, dass sie ihr Geld verlieren, wenn sie die Fristen des Zuger Konkursamts verpassen.
In diesem Punkt gibt Bernhard Häusler teilweise Entwarnung. Als Erstes wird nun eine Konkursanzeige veröffentlicht. Danach prüfen Fachleute unter anderem, ob Envion in einem summarischen oder einem ordentlichen Verfahren liquidiert wird. Bei Zweiterem würde eine Gläubigerversammlung einberufen. Das dürfte allerdings schwierig werden, da viele Anleger für die Anreise mehr bezahlen müssten, als sie investiert haben.
Steht das Verfahren fest, veröffentlicht das Konkursamt mit einer dreissigtägigen Ordnungsfrist einen Schuldenruf. Investoren können auch nach Ablauf dieser Frist Forderungen anmelden. Rückwirkende Änderungen sind allerdings nicht mehr möglich. Oder vereinfacht ausgedrückt: Auf bereits verteiltes Geld können sie nicht mehr zugreifen. Wie aus dem Umfeld von Envion zu erfahren ist, sind noch genügend flüssige Mittel vorhanden, um mehr als 90 Prozent der Investorengelder zurückzuerstatten. Viele Investoren haben in Kryptowährungen einbezahlt. Vor dem Kurszerfall haben die Envion-Verantwortlichen das Kapital in Dollar gewechselt. So retteten sie Kapital, das nun an die Anleger zurückfliessen kann.
Verfahren der Finma läuft
Es ist sogar möglich, dass am Ende Geld übrig bleibt. Falls es dazu kommt, geht dieses an die Aktionäre von Envion, wie Häusler erläutert. Die Aktionäre sind aber nicht die Investoren. Wie bei den meisten anderen Blockchain-Unternehmen erhielten die mehr als 30'000 Investoren nur Token. Das ist eine Art virtuelles Wertpapier, das im Fall von Envion zu einer Gewinnbeteiligung berechtigt hätte. Aktionäre gibt es hingegen nur wenige. Und wer die Aktionäre sind, ist derzeit sogar noch umstritten.
Ursprünglich war eine Gruppe von Gründern um den Berliner Unternehmer Michael Luckow im Besitz von 81 Prozent des Start-ups. Im Streit mit den Gründern führte jedoch Verwaltungsratspräsident Matthias Woestmann eine Kapitalerhöhung durch. Danach besass auf einmal dessen Rechtsberater Thomas van Aubel 61 Prozent von Envion. In Deutschland sind jedoch Gerichtsverfahren hängig, die Gründer wollen die Mehrheit auf diesem Weg zurückerlangen. Luckows Sprecher Uwe Wolff betont, dass die Gründer auf jeden Fall alle Gelder an die Token-Besitzer ausschütten würden.
Envion wird aufgrund eines Organisationsmangels liquidiert. Als Aktiengesellschaft hätte sie eine Revisionsstelle einsetzen müssen. Doch sie fand niemanden, der diese Aufgabe übernehmen wollte. Zuletzt lehnte die BDO ab. Der Grund war laut verschiedenen Quellen, dass nur ungenügende Daten zum Initial Coin Offering vorlagen, mit dem Envion bei Investoren Kapital sammelte.
Im Juli leitete die Finanzmarktaufsicht (Finma) ein Enforcement-Verfahren gegen Envion ein. Sie prüft, ob das Initial Coin Offering rechtmässig war. Dieses Verfahren läuft trotz der Liquidation weiter.
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