Impfstress mit Nummer 3034
Wenn Wildkatzen zum Tierarzt müssen, ist schon das Einfangen ein Meisterstück. Deshalb ist Prävention in naturnahen Zoos wie dem Wildnispark Zürich so wichtig.
Sie stammt aus dem Bayerischen Wald, er hat Berner Wurzeln, begegnet sind sie sich im Wildnispark Zürich. Das Resultat der Verpaarung ist drei Monate alt und macht seiner Spezies alle Ehre: Wie wild faucht und knurrt das Katerchen. Sein Schwanz peitscht hin und her, während es versucht, die Tierpflegerin zu beissen, die ihn festhält.
«Gebt ihm einen Pullover, in den er reinbeissen kann», rät Jean-Michel Hatt. Hatt leitet am Zürcher Tierspital die Klinik für Zoo-, Heim- und Wildtiere und betreut auch den Wildnispark Zürich. «Wildkatzen sind unglaublich schnell. Es ist kaum möglich, sie zu fangen», sagt er.
Den Tierpflegern ist das Kunststück heute Morgen – fast – geglückt. «Drei haben wir, die vierte ist entkommen», rapportiert Andreas Wigger, der stellvertretende Leiter Betrieb Tiere, als der Tierarzt eintrifft. Über dem linken Auge hat Wigger eine blutende Schramme. Vor etwa drei Jahren starben im Park Wildkatzen. Sie hatten sich vermutlich bei Hauskatzen angesteckt, die bis ans Gehege kommen. Deshalb werden die Jungtiere nun vorsorglich geimpft. Das fauchende Katerchen hat das bereits hinter sich. Rasch chippt Hatt es noch, dann lässt die Pflegerin das Tier los. Wie der Blitz saust es ab.
Weiter hinten raschelt es im Gebüsch des 452 Quadratmeter grossen Geheges. Es ist Tierpfleger Daniel Jordi auf der Suche nach dem vierten Jungtier. Jordi schaut unter jedes Gestrüpp und, mithilfe einer Leiter, auf alle Bäume. Keine Spur. Aus einem Baum heraus beobachtet der Katzenvater das Treiben.
In Tierparks mit naturnahen Anlagen kann es schwierig sein, an Tiere heranzukommen. «Der Wildnispark hält grosse Herden, etwa bei den Rothirschen. Dort wird eher eine Herdenmedizin durchgeführt», sagt Hatt. «Das heisst, ein krankes Tier wird nicht um jeden Preis behandelt, sondern eingeschläfert und seziert. Aufgrund des Resultats kann der Rest der Herde behandelt werden.» Am liebsten aber ist dem Zootierarzt, wenn alle gesund bleiben. Impfen und Entwurmen stehen an erster Stelle des Herdenmanagements.
Die Elchkuh überlisten
Nun sitzen noch zwei junge Wildkatzen in den eigens gebauten Käfigen mit mobiler Mittelwand. Andreas Wigger verschiebt diese so, dass das Kätzchen zwischen Wand und Drahtgitter fixiert ist – eine missliche Lage für das Tier, aber eine praktische für den Veterinär, der es durchs Gitter hindurch impft. Das geht ruckzuck.
Vorsorge ist jedoch nicht immer so einfach. «Feldhasen etwa müssten oft entwurmt werden. Aber sie sind dabei so gestresst, dass sie sich ein Bein brechen können. Bei dieser Tierart sind wir noch nicht dort, wo wir gern wären.»
Jean-Michel Hatts nächste Station sind die Elche, eine der wenigen Tierarten, die in Zoos weniger lang leben als in freier Wildbahn. Am 10. Juli brachte die aus Schweden importierte, sechsjährige Elchkuh ihr drittes Kalb zur Welt. Sie knabbert gerade Weidenblätter. «Besteht die Gefahr, dass das Muttertier sein Junges verstösst, wenn wir es anfassen und es nach uns riecht? Müssen wir Handschuhe anziehen?», fragt Hatt. Die Tierpflegerin verneint.
Es sei europaweit einmalig, dass eine Universitätstierklinik die Tierparks betreue wie in Zürich, sagt Hatt. Davon würden beide Seiten profitieren. «Als sich zum Beispiel ein Elch das Bein brach, halfen unsere Rinderspezialisten.» Umgekehrt erforschte der Tierarzt an den Elchen, welches Futter ihnen am besten bekommt.
Mit Trockenfutter lockt die Pflegerin die Elchkuh in den Stall und schliesst die Tür, damit Hatt das Kalb gegen Durchfallerkrankungen impfen kann. Er muss schnell sein. «Elche sind sehr wehrhaft, wenns ums Junge geht.» Aus dem Stall ertönt bereits ein dumpfes «Uh-uh-uh» der Mutter, die herauswill. Nach wenigen Minuten ist der Tierarzt aus dem Gehege und die Mutter wieder drin, leckt kurz ihr Kalb ab – und futtert weiter.
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