«Das früheste Signal unseres Universums»
Die Wissenschaft ist begeistert von den Urknall-Signalen, die US-Forscher entdeckt haben wollen. ETH-Astrophysiker Kevin Schawinski erklärt, was diese Entdeckung für die Welt bedeutet.
Herr Schawinski, was geschah beim Urknall?
Was genau beim Urknall passierte, wissen wir noch nicht. Die aktuell für Begeisterung sorgende Entdeckung bezieht sich vor allem auf eine Theorie zur Phase direkt nach dem Urknall, die Inflationsphase: Demnach expandierte das Universum für sehr kurze Zeit plötzlich sehr viel schneller als mit Lichtgeschwindigkeit.
Schneller als Lichtgeschwindigkeit – geht das?
Lichtgeschwindigkeit ist das Maximum für Objekte mit Masse, nicht aber für den Raum selber. 380'000 Jahre nach dem Urknall war das Universum extrem heiss und dicht. Mit zunehmender Ausdehnung kühlte es sich ab. Das Urgas wurde allmählich für Licht transparent, es entstand die noch heute sichtbare kosmische Hintergrundstrahlung. Darin erkennt man anhand Temperatur und Dichte, dass heute unterscheidbare Regionen des Universums einmal eins waren. Die heutige Entfernung zueinander ist aber durch Ausdehnung mit Lichtgeschwindigkeit allein nicht zu erklären. Das verleitete zur Theorie der Inflation, wonach eine frühe Phase von enorm viel schnellerer Ausdehnung stattgefunden haben musste. Nur fehlten bisher die Beweise dafür.
Und seit gestern?
Die Observation der Bicep-Arbeitsgruppe liefert den ersten konkreten Hinweis darauf, dass so etwas wie Inflation tatsächlich stattfand. Die Entdeckung ist quasi ein Echo der Inflationsphase und wohl das früheste Signal unseres Universums überhaupt, es sei denn, die Lehre der Physik wird sich in Zukunft noch grundlegend ändern. Wovon ich aber nicht ausgehe.
Was genau wurde beobachtet?
Durch die Inflationsphase wurden mutmasslich Gravitationswellen durchs Universum gesandt, die den Raum stauchen und strecken. Diese Wellen lassen sich von der Relativitätstheorie ableiten, sind aber extrem schwierig zu beobachten. In der kosmischen Hintergrundstrahlung müssten sie durch Polarisation aber ein charakteristisches Muster hinterlassen haben, das sogenannte B-Moden-Muster – was nun gefunden wurde. Damit wurden Gravitationswellen erst zum zweiten Mal beobachtet, nachdem man in den 1970er-Jahren im Hulse-Taylor-Pulsar eher zufällig darauf stiess. Entscheidend ist aber, dass damit die Inflationsphase bestätigt wird.
Was bedeutet das für die zukünftige kosmologische Forschung?
Jetzt weiss man, wie stark das Signal ist, was ganz entscheidende Hinweise zur Physik der Inflationsphase liefert. Die Entdeckung wird auf jeden Fall die Theoretiker beflügeln, und neue, noch bessere Beobachtungen sollten nun bald folgen.
Erstellt: 18.03.2014, 20:05 Uhr

Kevin Schawinski, der Sohn von Roger Schawinski, ist Professor für Astrophysik an der ETH.
US-Forscher melden, dass sie Echo-Spuren des Urknalles entdeckt und aufgezeichnet haben. (Video: Reuters)
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