Wo Chinas Politiker diszipliniert werden
Bestechung, Machtmissbrauch und «ungebührliche sexuelle Beziehungen»: Die chinesische Kommission für Disziplin jagt korrupte Beamte. Nun wurden Details zu ihren Methoden und ihren Gefängnissen bekannt.

Als Wang Jinping ihren Mann Guan Shaofeng in einem Spital abholen durfte, hatte dieser ein gebrochenes Steissbein, ein blaues Auge und ein taubes Ohr. Der Biologe und Zollinspektor im chinesischen Dandong war zuvor sieben Tage lang von der Kommission für Disziplin der Kommunistischen Partei verhört worden. Vier Nächte lang hatten die Inspektoren ihn nicht schlafen lassen, wie seine Frau dem «Telegraph» erzählte.
Guan ist eines von rund 2300 Parteimitgliedern, die seit Anfang Jahr schon «diszipliniert» wurden. Angeblich hatte er Bestechungsgelder angenommen. In den kommenden Wochen wird ihm der Prozess gemacht.
Inspektoren stehen über dem Gesetz
Sein Schicksal bietet einen kleinen Einblick in die Anti-Korruptions-Kampagne, die Chinas Präsident Xi Jinping Ende 2012 lanciert hat. Seither ziehen die Inspektoren der Kommission für Disziplin durchs Land, um Mitglieder der Kommunistischen Partei Chinas ausfindig zu machen, die angeblich korrupt sind oder die sich sonst wie sündig verhalten haben. Prominentestes Opfer ist der ehemalige Politstar Bo Xilai, dem Korruption, Machtmissbrauch und «ungebührliche sexuelle Beziehungen» zur Last gelegt werden.
Die Anti-Korruptions-Inspektoren stehen über dem chinesischen Gesetz. Für ihre Verhöre operieren sie in unterschiedlichen geheimen Gefängnissen. «Die meisten dieser Verhörräume befinden sich in kleinen Hotels der Regierung», sagt der ehemalige Staatsanwalt Shen Liangqing gegenüber dem «Telegraph». Shen hat das geheime Programm der Kommission für Disziplin in einem Buch aufgedeckt.
In den vergangenen vier Monaten starben drei Parteimitglieder während ihrer Haft. Während ähnlichen Programmen in den letzten zehn Jahren begingen zahlreiche Häftlinge Selbstmord. Die Sicherheit in ihren Gefängnissen ist der Kommmission deshalb sehr wichtig, so Shen. «Die Fenster sind vergittert, sämtliche elektrischen Kabel sind eingemauert, die Badezimmer haben keine Schlösser. Es gibt nichts, an dem sich ein Häftling erhängen könnte.»
Über den dunklen Pfad nachdenken
Ein anderes Gefängnis in Shanghai wurde extra für die Kommission gebaut und ist top modern, so Lin Zhe, Professorin an der Zentralen Parteischule. Sie konnte das Gefängnis besichtigen und beschrieb es dem «Telegraph». Demnach wurde die Anstalt oberhalb einer Polizeistation eingerichtet. Die Verhörräume sind 60 Quadratmeter gross und schalldicht ausgekleidet. Im Raum steht lediglich ein Sofa und ein Tisch, auf dem die inhaftierten Parteimitglieder ihre Geständnisse schreiben können.
«Die Räume sind in eine dunkle und eine helle Seite eingeteilt. Auf jeder Seite hat es Bildschirme an der Wand.» Auf der hellen Seite zeige man den Parteimitgliedern Fotos ihrer Familien, Highlights ihrer Karriere. Auf der dunklen Seite zeigten die Inspektoren Überwachungsbilder, die den Moment einer Tat oder des schlechten Benehmens zeigten. «Die Parteimitglieder sollen darüber nachdenken, weshalb sie den dunklen Weg gewählt haben», erklärt Lin Zhe. «Man sieht sie dann dasitzen, mit einem Stift in der Hand vor sich hin starren.»
System der Rache
Lin Zhe ist eine Anhängerin des Systems. Dass die Kommission für Disziplin über dem Gesetzt steht, macht für sie Sinn: «Es handelt sich um Parteimitglieder, also sollen sie auch von der Partei bestraft werden.»
Das System hat aber auch Kritiker. Ex- Staatsanwalt Shen etwa bezeichnet es als Werkzeug für politische Rache: «Parteimitglieder mit mehr Macht können nun einfach solche mit weniger Macht bestrafen.»
Auch Nicholas Bequelin von Human Rights Watch steht der Arbeit der Kommission kritisch gegenüber. Es sei höchst problematisch, dass sich die Partei über das chinesische Gesetzt stelle. Problematisch sei auch, dass man dem Volk erzähle, die inhaftierten Parteimitglieder hätten sich selber angezeigt. «Tatsache ist aber, dass dies nicht stimmt. Die Verfolgung von Parteimitgliedern ist äusserst willkürlich, die Festnahmen geschehen stets unter Zwang.»
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch