Wo die Rollergirlz gegen die Hell's Ass Derby Girls antreten
Schminke und Zweikämpfe – Rollerderby kennt man vor allem aus Filmen. Auch in Zürich wird mit harten Bandagen gekämpft.
Sie trägt schwarze Hotpants mit Pailletten, nennt sich «Sin Sister» und hat die passende Rückennummer 8. «Die achte Todsünde», erklärt die junge Frau das Wortspiel. All das nahm seinen Anfang im Sommer 2011, als sie den Rollerderby-Film «Whip It» sah. Zuvor war sie aktiv gewesen bei Jungwacht und Blauring – und ohne jede Rollschuherfahrung. Sechs Jahre später bestimmt Rollerderby ihr Leben.
Viele, die an diesem regnerischen Samstagnachmittag in der Fronwaldhalle in Affoltern sind, haben eine ähnliche Vorgeschichte. «80 Prozent standen noch nie auf Rollschuhen, als sie zu uns kamen», schätzt «Who». Wie alle trägt der Coach ebenfalls einen Derbynamen, in voller Länge «Who U Gonna Call». Auch das eine Anspielung aufs Kino, auf den Soundtrack zu «Ghostbusters».
Mit Hollywood hat die Halle Fronwald indes wenig gemein. In der Mitte ist mit rot-weissem Klebeband der Track markiert, auf dem sich die zwei Teams duellieren. Weiter aussen stehen zur Sicherheit Unihockeybanden, gegenüber der Sprossenwand und auf der einen Stirnseite Rolltribünen fürs Publikum. Der Spielstand wird auf die nackte Betonwand projiziert, zwei Frauen kommentieren das Geschehen am Mikrofon, eine trägt ein T-Shirt mit Totenkopf.
Frauenpo und Schriftsteller
Rollerderby ist Sport: Auf den Laien wirkt es wie eine Mischung von Ringkampf auf Rollschuhen und Verfolgungsrennen, bei dem fünf Spielerinnen pro Team im Oval um Punkte kämpfen. Die gibt es, wenn die Spielerin mit dem Stern auf dem Helm (die «Jammerin») eine Gegnerin überholt – pro Überholen ein Punkt. Die vier Blockerinnen wiederum versuchen, solche Überholmanöver zu verhindern und der eigenen Jammerin den Weg frei zu bahnen. Bodychecks und Abdrängen sind erlaubt, immer wieder geht eine krachend zu Boden. Schwere Verletzungen sind überraschend selten, blaue Flecken aber unvermeidlich.
Was Rollerderby bei aller Action nicht bietet: Übersichtlichkeit. Weil die Rollergirlz das wissen, flaniert während des Wettkampfs ein Mitglied des B-Teams mit einem Pappschild vor den Tribünen. «Frag mich zum Derby» steht auf Englisch darauf geschrieben. «Jean-Cloda van Damme», eine Psychologin aus dem Wallis, gibt den wenigen Uneingeweihten unter den 200 Zuschauern gern Auskunft.
Das Gastteam kommt heute aus Strassburg, «Hell's Ass Derby Girls» nennt es sich mit Blick auf seine Elsässer Herkunft. Zwei der sieben Referees hat es ebenfalls mitgebracht: «Heta Seurre» mit anzüglichem Aufkleber auf dem Helm sowie einen Schlaks mit imposantem Kinnbart und dem literarisch getränkten Namen «Marcel Prost». Vom Frauenpo bis zum Schriftsteller: Im Derby hat vieles Platz.
Für die meisten dürfte eben das der Reiz sein. Die Spielerinnen stammen aus allen möglichen Ländern und Schichten. Sie geben sich Namen wie «Riot Rocket», «Anabanana», «Bloody Cherry» «Russian Roulette Babette», «Michi Impossible», oder «Möpfel». Manche schminken sich zum Wettkampf, viele tragen Tätowierungen. Und fast alle tun bedeutend mehr als dreimal pro Woche trainieren: Sie organisieren Spiele, entwerfen Merchandise, kümmern sich um Finanzen und Medien, backen an Matchtagen Kuchen. Der Sport verbindet und schafft Gemeinschaft.
Die Girlz sollen verschwinden
Denn bei den Rollergirlz ist wirklich alles selbst gemacht. Eintritte, Merchandising und Tombola sind die Haupteinnahmequelle; die Heimspiele müssen sie an der Verfügbarkeit der Fronwaldhalle ausrichten; die drei, vier Auslandsreisen pro Jahr bezahlen sie selbst. Und nachdem die «Hell's Ass Derby Girls» 211:104 besiegt sind, die Ehrenrunde absolviert, hilft das beste Schweizer Team mit dem Abbau von Banden und Tribünen, bis die Halle drei Stunden nach Anpfiff wieder leer und verlassen ist.
Später gibt es in der Acapulco-Bar noch eine Afterparty, dann trennen sich die Wege. «Sin» geht nach London, wo sie beim besten Team Europas in der Probezeit ist. Und ihr Stammverein erfindet sich neu. Ein Rebranding steht an: Es soll wegführen vom Hollywood-Klischee, hin zum Sport. Das «Girlz» soll einem geschlechtsneutralen Namen weichen, das Mädchen aus dem Logo verschwinden.
Wer das bedauert, hat den Geist der Rollergirlz nicht verstanden: Der Wunsch ist aus dem Team gekommen.
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