Nachhaltige Gourmetküche im ElmiraWo Lauch und Fendant zu Hauptdarstellern werden
Auf dem Löwenbräu-Areal denkt ein kleines Team Fine Dining neu. Es will beweisen, dass dies auch ohne Luxusprodukte geht.

Beim fünften Gang macht plötzlich alles Sinn im Elmira. Zürichs jüngste Gourmetdestination inszeniert auf ihrer Website den Lauch sehr prominent. Es ist nicht das erste Produkt, das man mit Spitzenküche in Verbindung bringen würde. Doch dieser erste Bissen zeigt: Ja, auch Lauch, der für gewöhnlich in Suppen oder Eintöpfen mitwirkt, hat das Zeug zum Star.
Dafür ist aber schon ein wenig Arbeit notwendig: Im Elmira wird das Zwiebelgewächs so lange im Ofen gegart, bis es äusserlich komplett verkohlt ist. Die inneren Schichten jedoch vereinigen sich durch diesen Garvorgang zu einer zarten Einheit, welche in ihrer Konsistenz an einen perfekt gegarten, weichen Spargel erinnert.
Luxusprodukte sind tabu
Dieser zweitletzte Hauptgang des Abends steht für den ungewohnten Ansatz, den die Elmira-Crew, hervorgegangen aus dem nachhaltigen Catering Zum guten Heinrich, gewählt hat: Sie will eine maximal nachhaltige Gourmetküche präsentieren. Dafür steht Küchenchef Vilson Krasnic, der mit seinen zwei Kochkollegen durch den Abend führt. Die Gäste sehen zu, wie die Köche in der offenen Küche die Teller anrichten, ehe sie ihre Kreationen auch servieren und beschreiben.
Sie tun dies in den Räumen des ehemaligen Restaurants Mémoire auf dem Löwenbräu-Areal. Dank Backsteinelementen und -kacheln sowie einer Lichtskulptur wurde dem Lokal ein einfach-moderner Stil verpasst. Einfach-modern passt auch zu Krasnics Küche: Luxusprodukte gibt es nicht, Fisch und Fleisch stehen nur selten im Zentrum. Jeder Gang wird auch vegan angeboten. Mehrfach übertrifft jene Kombination die klassische.
Die vegetarischen Kreationen bleiben in Erinnerung
Von den sieben Gängen (total elf Teller) bleiben vor allem vegetarische Kreationen in Erinnerung. Neben dem Lauch etwa ein japanisch inspiriertes Schüsselchen mit einem Eierstich, der mit einer Algen-Dashi-Brühe kombiniert wird und auf dem eine Nocke Tonburi liegt. Die Früchte eines japanischen Krauts haben eine ähnliche Konsistenz wie die berühmten Fischeier und werden deshalb «Kaviar des Feldes» genannt. Oder das Birnendessert, bei dem ein Schokoladensorbet von prägnantem Sanddorn unterstützt wird.

Ob er klassisch oder vegan speisen will, entscheidet der Gast vorab – der Abend im Elmira kostet für alle gleich viel: 290 Franken. Der Preis ist bewusst so gewählt, wie Lukas Bühler sagt, einer der Mitgründer: «Wir wollen Pioniere sein für Nachhaltigkeit über den Gaumen.» Er gibt aber zu, dass es für diese hochpreisige Positionierung Mut gebraucht habe. Wohl hat Krasnic eine Vergangenheit in Spitzenlokalen, er hat sich dabei aber noch nicht einen Namen erarbeitet, der automatisch für ein Stammpublikum sorgt.
Die 290 Franken sind, auch das ist ein Bruch mit der Restauranttradition, bereits bei der Reservation fällig. Online wählt der Gast aus den 26 Sitzplätzen seinen aus. Im Preis ist der ganze Abend inbegriffen, von dem auf Waldboden servierten Amuse-Bouche bis zum Schnaps vor dem Abschied.
Rote Zwiebel zum Trinken
Am meisten Interaktion gibt es mit dem Sommelier Nicolas Bernet, weil dieser zu jedem Gang je eine Variante mit und ohne Alkohol präsentiert. Letztere ist meist mutig und von ihm kreiert, etwa ein Kombucha mit roten Zwiebeln, und überrascht durchwegs positiv. Aber auch bei den Weinen gibt es Entdeckungen. Etwa ein 14 Jahre alter Fendant, von dem man definitiv nicht so viel Charakter erwartet hätte.
Der Westschweizer Wein beweist wie ihr Starlauch: Richtig inszeniert, taugen noch viele unscheinbare Produkte für eine Hauptrolle. Das Elmira macht sich daran, diese zu entdecken.
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