Wo sind all die Tiger hin?
Verwirrung um den Bestand der Tiger-Flotte: Innert sechs Monaten ist die Zahl von flugbereiten F-5 von 54 auf 20 geschrumpft. Die Geschichte eines helvetischen Zahlensalats.

Seit letzten Herbst ändern sich die Zahlen zum aktuellen und künftigen Bestand der Tiger-Flotte regelmässig. Der Bundesrat beantragte «die Ausserdienststellung von Rüstungsmaterial», namentlich der gesamten Tiger-Flotte. Doch das Parlament trat in der Herbstsession nicht auf die Vorlage ein und bekräftigte damit, dass die 54 Flieger in der Luft bleiben sollten. VBS-Chef Ueli Maurer erklärte einen Tag später, man könne «den Tiger F-5 noch einige Jahre für gewisse reduzierte Aufgaben weiter in Einsatz behalten». Die Luftwaffe bestätigte, dass die «derzeit noch 54 Tiger F-5 weiter im Betrieb und ordentlich unterhalten werden».
Trotzdem hat sich die Flotte markant verkleinert. Im Oktober berichtete die «Zentralschweiz am Sonntag», dass das Verteidigungsdepartement bereits Verhandlungen führe, um einen Teil der Flotte 2016 zu verkaufen. Anfang Januar 2015 wurde bekannt, dass bei zwei Tiger Risse entdeckt wurden. In der Medienmitteilung der Luftwaffe findet sich in einer Klammer auch die Nebenbemerkung, dass bereits 18 Flugzeuge gegroundet wurden, diese befänden sich «im Inventar der Luftwaffe, werden aber nicht mehr geflogen». Der Entscheid, diese Flugzeuge nicht mehr weiter in Betrieb zu halten, wurde nicht explitzit kommuniziert.
Hohe Anzahl Flugstunden
54 Tiger minus 18 gegroundete Tiger macht 36 Tiger. So viele hätten also bis auf weiteres flugtauglich bleiben müssen. Eine andere Zahl gab Luftwaffenchef Aldo C. Schellenberg im Januar der «Zentralschweiz am Sonntag» zu Protokoll: «Wir werden bis auf weiteres 26 Tiger betreiben.» Auch dieser Entscheid, zehn weitere Tiger vom Himmel zu holen, hat die Luftwaffe nicht aktiv kommuniziert.
Dies holte die Luftwaffe letzte Woche, drei Monate nach dem Interview, nach. Und stiftete erneut Verwirrung. In einer Medienmitteilung heisst es jetzt, die Flotte werde auf 26 Jets verkleinert. Die Entscheidung sei aber «vor dem Hintergrund» getroffen worden, dass jüngst bei 16 weiteren Tiger Risse enteckt worden seien. Tatsächlich flugbereit sind derzeit noch 20 Tiger. Sechs Flugzeuge werden nun bei der Ruag in Emmen repariert. Zirka Ende März 2016 wird der letzte Jet aus der Reparatur wieder zur Luftwaffe zurückkehren.
Die erste Reduktion des Flottenbestands von 54 auf 36 erklärt der Sprecher der Luftwaffe, Jürg Nussbaum, damit, dass die 18 F-5 aufgrund ihrer hohen Flugstundenzahl vor grösseren, teuren Unterhaltsarbeiten gestanden hätten. Nussbaum legt Wert auf die Feststellung, dass nach wie vor - entgegen gewisser Medienberichten - noch 54 F-5 vorhanden seien und nach entsprechenden Reparatur- und Unterhaltsarbeiten auch wieder eingesetzt werden könnten.
Weil es recht schwierig ist, hier noch die Übersicht zu behalten, eine Bilanz:
- 22. September 2014, 54 Tiger: Das Parlament verhindert die Ausserdienstsetzung der Tigerflotte.
- 23. September 2014: VBS-Chef Ueli Maurer sagt in der Herbstsession, man könne «den F-5 noch einige Jahre für gewisse reduzierte Aufgaben weiter in Einsatz behalten».
- 26. Oktober 2014: Die «Zentralschweiz am Sonntag» berichtet über ein Mail der Zentralstelle historisches Armeematerial, wonach eine erste Tranche von 18 Tiger 2016 verkauft werden soll.
- 28. Oktober 2014, 54 Tiger, die Luftwaffe teilt mit: «Die derzeit noch 54 Tiger werden bis zu einem endgültigen Entscheid des Parlaments weiter im Betrieb und ordentlich unterhalten bleiben.»
- 12. Januar 2015, 36 Tiger, 2 weisen Risse auf. Die Luftwaffe teilt mit: «18 F-5 befinden sich im Inventar der Luftwaffe, werden aber nicht mehr geflogen.»
- 25. Januar 2015, 26 Tiger, Luftwaffenchef Aldo C. Schellenbergt sagt: «Wir werden bis auf weiteres 26 Tiger betreiben.»
- 14. April 2015, 20 Tiger flugbereit, die Luftwaffe teilt mit: «Bei 16 Jets wurden Risse festgestellt, davon sollen sechs repariert und weiter betrieben werden. Die Luftwaffe entschied vor diesem Hintergrund, (...) künftig noch 26 F-5 Tiger zu betreiben.»
«Luftwaffe schafft vollendete Tatsachen»
Ob es den Tiger noch braucht oder nicht, ist umstritten. Luftwaffe-Sprecher Nussbaum sagt, der Bedarf an F-5 Flugstunden sei kleiner geworden. Dies, weil im Zusammenhang mit der Armeereform XXI mehrere Tiger-Staffeln aufgelöst und Militärflugplätze geschlossen worden seien. Die Luftwaffe habe deshalb vor dem Bekanntwerden der Risse ins Auge gefasst, die operationelle Flotte der Tiger Kampfflugzeuge auf 26 Flugzeuge zu reduzieren – aus Kosten/Nutzen-Überlegungen. Die Entdeckung der Risse habe das nun beschleunigt.
Gegen die rasche Ausserdienststellung ist FDP-Nationalrätin und Vizepräsidentin der Sicherheitspolitischen Kommission Corina Eichenberger. Zwar habe das VBS schon im Gripen-Abstimmungskampf betont, dass der Tiger nicht mehr fliegen könne, sagt Eichenberger. «Allerdings haben wir seit dem Nein zum Gripen eine Lücke im Flottenbestand, und das VBS hat kein Konzept, wie es diese füllen kann. Deshalb möchte das Parlament eigentlich, dass jene Tiger, die noch sicher sind, noch nicht ausgemustert werden.» Eichenberger spricht von einem «kalten Weg», wie die Luftwaffe die Flotte reduziere und damit vollendete Tatsachen schaffe.
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