Wo waren Sie während der Mondlandung?
Vor 50 Jahren landeten erstmals Menschen auf dem Mond. Schweizer Kulturschaffende erinnern sich.

Katja Früh
«Die Mondlandung durfte ich am Fernsehen mit meinen Eltern verfolgen. Mein Vater hat immer gross angegeben, so hat er z.B. den Nordpol entdeckt und Amerika. Die Geschichten seiner Heldentaten nannte er Ich-Geschichten, und wir Kinder konnten nicht genug davon bekommen, natürlich im Wissen, dass alles erstunken und erlogen ist.
Ein kleiner Zweifel blieb jedoch haften, wäre es nicht doch möglich, dass...? Bei der Mondlandung durften wir also unseren Vater als Astronauten betrachten, wir waren sehr aufgeregt, vor allem, weil er behauptete, wir würden dort, wenn wir gross seien, wahrscheinlich unsere Ferien verbringen können.»
Walter Pfeiffer
«Während sich draussen alles vor den Fernsehgeschäften drängte, die für die Mondlandung extra Lautsprecher aufgestellt hatten, sass ich allein in meinem engen Mansardenzimmer an der Obstgartenstrasse. Klappriges Bett, Fensterluke, Kaltwasser im Gang – und auf meinem ersten kleinen TV silbern-wackelig die Mondlandung. Ein Moment moderner Spitzberg-Romantik.»
Manon
«Ich sass mit meinem ersten Ehemann auf einer Parkbank beim Bellevue am See. wir waren bereits getrennt, aber innige Freunde geblieben. Wir hielten uns an den Händen und schauten wie alle Anwesenden in die Höhe ... Vor einigen Wochen ist dieser Mann gestorben.»
Viktor Giacobbo
«Einige Tage vor der Mondlandung 1969 war ich mit zwei Freunden während unserer Tramperferien in einem Lokalzug an der ligurischen Küste entlang unterwegs. Weil das Gedränge wegen vieler heimkehrender Badegäste unerträglich wurde, sind wir in Manarola (Cinque Terre) aus dem überfüllten Zug ausgestiegen – und zwei Wochen dort geblieben.
Übernachtet haben wir unter freiem Himmel in der steinigen Bucht unterhalb des Dorfes, zur Körperpflege diente das Bahnhofs-WC. Diese kleine Welt haben wir am 21. Juli kurz verlassen, sind ins Dorf hinauf und haben dort in der Bar Aristide die grosse Welt der Mondlandung schwarz-weiss mit italienischem Kommentar auf RAI angeschaut. Zwecks historischer Genauigkeit: Ich habe dazu einen Sciroppo di Cedro (echt wahr) getrunken.»
Fredi M. Murer
«Am Tag der Mondlandung pilgerte ich mit ein paar andern Jungfilmern nach Aathal, weil die Eltern unseres Experimentalfilmer-Kollegen Hans Jakob Siber (der später das Sauriermuseum gründete) den grösstmöglichen Fernsehbildschirm besassen. Da damals die Videokamera noch nicht erfunden war, zeichnete wir die Live-Übertragung integral auf Tonband auf.
In meinem Dokfilm «Passagen» (1972) über den späteren «Alien»-Erfinder HR Giger habe ich seine Science-Fiction-Zeichnungen mit den Originalstimmen von Armstrong und Aldrin unterlegt. Und im Film GRAUZONE (1979) verwendete ich Neil Armstrongs legendären Satz «That's one small step for man… » als ironisierende Metapher im Zusammenhang mit der helvetischen Fichenaffäre.»
Irena Brezna
«An jenem Apriltag 1961, an dem Juri Gagarin als erster Mensch ins Weltall geschossen wurde, bekam ich in Bratislava meine abstehenden Ohren angenäht. Im Wettbewerb der politischen Systeme waren beide Ereignisse Zeichen für den sozialistischen Fortschritt, und es ging rasant voran.
Zwei Jahre später flog die erste Frau im Raumschiff um die Erde - Walentina Tereschkowa, deren ungeschminktes Gesicht für das heroische sowjetische Leben zwischen Kolchose und Weltraumeroberung stand. Später staunte ich in Basel über das Hüpfen der Astronauten auf dem Mond neben der gehissten amerikanischen Fahne. Da war ich nach der Überwindung des Eisernen Vorhangs auf der anderen Seite gelandet.
Für das Flüchtlingsmädchen mit breitem Mondgesicht war die Mondlandung in der Schweiz über Jahre ein schwereloser Zustand. Bei der Rückkehr auf die Erde lächelten Neil Armstrong und Buzz Aldrin genauso breit wie Juri und Walentina nach ihren Pioniertaten. Die Welt war gespalten, doch die Astronauten brachten die frohe Botschaft, dass sie eins ist.»
Irena Brežná stammt aus der Slowakei und lebt als deutschsprachige Autorin in Basel. Ihr letztes Buch "Wie ich auf die Welt kam", Rotpunktverlag, Zürich 2018, ist eine Zeitreise von 1968 bis heute.
Clemens Klopfenstein
«So lange war ich noch nie mit meinem neuen Solex durch die laue Nacht gefahren. Ich lebte damals im Kleinbasel und hatte mir von Bekannten den Schlüssel ihrer Villa (mit TV-Set!) im Baselland geben lassen. Also summte ich surrend nach Mitternacht durchs leere Basel weit ins Baselbiet hinein. Die Villa war nicht einfach zu finden, und heute würde ich wohl in ein Einbrecher-Schema passen. Das Gerät stellte sich dann als klein heraus und strahlte nur hell- und dunkelgrau in den grossen Living.
Ein Jahr zuvor war ich bei Kurt Früh im Filmkurs gewesen und hatte dort bei einem tschechischen Kameramann das dramatische Licht den schwarz-weissen Kontrast gelernt, den hellgrauen Nebel der dagegen damals das Schweizer Fernsehen ausstrahlte, nannten wir nur die «Heidi-Abel-Vision». Ich war an grosse Leinwände gewöhnt, Fernsehen war bääh, die Erklärungen von Bruno Stanek waren zwar okay, aber die Bilder vom Mond, ich hätte auch in eine Waschmaschine starren können.
Doch, immerhin, ich war dabei gewesen und ein grosses BAR-Mobil in der Nähe hielt mich wach. So stieg ich denn glücklich wieder auf meinen nigelnagelneuen Solex und surrte im ersten Vogelgezwitscher durchs hügelige Baselbiet ins Kleinbasel zurück, sehr froh, dass mich die Schwerkraft auf der Erdoberfläche hielt. Etwas später habe ich dann auf dem Solex und mit der Bolex (aber ohne Rolex) im nächtlichen Rom den Mond professionell zu fassen gesucht. Es kann gut sein, dass mich die Mondlandung dazu animiert hat.»
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