Wurde das nigerianische Militär vor der Mädchen-Entführung gewarnt?
Laut Amnesty International hätten die über 200 verschleppten Mädchen vor ihrem Schicksal bewahrt werden können. Doch die Armee Nigerias habe nicht auf die Warnsignale reagiert.
Die Welt ist entsetzt über den Terror in Nigeria. Paris und Washington entsenden Unterstützungsteams. Aber Boko Haram verübt neue Anschläge. Die Verschleppung Hunderter Mädchen hätte nach einem Bericht von Amnesty International womöglich verhindert werden können.
Es gebe «ausreichend Beweise» dafür, dass «die nigerianischen Sicherheitskräfte es versäumten, auf Warnungen von Boko Haram zu reagieren», teilte Amnesty am Freitag mit. Demnach erhielt das Militär vier Stunden vor dem Überfall auf eine Schule in der Stadt Chibok im nordöstlichen Bundesstaat Borno eine entsprechende Warnung.
Die Menschenrechtsorganisation beruft sich auf «Informationen aus mehreren Interviews mit glaubwürdigen Quellen», die unabhängig geprüft worden seien. Demnach hätten beispielsweise Zivilpatrouillen im Nachbarort Gagilam Alarm geschlagen, als eine grosse Gruppe bewaffneter Männer auf Motorrädern durch ihr Dorf kam und angab, sie wären unterwegs nach Chibok.
«Grober Verstoss Nigerias»
Der zuständige Kommandant sei aber nicht in der Lage gewesen, ausreichend Soldaten für einen Einsatz in der Stadt zu rekrutieren, berichtete die Menschenrechtsorganisation. Amnestys Afrikadirektor Netsanet Belay sprach von einem «groben Verstoss Nigerias gegen seine Pflicht zum Schutz von Zivilisten».
Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums wies die Anschuldigungen zurück. «Der Bericht ist nur eine Ansammlung von Gerüchten», sagte er der Nachrichtenagentur AFP.
Boko-Haram-Kämpfer hatten die Schule am 14. April überfallen und 273 Mädchen verschleppt. Einigen Schülerinnen gelang die Flucht. Am Sonntag entführte die Gruppe elf weitere Mädchen. 223 Schülerinnen werden vermisst. In einem Video kündigte Sektenführer Abubakar Mohammed Shekau die Versklavung und Zwangsverheiratung der Schülerinnen an.
UNO-Vertreter in Nigeria
Die Vereinten Nationen schickten ihren Repräsentanten in Westafrika, Said Djinnit, nach Nigeria. Die 15 Mitglieder des UNO-Sicherheitsrats verurteilten die Tat am Freitag «auf das Schärfste».
Die Entführungen könnten ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen, hiess es in der einstimmig verabschiedeten Erklärung. Eine mögliche Befassung des Internationalen Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag mit dem Verbrechen wurde darin nicht erwähnt.
Das Verteidigungsministerium Nigerias gab am Freitag an, die Sicherheitskräfte seien nun rund um die Uhr im Einsatz. Die Luftwaffe habe bereits mehr als 250 Suchflüge absolviert, sagte ein Sprecher. Zwei Armeeeinheiten seien im Norden an den Grenzen zum Niger, zum Tschad und zu Kamerun im Einsatz.
An der Suche sollen sich auch Militärexperten aus den USA und Grossbritannien beteiligen. US-Aussenamtssprecherin Jen Psaki sagte am Freitag, dass sieben Militärangehörige des US-Regionalkommandos für Afrika (AFRICOM) sowie ein Experte des Aussenministeriums vor Ort seien. Am Samstag sollen zudem weitere Kräfte in Abuja eintreffen.
Das britische Aussenministerium schickte Diplomaten und Spezialisten des Verteidigungsministeriums nach Abuja. Das Team werde sich auch für «langfristige Anti-Terror-Lösungen einsetzen, um derartige Angriffe zu verhindern und Boko Haram zu besiegen».
Weitere Anschläge
Trotz weltweiter Proteste gegen den Terror in Nigeria setzten die Islamisten von Boko Haram ihre Angriffe fort. Mutmassliche Mitglieder der Extremisten sprengten im Norden eine Brücke und töteten mindestens 30 Menschen – während die Dorfbewohner noch die Opfer des letzten Anschlags zu Grabe trugen.
Der Anschlag ereignete sich im Dorf Gamboru Ngala an der Grenze zu Kamerun. Dort hatte Boko Haram erst vor wenigen Tagen über 300 Menschen ermordet und elf Mädchen entführt. Auf der Brücke befanden sich nigerianische und kamerunische Grenzposten. Unter den Trümmern könnten Zeugen zufolge weitere Opfer liegen.
SDA/chk
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