
Mit der Wahl Pierre Maudets ist die letzte rot-grüne Kantonsregierung der Schweiz Geschichte. Nun wird Genf wieder bürgerlich regiert, so wie alle 26 Kantone. Umso stärker tritt der Kontrast zu den grossen Städten hervor, die mit wenigen Ausnahmen in linker Hand sind.
Keine Frage: Der Stadt-Land-Graben in der Schweiz existiert.
Doch ist das ein Problem? Das hängt auch davon ab, wie die politischen Entscheidungsträger agieren. Wenn bürgerliche Kantonsregierungen – wie beim Mindestlohn, bei Tempo 30 oder dem Ausländerstimmrecht – ihre linken Städte übersteuern, dann mag das auf den ersten Blick ein weiteres Auseinanderdriften verhindern.
Zu Ende gedacht, ist ein Gleichschritt in diesen Fragen aber nicht wünschenswert. Das Subsidiaritätsprinzip ist einer der zentralen Pfeiler des Schweizer Politsystems. Es sieht vor, dass die Dinge wenn immer möglich auf der politisch unteren Ebene geregelt werden. Das Prinzip garantiert die grösstmögliche Selbstbestimmung und Unabhängigkeit der Gemeinden – und der Menschen, die darin leben.
Diese Reibung gehört zu unserem Land mit seinen multiplen Gräben.
Natürlich wird der Stadt-Land-Graben schlagartig spürbarer, wenn Ausländerinnen in der Stadt wählen dürfen, im Umland aber nicht. Wenn Autofahrer in den Zentren mit Tempo 30 um Urban-Gardening-Anlagen kurven und ennet der Stadtgrenze das Gaspedal wieder durchdrücken dürfen. Allerdings bildet dieses Modell schlicht die unterschiedlichen Lebensrealitäten ab.
Menschen, die in die Städte ziehen, tun dies häufig auch darum, weil sie Parks und kurze Fusswege eher zu schätzen wissen als Parkplätze und Schnellstrassen. Umgekehrt ist das Auto in vielen Regionen der Schweiz aus dem Alltag nicht wegzudenken.
Es gilt also, die unterschiedlichen Lebensentwürfe zu respektieren, anstatt sie zu bekämpfen. Die Vielfalt zu zelebrieren, anstatt das Recht des Stärkeren zu befördern.
Klar: Einfach ist das nicht. Und es wird noch schwieriger, wenn die nächste nationale Abstimmung ansteht, deren Folgen alle Menschen im Land betreffen. Doch diese Reibung gehört zu unserem Land mit seinen multiplen Gräben. Sich darauf einzulassen – das ist ziemlich schweizerisch.
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Kommentar zur bürgerlichen Dominanz – Zelebrieren wir den Stadt-Land-Graben!
Wenn sämtliche Kantone bürgerlich und die meisten Städte links regiert werden, kann das zu Reibereien führen. Muss es aber nicht.