Zimbabwe feiert das Ende einer Ära
Präsident Robert Mugabe ist von seinem Amt zurückgetreten. Aber die neue Führung des Landes wird auch die alte sein.

Am Dienstagmorgen hatte Robert Mugabe noch einmal versucht, so zu tun, als sei nichts gewesen. Sein Stabschef rief die Minister zu einer Kabinettssitzung in den Regierungssitz. Es kam aber keiner – und so trollte sich Mugabe wieder nach Hause.
Dort erfuhr der zimbabwische Präsident von seinen Beratern, dass seine Partei gerade dabei sei, ein Amtsenthebungsverfahren gegen ihn zu starten. Da muss selbst Mugabe klar geworden sein, dass er nur noch wenig Zeit hat, einigermassen selbstbestimmt aus dem Amt zu scheiden – oder zumindest so zu tun. Am Abend verliest der Parlamentspräsident einen Brief des 93-Jährigen, in dem er seinen Rücktritt erklärt. Wenige Minuten später scheint es die ganze Stadt zu wissen. Autos hupen, Menschen fallen sich in die Arme. In ihren Augen sieht man: Das könnte die längste Nacht werden, die dieses Land erlebt hat.
Zumindest war es für Zimbabwe eine Woche, in der mindestens so viel passiert ist wie in den 37 Jahren davor. Am Mittwochmorgen fuhren Panzer auf. Am Donnerstag stand Mugabe unter Hausarrest. Am Freitag tauchte er etwas verwirrt auf einer Unifeier auf und setzte sich ein lustiges Hütchen auf, wie eine Narrenkappe. Am Samstag demonstrierten Hunderttausende im ganzen Land, viele sagten zum ersten Mal im Leben, was sie wirklich denken über die da oben, lernten die Freiheit kennen. Am Sonntag dachten alle, das Ende sei da; die Menschen sassen vor dem Fernseher und warteten auf Mugabes Rücktrittsrede. Mugabe erschien auf dem Bildschirm, vergass aber, auch wirklich zurückzutreten, so wie er es dem Militär zuvor offenbar versprochen hatte.
Plötzlich kam wieder die Angst
Die Lage rutschte ins Absurde. Am Montag verlas das Militär eine Erklärung, die nur schwer zu verstehen war und an das erinnerte, was der Kreml in den Achtzigerjahren von sich gab. Irgendwo zwischen den Zeilen musste doch die Botschaft sein – aber wo? Am Dienstag kehrte bei vielen ein ungutes Gefühl zurück, eine Angst, dass die Dinge zurückgedreht werden könnten, dass Mugabe noch aus dem Grab regieren wird, wie es seine im Volk verhasste Frau Grace ja schon angekündigt hatte.
Was mit «Gucci-Grace» nun passieren wird, weiss das Land noch nicht. Es wird wohl auf ein Exil hinauslaufen, ein Leben mit den ergaunerten Milliarden, die Mugabe schon in den vergangenen Jahren in der Welt verteilt hat, mit der freundlichen Unterstützung der Banken und Immobilienhändler.
Es wird nicht das Ende sein, das sich Mugabe vorgestellt hat, wenn er überhaupt ans Ende dachte. Es wird aber auch nicht ein Ende sein wie das der Ceausescus, die in einem nebeligen Hinterhof in Rumänien erschossen wurden. Es wird auch nicht das Ende des ägyptischen Diktators Hosni Mubarak sein, der kurz nach seinem Sturz ins Gefängnis musste. Die Ära Mugabe scheint einfach so zu enden, ohne einen richtigen Schluss. Es gibt keinen Tod, kein Urteil, keine Aufarbeitung der Verbrechen oder öffentliches Nachdenken über das, was war. Zumindest so wenig wie möglich, das hat die Mugabe-Partei schon klargemacht.
Das Volk sieht das ein bisschen anders und wird die nächsten Tage erst einmal richtig feiern. «Ich hätte nie gedacht, dass ich das noch erleben würde», sagte Jefferson, ein Strassenhändler in der Innenstadt, der unter einem Baum fünf paar Schuhe stehen hat, durchgelatscht und durchlöchert. Zimbabwe ist ein Land der Strassenhändler geworden, fast 90 Prozent soll die Arbeitslosigkeit betragen. Jetzt feiern alle: «Ha, ha, ha!», tönt die Stadt. Eine Frau hat ihr Universitätszeugnis in der Hand und wedelt damit herum, sie hat seit Jahren keinen Job. Ob sich das so schnell ändert? Ob sich überhaupt etwas ändert?
Was mit «Gucci-Grace» nun passieren wird, weiss das Land noch nicht. Wahrscheinlich geht sie ins Exil.
Denn die neue Führung des Landes wird ja auch die alte sein. Am Dienstag meldete sich nach langem Schweigen der wahrscheinliche Nachfolger Emmerson Mnangagwa zu Wort: «Im neuen Zimbabwe müssen wir alle zusammenarbeiten, um unser Land wieder aufzubauen und in vollem Glanz erstrahlen zu lassen», sagte er. Die Armee ist gerne behilflich und hat sich für den Putsch den Namen «Operation Wiederherstellung Vermächtnis» ausgedacht. Es ist eine interessante Umschreibung dessen, worum es geht: die Sicherung der Macht für die Regierungspartei Zanu-PF. Eine Werbeagentur würde vielleicht hinzufügen: unter neuer, verbesserter Führung. Letztlich sind es aber die alten Köpfe, die den ältesten Kopf haben rollen lassen.
«Korruption, Inkompetenz, Pflichtverletzung und Faulheit, soziale und kulturelle Dekadenz werden nicht toleriert», sagte Mnangagwa, der Mann, der seit 37 Jahren in jedem Kabinett dafür mitverantwortlich war, dass Korruption und Inkompetenz das Land zugrunde richteten. Mnangagwa hat womöglich noch mehr Reichtümer angehäuft als Mugabe selbst, er war Verteidigungsminister zu einer Zeit, als die Armee die Diamantminen plünderte. Die Quelle drohte zu versiegen, als Grace Mugabe selbst an die Spitze des Staates wollte und versuchte, Mnangagwa zu verdrängen. Deshalb der Putsch.
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