Zu Besuch bei den niesenden Wildhunden
Wandern in Südafrikas tiefstem Canyon und auf Safari zwischen Büffeln, Elefanten und Nashörnern.

Nichts deutet auf das hin, was uns in wenigen Minuten erwarten wird. Der Weg, der sich auf einer Hochebene eben noch durch lichtes Gehölz geschlängelt hat, endet abrupt auf einem Felsvorsprung, der scheinbar ins Nichts ragt. World's End, welch ein trefflicher Name. 700 Meter tiefer mäandert der Blyde River zwischen roten Sandsteinwänden und bewaldeten Abhängen. Wir blicken auf die drei Rondavels, gewaltige, runde Felsen, die an die afrikanischen Rundhütten erinnern. Hat man sich einmal sattgesehen an dem, was sich da in der Tiefe ausbreitet, lässt man den Blick ins Tiefland und in die Ferne Richtung Indischer Ozean schweifen, wo der Kruger-Nationalpark liegt, halb so gross wie die Schweiz.
Der 26 Kilometer lange Blyde River Canyon ist der drittgrösste Canyon der Welt – er ist bis zu 1372 Meter tief. Ganz so viele Höhenmeter will Annie, unsere südafrikanische Reisebegleiterin, uns nicht zumuten. Am ersten Wandertag steigen wir auf dem Leopard-Trail 300 Meter in die Tiefe. Was dem Schweizer Wanderer als Wegweiser gelbe Rhomben an Bäumen und Steinen sind, ist dem Südafrikaner die gelbe Tatze. Obwohl der Weg stellenweise leicht ruppig ist, entschädigt die Aussicht jede Anstrengung. Bei einer Weggabelung verschwindet die gelbe Pfote, ein blaues Perlhuhn signalisiert den Weg. Vorbei an Wasserfällen und kleinen Seen, die zum Bad und damit zur Abkühlung laden. Diese grossartige Wanderung dauert je nach Zusatzschlaufen vier bis fünf Stunden. Wer es gemächlicher mag, kann auf anderen Pfaden ein bis zwei Stunden wandern.
Die Landschaft ist bizarr
Auf der gesamten Länge des Blyde River gibt es weitere spektakuläre Gegenden für kurze und längere Wanderungen. Bevor sich der Fluss in den Canyon schneidet, vereinigt er sich mit einem Nebenfluss bei Bourke's Luck Potholes. Im Lauf der Jahrmillionen haben die Ströme mit dem Geschiebe zylinderförmige Löcher und Schluchten in das Dolomitgestein gefräst. Ein bequemer Pfad führt durch die bizarre Landschaft, die nach einem Goldgräber namens Tom Bourke benannt ist. Beäugt werden die Besucher von Pavianen, die elegant über Brücken und Stege turnen. Am südlichen Ende, wo der Fluss das Tiefland mit dem Kruger-Park erreicht, ist God's Window. Von diesem göttlichen Fenster in 1500 Meter Höhe ist die Abbruchkante vom Hochland ins Tiefland besonders eindrücklich zu sehen. Sie zieht sich 250 Kilometer Richtung Süden und gehört mit den Drakensbergen zu einer faszinierenden, bis zu 3000 Meter hohen Gebirgslandschaft.
Unser nächstes Ziel ist das private Wildreservat Mthethomusha. Der Weg dorthin führt durch den südwestlichen Zipfel des Kruger-Nationalparks. Eine gedankliche Vorbereitung auf die «Big Five» – Löwe, Leopard, Büffel, Elefant, Nashorn –, die zu sichten jeder Kruger-Besucher inständig hofft, fällt allerdings nicht leicht. Phabeni, der Grenzort zum Park, erweist sich als verkehrsreiche Ortschaft mit einer Ansammlung von Shoppingmalls, Restaurants und Tankstellen.

Der zivilisatorische Ballast im Hinterkopf verflüchtigt sich, als die erste Antilopenherde gesichtet wird. Und er verzieht sich ganz, als ein Elefant neben der Strasse Blätter aus den Bäumen holt. Die Stimmung schlägt vollends in Begeisterung um, als hinter ihm eine ganze Herde mit Jungtieren auftaucht und vor uns die Fahrbahn überquert. Auch wenn Löwe und Leopard fehlen, kann sich die Ausbeute schliesslich sehen lassen: Giraffen, Zebras, Wildhunde und sogar zwei Nashörner sind vor unseren Kameras aufgetaucht.
Diesen Tieren noch viel näher kommen wir im Mthethomusha-Reservat. Der Park erstreckt sich über 8000 Hektaren in den Malelane-Bergen. Auf einer frühmorgendlichen Pirsch zu Fuss lernen wir Spuren lesen und bestaunen das stille Örtchen eines Nashorns. Die Tiere erleichtern sich immer am gleichen Ort, anders als etwa die Elefanten, die ihren Dung irgendwo fallen lassen. Später fahren uns die Ranger im offenen Geländefahrzeug erstaunlich nahe an die Tiere heran. Ein einsames Nashorn rupft zehn Meter neben dem Auto Gras und Blätter – ohne Horn auf der Nase. Um die Tiere vor Wilderern zu schützen, werden ihnen die Hörner abgesägt. Auf dem Schwarzmarkt kostet ein Kilo bis zu 100'000 Dollar. Ein vollständiges Nashorn-Horn wiegt bis zu zehn Kilogramm.
Unberechenbare Büffel, freundliche Hunde
Längere Zeit parken wir neben einer grossen Büffelherde. Die Tiere, die dreinblicken, als seien sie dauerhaft missgelaunt, gelten als besonders gefährlich, weil unberechenbar. Von freundlicherem Charakter erscheinen uns die buntgescheckten afrikanischen Wildhunde, auch Hyänenhunde genannt, die im kleinen Rudel unter einem Baum dösen. Ab und zu hebt einer seinen Kopf mit den auffallend grossen Ohren. Wie Forscher vor kurzem herausgefunden haben, kommuniziert das Rudel über eine Art Niesen. Dieses Verhalten häuft sich, kurz bevor die Gruppe auf die Jagd geht, und dient der Abstimmung und Entscheidungsfindung, beobachteten die Wissenschaftler. Auf dem täglichen Wanderprogramm der Reise stehen eher kurze ein- bis zweistündige Wanderungen, so etwa im Tsitsikamma-Nationalpark, in den «Cango Caves», Afrikas einzige Tropfsteinhöhle, in der Lagune von Knysna oder im Weinanbaugebiet bei Stellenbosch. Den zweiten Wanderhöhepunkt auf dieser Südafrikareise hält uns Annie zum Abschluss in Kapstadt bereit. Auf den Tafelberg solls gehen, den 1086 Meter hohen Hausberg der südafrikanischen Metropole. Der zweieinhalbstündige Aufstieg sei schwer, warnt sie uns und bietet als Alternative die Seilbahn auf den Berg an. Ach was, denkt die Zürcherin mit dem Uetliberg vor Augen, genauso hält es der Berner mit dem Gurten.
Das gemeinsame Leiden am Berg verbindet
Ein Irrtum, der den Namen Platteklip George trägt. Die Strecke ist deshalb bei Touristen so beliebt, weil sie mit drei Kilometern scheinbar kurz ist. Doch die 700 Höhenmeter müssen im engen Zickzack über hohe Steinstufen durch die Schlucht erklommen werden. Die Sonne brennt erbarmungslos, es gibt kaum schattige Plätze, und wo doch, drängen sich erschöpfte Menschen für eine kurze Atempause zusammen. Das gemeinsame Leiden verbindet, man bietet sich gegenseitig Wasser und Snacks an und ermuntert sich zum Weitermachen. Nach einer gefühlten Ewigkeit – in Wahrheit sind es drei Stunden – erreichen wird den Ausgang der Schlucht. Ein letzter Blick zurück in das Inferno – und dann ist da nur noch grenzenlose Freude, dass man es geschafft hat. Zum Hochgefühl trägt auch bei, dass keine Tischdecke da ist, wie die Kapstädter die Wolkendecke nennen, die sich oft tagelang um den Tafelberg legt. Die Sicht ist frei in alle vier Himmelsrichtungen.
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Die Reise wurde unterstüzt von Baumeler Reisen AG.
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