
Unbehaglich wurde es einem, wenn man letzte Woche bürgerlichen Finanzpolitikern zuhörte. Für den Kanton Zürich sieht es angeblich gar nicht gut aus. Im Vergleich zu anderen Kantonen verliert Zürich an Finanzkraft, sogar bergige Kleinkantone wie Glarus oder Uri machen schnellere Fortschritte. Ausserdem drohen wichtige Firmen damit, aus dem Kanton wegzuziehen.
Der Grund für die Misere ist laut FDP und SVP klar: Gewisse Firmensteuern sind zu hoch. Ihre Forderung: runter damit. Doch dieser Wunsch kommt vorschnell. Bei genauerem Hinsehen erweist sich das Unbehagen als unbegründet – die Bedrohung sackt in sich zusammen.
Zürich gehört weitherhin zu den Geberkantonen
Die Aussage, dass fast alle Kantone Zürich überholen, stützt sich auf die Zahlen des Nationalen Finanzausgleichs. Für diesen wird Jahr für Jahr das Steuersubstrat der einzelnen Kantonen verglichen. Dazu zählen die Einnahmen aller Firmen und sämtliche Löhne sowie das ganze Vermögen von Privatpersonen. Gemessen an diesen «Ressourcen», ist Zürich weniger schnell gewachsen als die Restschweiz. Diese schaffte pro Jahr 2,1 Prozent, Zürich «nur» 1,5.
Gewonnen haben dieses Rennen die Innerschweizer Tiefsteuerkantone: Schwyz, Obwalden, Nidwalden, Zug, Luzern. Sie haben in den letzten zehn Jahren am meisten Steuersubstrat zugelegt. Die Schwyzer und ihre Unternehmen sind sogar um 48 Prozent reicher geworden.
Absolut gesehen, liegt Zürich aber immer noch an sechster Stelle, es gehört weiterhin zu den wenigen Geberkantonen. Jede Zürcherin wird nächstes Jahr 325 Franken an ärmere Kantone zahlen. Zu diesen zählen auch Gewinner der letzten Jahre wie Obwalden und Luzern.
Immobilienfirmen profitieren
Der Zürcher Wirtschaft geht es ebenfalls bestens, wie folgende Anhaltspunkte zeigen: 1. Seit Jahren steigen die Einnahmen aus den Firmensteuern deutlich. 2. Die Zahl der Firmen nimmt prozentual leicht stärker zu als die Bevölkerung. 3.Internationale Vorzeigebetriebe bauen ihren Standort in Zürich aus. 4. Die Löhne sind hoch, in der Stadt Zürich verdient man deutlich mehr als überall sonst in der Schweiz. 5. Das Bruttoinlandprodukt, mit dem man das Wirtschaftswachstum misst, hat sich in Zürich zwischen 2012 und 2014, verglichen mit der Restschweiz, überdurchschnittlich stark erhöht. Das alles schlägt sich im positiven Budget 2018 nieder, das der Kanton am Freitag vorstellte.
Die entscheidende Frage lautet also: Warum werden die meisten Kantone schneller reich, obwohl sich Zürich auf eine aussergewöhnlich gesunde Wirtschaft verlassen kann?
Das Steueramt ist daran, die Frage zu klären. Zwei Hypothesen bieten sich an. Die Finanzkrise hat Zürich besonders hart getroffen. Das hallt bis heute nach. Und: Superreiche und Spitzenverdiener ziehen nicht (mehr) nach Zürich. Sie gehen dorthin, wo man weniger Steuern von ihnen verlangt, nach Zug Schwyz, Obwalden. Der Steuerwettbewerb spielt, Zürich verliert.
Wohlstand aus eigener Kraft
Das lässt sich auch positiv deuten. Zürich erarbeitet sich seinen Wohlstand aus eigener Kraft. Es macht sich nicht von einigen Privatpersonen abhängig, die schnell wieder weg sind, wenn sie anderswo noch mehr sparen.
Man könnte nun trotzdem fordern, Zürich solle versuchen, die Reichen mit Tieftarifen zurückzulocken. Abwegig ist es aber, aus der Finanzausgleich-Rangliste zu schliessen, dass der Kanton gewisse Unternehmenssteuern senken müsse. Da besteht schlicht kein Zusammenhang.
Doch einen solchen deuten bürgerliche Politiker immer wieder an, etwa letzten Montag, als sie im Kantonsrat den Verlustabzug bei der Grundstückgewinnsteuer provisorisch beschlossen. Unternehmen, die Boden verkaufen, sollen neu ihre betrieblichen Verluste vom Verkaufsgewinn abziehen können. Dadurch lassen sich die Steuern drücken. Viele Kantone haben einen derartigen Abzug schon früher eingeführt.
Keine elegante Lösung
Als allgemeines Konjunkturprogramm taugt das nicht. Denn die meisten Unternehmen verkaufen nur selten Grundstücke. Regelmässig tun dies einzig Immobilienfirmen. Der neue Abzug würde also vor allem ihnen nützen.
Die zweite Steuersenkung, für die Wirtschaftskreise derzeit werben, ist die zinsbereinigte Gewinnsteuer. Auch davon profitierte eine kleine Gruppe von Unternehmen. Unter anderen sie sind es, die in einer neuen Umfrage der Handelskammer mit dem Wegzug drohen – falls Zürich die zinsbereinigte Gewinnsteuer nicht bekommt. Solche Umfragen haben aber einen Haken. Kaum jemand, der gefragt wird, ob er weniger Steuern zahlen will, antwortet mit Nein.
Man findet durchaus Gründe, die für eine Senkung der Unternehmenssteuern sprechen. Es ist aber nicht sehr elegant, Bedrohungsszenarien zu konstruieren, um mit deren Hilfe einzelne Branchen steuerlich zu begünstigen.
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Zu früh gesorgt
Die meisten Kantone werden schneller reich als Zürich. Warum das für die Zürcher dennoch ein Grund zur Freude ist.