Von Kopf bis Fuss: Allergien und InfektionenZu viel Putzen schadet nicht
Kinder brauchen Kontakt zu Mikroorganismen, damit sich ihr Immunsystem entwickeln kann. Die Hygiene in unserem Zuhause hat damit aber wenig zu tun.

Man hört und liest es immer wieder: Zu viel Sauberkeit sei gar nicht gesund, sondern fördere im Gegenteil nur Allergien. Vor allem beinträchtige sie bei Kindern die Entwicklung des Immunsystems. Nach einer neuen Studie, die kürzlich in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift «Journal of Allergy and Clinical Immunology» veröffentlicht wurde, ist das ein Mythos – zumindest, was die Sauberkeit in unseren Wohnungen betrifft. «Die Theorie, dass die moderne Gesellschaft zu sauber ist, müssen wir im wahrsten Sinne des Wortes unter den Teppich kehren», heisst es in der Pressemitteilung des University College London (UCL) zur Studie. Diese wurde von Wissenschaftlern der Abteilung Infektion und Immunität der UCL und der London School of Hygiene & Tropical Medicine (ISHTM) erarbeitet.
Bei der Studie ging es darum, die Stichhaltigkeit der sogenannten Hygienehypothese zu überprüfen. Laut dieser ist unsere Umgebung zu sauber geworden. Kinder und vor allem Kleinkinder seien darum weniger Keimen ausgesetzt und dadurch weniger resistent gegen allergische Erkrankungen. Mit dieser Theorie wird oft die massive Zunahme von Allergien in den industrialisierten Ländern erklärt.
Kontakt mit nützlichen Mikroorganismen ist wichtig
«Es gibt derzeit kein besseres Konzept als das der Hygienehypothese, um den Anstieg der Prävalenz von Heuschnupfen und Asthma zu erklären», hiess es noch 2014 in einer Stellungnahme der Kommission Umweltmedizin am Robert-Koch-Institut in Berlin, wobei sogleich die Einschränkung folgt: «Viele Indizien sprechen dafür, allerdings wird die Evidenz seitens der Arbeitsgruppe Allergie der Kommission Umweltmedizin als nicht ausreichend erachtet.»
Die Mikroorganismen der natürlichen «grünen» Umgebung sind besonders wichtig für unsere Gesundheit.
Die Londoner Forscher werden da jetzt noch deutlicher. Sie kommen nämlich zum Schluss, wir seien keineswegs zu sauber für unser eigenes Wohl. Hauptautor Graham Rook, emeritierter Professor für medizinische Mikrobiologie, räumt zwar ein, dass der Kontakt zu Mikroorganismen im frühen Leben für die Entwicklung des Immun- und Stoffwechselsystems essenziell sei. Er schreibt denn auch: «Organismen, die unseren Darm, unsere Haut und unsere Atemwege bevölkern, spielen auch eine wichtige Rolle bei der Erhaltung unserer Gesundheit bis ins hohe Alter: Wir brauchen also unser ganzes Leben lang den Kontakt mit diesen nützlichen Mikroorganismen
Die Londoner Forscher werden da jetzt noch deutlicher. Sie kommen nämlich zum Schluss, wir seien keineswegs zu sauber für unser eigenes Wohl. Hauptautor Graham Rook, emeritierter Professor für medizinische Mikrobiologie, räumt zwar ein, dass der Kontakt zu Mikroorganismen im frühen Leben für die Entwicklung des Immun- und Stoffwechselsystems essenziell sei. Er schreibt denn auch: «Organismen, die unseren Darm, unsere Haut und unsere Atemwege bevölkern, spielen auch eine wichtige Rolle bei der Erhaltung unserer Gesundheit bis ins hohe Alter: Wir brauchen also unser ganzes Leben lang den Kontakt mit diesen nützlichen Mikroorganismen.» Diese würden wir aber nicht via unsere Küchenböden, sondern meist von unseren Müttern, anderen Familienmitgliedern und der natürlichen Umgebung erhalten.
Was gegen die Hygienehypothese spricht
Ziel der Studie war laut Rook, den «scheinbaren Konflikt» zwischen der Notwendigkeit von Hygiene zur Bekämpfung von Krankheitserregern und dem Kontakt mit Mikroorganismen, um unser Immunsystem aufzubauen, zu klären. Die Wissenschaftler fanden vier wichtige Faktoren, die gegen die Hygienehypothese sprechen:
Die Mikroorganismen, die in einem modernen Haushalt zu finden sind, seien zu einem erheblichen Teil nicht diejenigen, die wir für die Immunität benötigen.
Impfstoffe würden uns nicht nur vor der Infektion, auf die sie abzielen, schützen, sondern auch unser Immunsystem stärken. Wir wüssten jetzt also, «dass wir nicht den Tod riskieren, wenn wir den Erregern ausgesetzt sind».
Die Mikroorganismen der natürlichen «grünen» Umgebung seien besonders wichtig für unsere Gesundheit. Das Putzen und die Hygiene im Haushalt hätten keinen Einfluss auf unsere Exposition gegenüber der natürlichen Umwelt.
Zudem würden neuere Forschungen zeigen, dass wenn ein Zusammenhang zwischen dem Putzen der Wohnung und gesundheitlichen Problemen festgestellt werde, diese oft nicht durch das Eliminieren von Organismen verursacht würden, sondern durch Reinigungsmittel, die in die Lunge gelangen und dort zu Schäden führen, die die Entwicklung von allergischen Reaktionen fördern.
«Eine sauber geputzte Wohnung und die persönliche Hygiene ist wichtig», sagt Professor Rook, «aber sie sollte auf die Hände und Oberflächen ausgerichtet sein, die am häufigsten an der Infektionsübertragung beteiligt sind, um eine Verbreitung dieser zu verhindern.» Wenn es um die Sauberkeit im eigenen Heim geht, wird zu nicht toxischen Reinigungsmittel ohne schädliche Chemikalien geraten. Vermeiden sollte man vor allem Aerosole, die die Luft mit Schadstoffen anreichern.
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