Zu weit gegangen?
Kampagnen der SVP sind oft aggressiv und provozieren. Laut Experten könnte es mit der aktuellen zur Verurteilung kommen – zum zweiten Mal.

Ein Mann, dessen Gesicht durch den Schatten seines Kapuzenpullovers nur schwer wahrnehmbar ist, die Augen knapp unter dem Saum erkennbar und der Blick bedrohlich. Der Schriftzug ist überdeutlich: «Mehr Belästigung, Diebstähle und Gewalt? Bundesasylzentrum mitten in Zürich? Nein!» Ist dies tatsächlich eine dunkelhäutige Person auf dem Bild oder wurde geschickt mit der Beleuchtung gespielt?
«Nein. Es ist egal, welche Hautfarbe die Person hat, da wir keine bestimmte Volksgruppe ansprechen und auch nicht alle Asylbewerber pauschal verurteilen», sagt Ueli Bamert, Vizepräsident der SVP Stadt Zürich gegenüber Redaktion Tamedia. Das Sujet solle das Unsicherheitsgefühl der Bevölkerung gegenüber Asylsuchenden ausdrücken, aber keineswegs einzelne Migrantengruppen unter Generalverdacht stellen, sagt er. «Natürlich sollen sie Aufmerksamkeit erregen, provozieren wollen wir damit aber nicht», sagt Bamert.
Die SVP hat eine lange Geschichte plakativ-provozierender Kampagnen. Seit den 90er-Jahren unter Christoph Blocher sorgten vor allem Abstimmungskampagnen regelmässig für Diskussionen: Vom «Messerstecher-Inserat» über die schwarzen Schafe bis zur «Unkontrollierten Einbürgerung» mit dem Burka-Motiv. Erst einmal wurde die SVP zur Rechenschaft gezogen, als zwei Kadermitglieder aufgrund der «Kosovaren schlitzen Schweizer auf»-Kampagne wegen Rassendiskriminierung vom Bundesgericht verurteilt wurden.
Kein einfacher Fall
Georg Kreis, ehemaliger Präsident der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus (ERK) und emeritierter Professor für Neuere Allgemeine Geschichte an der Universität Basel, ist gespannt, wie Juristen mit diesem Fall umgehen werden. Denn Asylsuchende bildeten keine Schutzkategorie im Artikel zur Rassendiskriminierung des Strafgesetzbuches, sagt Kreis.
Laut Gerhard Fiolka, Professor für internationales Strafrecht an der Universität Freiburg, wäre eine Verurteilung wegen Rassendiskriminierung durchaus möglich. Laut Gesetzestext macht sich schuldig, wer «öffentlich eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabsetzt oder diskriminiert». Das Plakat hingegen richtet sich – wie Kreis erklärte – nicht gegen eine bestimmte Rasse, Ethnie oder Religion, sondern pauschal gegen Asylbewerber.
Es könne jedoch sein, dass «Asylbewerber» als «Sammelbezeichnung für verschiedene Ethnien gebraucht wird», sagt Fiolka. Auch Fälle, in denen Verurteilungen wegen Schmähungen gegen «Asylbewerber» erfolgten, habe es bereits gegeben. Laut Fiolka verstösst eine Diskriminierung dann gegen die Menschenwürde, wenn behauptet wird, dass eine Personengruppe kriminell und gewalttätig sei, und damit begründet werden soll, dass solche Personen nicht mitten in Zürich untergebracht werden sollten. Dies würde eine Verurteilung ermöglichen.
«Das Plakat ist inakzeptabel»
Für Martine Brunschwig Graf, Präsidentin der EKR und Nachfolgerin von Georg Kreis, ist das Plakat schlicht inakzeptabel. Für sie sei es in erster Linie keine juristische, sondern eine Frage nach der Verantwortung der politischen Parteien in der Schweiz, sagt sie. Den politischen Parteien müsse noch einmal klargemacht werden, dass sie in diesem Land eine besondere Verantwortung tragen.
«Es nicht das erste Mal, dass eine politische Partei, im vorliegenden Fall die SVP, Asylbewerber attackiert und eine ungeheuerliche Verallgemeinerung vornimmt, die der Akzeptanz gegenüber Asylbewerbern schadet», sagt sie. Bei diesem Plakat handle es sich um einen verschleierten Aufruf zur Zurückweisung Asylsuchender – und dies zeuge deutlich von Verantwortungslosigkeit.
Georg Kreis stützt die Aussagen seiner Nachfolgerin Brunschwig Graf. Leider erweise sich die SVP als unbelehrbar und versuche weiterhin, ihr politisches Geschäft mit Angst- und Hasspropaganda zu machen, sagt Kreis. «Noch wichtiger ist aber, wie Bürger und Bürgerinnen damit umgehen und dass sie diese Art von Auftritten entschieden ablehnen.»
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