Pandemie in GefängnissenZürcher Justiz setzt auf Videobefragungen
Das Coronavirus hat auch den Justizvollzug im Kanton Zürich erfinderisch werden lassen. Auf einzelne dieser kreativen Massnahmen wird auch weiterhin gesetzt.

Die Corana-Pandemie ist für Gefängnisse eine grosse Herausforderung. In anderen Ländern wie etwa Italien mussten Häftlinge freigelassen werden, weil der Gefängnisbetrieb wegen der vielen Ansteckungen und des Gesundheitsrisikos nicht mehr aufrechterhalten werden konnte. Verglichen damit kamen die Zürcher Vollzugsanstalten glimpflich davon, zumindest in den vergangenen Monaten.
«Bisher haben wir es geschafft, das Virus draussen zu behalten», sagte Justizdirektorin Jacqueline Fehr am Donnerstag vor den Medien.
Das Virus stellte den Gefängnisalltag aber dennoch auf den Kopf – nicht nur im negativen Sinne für die Gefangenen: So wurden etwa die Hygienestandards in der U-Haft verbessert. Alle Häftlinge können heute täglich duschen. In Vor-Corona-Zeiten war dies an einzelnen Standorten nur einmal pro Woche möglich.
Telefongespräche verbessern psychische Verfassung
Das Coronavirus beschleunigte gemäss Fehr auch die Reform der Untersuchungshaft. Seit Beginn der Pandemie dürfen Untersuchungshäftlinge mit Angehörigen telefonieren, als Gegenleistung für die gestrichenen Besuche. Dies war vorher verboten.
Dabei merkten die Verantwortlichen, dass auch diese Telefongespräche die psychische Verfassung verbesserten. «Wir prüfen jetzt, wie wir diese Massnahme weiterführen», sagte Fehr.
Die Untersuchungshaft, bei der die Häftlinge den grössten Teil des Tages in ihren Zellen verbringen mussten, wurde mit Beginn der Pandemie zudem «gegen innen geöffnet». Das heisst, die Untersuchungshäftlinge erhielten mehr Zugang zu anderen Abteilungen, sie können seither etwa mit anderen Insassen essen. Diese Öffnung bleibt bestehen, auch nach der Corona-Pandemie.
Gefangenentransport entfällt
Eine weitere Massnahme, die auch nach Corona weitergeführt wird, sind die Einvernahmen per Video. Kann der Staatsanwalt oder die Staatsanwältin die Verdächtigen per Video befragen, entfällt der Gefangenentransport. Dies spare letztlich auch Kosten, sagte Fehr.
Mittlerweile steht in allen Untersuchungsgefängnissen die nötige Technik bereit. Wie Fehr weiter sagte, akzeptieren die Zürcher Gerichte diese Videoeinvernahmen.
Auf Kantonsebene ist dies juristisch also kein Problem. Unklar ist jedoch noch, ob ein Strafverfahren, das aufgrund von Videoeinvernahmen geführt wurde, auch vor Bundesgericht Bestand hätte oder eine Beschwerde dagegen gutgeheissen würde.
«Corona-Gefängnis» Horgen bleibt in Betrieb
Das Virus führte auch dazu, dass die Kantone vermehrt zusammenarbeiten. Bisher habe es dies im Bereich der U-Haft kaum gegeben, sagte Fehr. Es sei aber von Beginn an klar gewesen, dass die Quarantäne- und Isolationsstation im einst stillgelegten und wieder in Betrieb genommenen Gefängnis Horgen allen Kantonen zur Verfügung stehe.
Dieses «Corona-Gefängnis» wird nun weiterbetrieben – zumindest so lange, bis es einen Impfstoff gibt oder die geplante Quarantäne- und Isolierstation im neuen Polizei- und Justizzentrum eröffnet wird.
Dies ist voraussichtlich im ersten Quartal 2022 der Fall. Je nachdem, wie stark eine zweite Welle wird, passt der Kanton diese Pläne aber wieder an.
zac/sda
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