Zürcher Uhren aus russischen Weltraumraketen
Patrick Hohmann stellt Uhren her, die aus Schrott gefertigt sind. Ein Countdown von der Idee bis zum fertigen Schmuck.

10 – Idee Was macht ein Mann, wenn er seinen Traum gegen alle Widerstände in die Tat umsetzen will? Er gibt nicht auf, er kämpft. Genau das hat Patrick Hohmann getan. 2010 hatte er die Idee, Uhren aus Weltraumraketen herzustellen. 2013 präsentierte er erste Modelle, seither produziert er ungefähr 60 Uhren pro Jahr. Davon leben konnte der 44-jährige Vater von zwei Töchtern bisher nicht. Das will er nun ändern. Hohmann ist ein Mensch, den Ideen an- und umtreiben. Zwar ist er weder Uhrmacher noch Astronaut, sondern studierter Betriebswirt, aber eine Idee verfolgte ihn seit Jahren: Uhren aus Raketen herzustellen. «Ich bin ein Querdenker und wollte schon immer etwas Eigenes erschaffen.»
9 – Risiko Um seinen Traum zu realisieren, hat Hohmann einen gut bezahlten Job als Markenspezialist an den Nagel gehängt, die Beziehung zu seiner Freundin auf die Probe gestellt und das Erbe des Vaters vorbezogen. «Die Idee mit der Raketenuhr hat mich an den Rand des Wahnsinns getrieben», sagt er. Vor allem, weil er sich die Umsetzung nicht als allzu schwer vorgestellt hat: Businessplan erstellen, Material beschaffen, Uhr fabrizieren. Die Realität sah anders aus: Raketenteile sind nicht im Internet bestellbar, und militärisches Sperrgebiet betritt man nicht wie einen Migros-Lebensmittelladen um die Ecke.
8 – Material Es stammt aus der Steppe Kasachstans. Im Kosmodrom Baikonur starten die Sojus-Raketen ins Weltall. Sie fliegen in drei Stufen in den Orbit. Die erste Stufe wird auf einer Höhe zwischen ungefähr 46 und 85 Kilometern abgesprengt. Die Booster und die Windschutzverkleidung fallen zurück auf die Erde in streng bewachtes militärisches Sperrgebiet.
7 – Schrotthändler Patrick Hohmann kann nicht selber in der Steppe Kasachstans nach Raketen suchen. Genau: Sperrgebiet. Bevor er sein Projekt gestartet hat, musste er deshalb nach Kasachstan, um mithilfe eines Ortskundigen den Metallhändler ausfindig zu machen. Dieser besitzt die Exklusivrechte, das zertrümmerte Raketenmaterial zu bergen und zu verkaufen. Es brauchte viel Verhandlungsgeschick, bis in Kasachstan Vertrauen zum Raketenuhrenmann aus der Schweiz entstand. «Zuerst haben sie mich dort für einen Spion gehalten.»
6 – Transport Der erste fand im Januar 2013 statt. Hohmann erinnert sich. «Der Lastwagen mit dem Raketenmaterial erreichte die Schweizer Grenze nach über 5500 Kilometer Fahrt und zwei gröberen Pannen aufgrund extremer Temperaturen von bis zu minus 40 Grad Celsius. Da der Fahrer aus Weissrussland keine korrekten Fahrzeugpapiere vorweisen konnte, dauerte der Aufenthalt am Zoll länger. Dafür wurde ich zu einem Essen in die Fahrerkabine eingeladen, wo der Fahrer mir den besten Kohlsalat auftischte, den ich je gegessen habe.»
5 – Roman Roman: Die Geschichte eines Mannes, der gegen allen Widerstand der Welt seinen Traum wahr macht. Das ist der Stoff, aus dem Bücher gemacht werden. Gesagt, getan. Patrick Hohmann hat all seine Erlebnisse in Kasachstan in dem Roman «Werenbachs Uhr» verpackt. Dort liest man von Reisen per Bus durch wilde Steppen, bewaffneten Wachmännern, extremen Wetterbedingungen, unwirtlichen Hotels, Kamelmilch und jeder Menge Wodka. «Der Roman entstand, als ich eine Krise hatte und schon fast alles aufgeben wollte.»
4 – Atelier Gar nicht so einfach zu finden, denn es liegt ein wenig versteckt am Limmatquai. Ein schmales Gässchen führt zum acht Quadratmeter grossen Uhrmacheratelier. In einer Ecke steht ein grüner Raumanzug, an den Wänden hängen Bilder von Sojus-Raketen. In der Mitte des Raums ein Holztischchen, auf dem winzige Werkzeuge platziert sind. Es ist der Arbeitsplatz eines Uhrmachers.
3 – Rettung Bei seiner neuen Kollektion, der Earth Collection, stand Hohmann vor einigen Hürden: «Ich muss grosse Stückzahlen fertigen und gleichzeitig die Produktion vorfinanzieren. Kickstarter war meine Rettung.» Die Crowdfunding-Plattform geniesst internationales Ansehen. Dort finden sich potenzielle Käufer, die bereit sind, eine Uhr zu kaufen, die es noch gar nicht gibt. Nicht einmal fünf Prozent aller Kickstarter-Projekte schaffen die 100'000-Franken-Marke. Patrick Hohmann hat nach zwei Monaten bereits mehr als 768 000 Franken zusammen. Das entspricht 1230 vorfinanzierten Uhren. Ab kommenden November werden die Uhren ausgeliefert. Damit der Termin eingehalten werden kann, arbeiten die Produktionspartner auf Hochtouren.
2 – Lohn Bis jetzt hat Hohmann seine Zeitmesser in Kleinserien verkauft, 60 Stück pro Jahr. Leben und seine Familie mit zwei Töchtern ernähren konnte er davon nicht. «Ich zehre bis jetzt von meinem ersparten und geerbten Geld.»
1 – Erfolg «Patrick hat alles auf eine Karte gesetzt, war extrem mutig und hat alle Hindernisse überwunden – nun ist der Erfolg da», sagt sein Freund Marco Vannotti. Als Nobody in der Uhrenbranche selber eine Marke zu kreieren, sei schon etwas verrückt. «Das Risiko war meiner Meinung nach sehr gross, und ich war zu Beginn durchaus ‹skeptisch›, ob sich genug Leute für so eine Uhr begeistern könnten.» Christoph Urech von acts AG begleitet viele Jungunternehmer in ihren Entwicklungsprozessen, unter anderem auch Patrick Hohmann. «Seine Geschichte zeigt, dass klar fokussierte Ideen sich in jedem Markt etablieren können.» Hohmann sei ein Abenteurer, ein Unternehmer mit kreativem Herzblut. «Er ist ein Mensch, der seinen Traum mit der richtigen Energie aufgebaut hat, ohne dass das Ego zum schnellen Geld mit ihm durchgestartet ist. Er kann mit einem kleinen Team und seinem Willen Berge versetzen.»
Take-off – Werbestrategie Wie wichtig eine Werbestrategie ist, zeigt das Beispiel der Omega Speedmaster. «Die Uhr trug Neil Armstrong, der erste Mann auf dem Mond. Bis heute profitiert das Modell von diesem Marketingschachzug. «Aber es gibt zu Omega einen Unterschied: Bei mir hat jede Uhr eine Geschichte. Teile davon sind als Rakete in den Weltraum geflogen, sie haben den Rand des Alls berührt.» Kein Weltraumlabor der Nasa: Patrick Hohmann in seinem Uhrmacheratelier am Zürcher Limmatquai. Fotos: Doris Fanconi Die Earth Collection: Das Zifferblatt ist aus dem Raketenmotor gefertigt. Tages-Anzeiger
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