Zürcherin illustriert das Kochbuch eines Weltklasse-Restaurants
Paula Troxler hat ein Kochbuch des Restaurant «Noma» in Kopenhagen gestaltet: über fermentierte Lebensmittel.

Ihre zeichnerische Handschrift ist auf dem Cover klar zu erkennen: Es zeigt eine schwarze Hand, um die sich ein weisses Geäst verflechtet und sich langsam über sie ausbreitet. Paula Troxlers Bildsprache ist simpel, aber gerade deshalb eindrücklich. Die Illustration auf dem Buchumschlag veranschaulicht in einfacher Weise, worum es im Buch selber geht. So, wie es eine Fotografie nicht imstande wäre. Denn die Fermentation als solche lässt sich in Fotos nicht abbilden.
Beim Fermentieren verändern Mikroorganismen Lebensmittel, machen sie geniessbarer, verträglicher, länger haltbar und erzeugen ganz neue Geschmäcke. Letzteres ist der zentrale Punkt, warum sich der Starkoch René Redzepi in seinem Kopenhagener Restaurant Noma dieser Technik verschrieben hat. Das «Noma-Handbuch Fermentation» trägt im Untertitel den Zusatz: «Die Grundlagen des Geschmacks.» Das Noma wurde mehrmals zum besten Restaurant der Welt erkoren und gilt als Vorreiter für die regionale und saisonale Küche, die derzeit stark im Trend liegt.

Vom Restaurant Noma hatte Paula Troxler bis zur Anfrage der Londoner Buchgestalterin Sonya Dyakova, ob sie die Illustrationen dafür machen möchte, nichts gehört. «Sonya und ich hatten uns bis dahin auch nie getroffen, sie wusste von meinen Arbeiten aus Publikationen und dem Internet», sagt Troxler beim Interview in ihrem lichtdurchfluteten Atelier in Albisrieden. Bekannt waren Dyakova auch Troxlers Tageszeichnungen, die diese seit zehn Jahren halbjährlich in der Form von Abreisskalendern publiziert.
Die 38-jährige Illustratorin stammt aus einer Familie, in der Grafik und Kunst zentral sind. Ihr Vater Niklaus Troxler ist Gründer des Jazz-Festivals Willisau. Als Grafiker schuf er die Plakate selber. Heute veranstaltet ein Cousin von Paula Troxler das Festival, sie und ihre Schwester wechseln sich bei der Plakatgestaltung ab.
Sauerkraut und Stachelbeeren
Fermentierten Lebensmitteln war Troxler vor allem auf Reisen begegnet: In Südkorea wird zu jeder Mahlzeit Kimchi gereicht – ein meist scharf zubereitetes Kohlgemüse. Die Technik der Fermentation ist in der Lebensmittelindustrie weitverbreitet, sie findet sich bei der Herstellung von Bier ebenso wie beim Joghurt oder beim Salami. Das bei uns bekannteste fermentierte Lebensmittel, das man daheim selber problemlos herstellen kann, ist das Sauerkraut; im Buch wird es nur am Rande erwähnt. Nur zwei Zutaten braucht es dazu: Weisskabis und Salz. Beides wird vermischt, das Salz entzieht dem Kabis Wasser.

Bei Zimmertemperatur fermentiert das fein geschnittene Kraut ein paar Tage lang. Wichtig dabei ist, dass der Kabis immer mit Flüssigkeit bedeckt ist und kein Sauerstoff dazukommt. Milchsäurebakterien sorgen für die Umwandlung zu Sauerkraut. Ähnlich kann man Randen oder Rüebli fermentieren, diese müssen dann aber in eine zwei-, dreiprozentige Salzlake eingelegt werden.
Das Noma geht mehrere Schritte weiter und fermentiert Stachelbeeren, stellt Balsamessig mit schwarzem Knoblauch oder ein Miso mit Haselnuss her – zum Teil aufwendig unter strenger Kontrolle der Temperatur. Auf über 450 Seiten breiten die beiden Autoren René Redzepi und David Zilber ihre Rezepte aus, die in Kapitel wie milchsauer eingelegte Früchte und Gemüse, Kombucha, Essig, Garum oder schwarze Früchte und Gemüse unterteilt sind.

Die Arbeiten am Buch verliefen auf zwei Ebenen, wie Troxler erzählt. Zum einen galt es, kleine Zeichnungen zu fabrizieren, die den Text ergänzen. Diese illustrieren und verdeutlichen. Im Unterkapitel «Die Mikroorganismen zu Tisch bitten» zum Beispiel stellt Troxler mit wenigen Strichen Bakterien, Pilze oder Enzyme dar. Mikroskopische Fotografien wären zur Bebilderung hier eine Alternative gewesen. Sie würden eine Wissenschaftlichkeit vorgaukeln, die das Buch nicht ausstrahlen will.
Troxlers Zeichnungen verleihen dem Werk damit einen eigenwilligen Ausdruck. Zusätzlich zu diesen Zeichnungen erzählt die Illustratorin in Miniaturen kleine Geschichten – wie die Fermentation funktioniert, welche Zutaten es braucht. Auch hier ist die Anlehnung an ihre Tageszeichnungen sichtbar. Beiderorts ist ihr wichtig, dass sich Zeichnung und Text ergänzen.
Eine Philosophie, die sich deckt
Zum anderen hat Paula Troxler zum Auftakt jedes Kapitels ganzseitige Illustrationen angefertigt. «Vorgaben hatte ich dabei nicht. Im Gegenteil: Niemand konnte mir sagen, was sie von mir wollten.» Das gab ihr Freiraum, um eigene Ideen zu entwickeln. «Das entspricht wohl auch der Philosophie des Noma: Man darf ausprobieren, eine eigene sinnliche Sprache entwickeln.» Parallelen sieht Troxler zu ihrer Arbeit: Das Noma hat ein eigenes Laboratorium, in dem Köche mit fermentierten Lebensmitteln frei experimentieren können.
Paula Troxler liess sich von ihrer Intuition führen. Die erwies sich offenbar als treffend. Denn ändern musste sie kaum einen Vorschlag.
Das Noma-Handbuch Fermentation, René Redzepi & David Zilber, Kunstmann-Verlag, 55.90 Fr. Abreisskalender mit Tageszeichnungen, 30 Fr., www.paulatroxler.com/everyday
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