Samstagsgespräch mit Carolin Emcke«Sputnik? Her damit»
Deutschlands berühmte linke Publizistin spricht über Corona als politische Chance, das Impfen – und einen irritierenden Zürich-Besuch im Herbst.

Sie haben ein Corona-Tagebuch geschrieben. Für wen?
Die Pandemie war zu Beginn ein Schock für alle. Das Schreiben hilft, eine solche Zeit auch zu verstehen und zu reflektieren: als meine subjektive Erfahrung, aber auch als soziale und politische Zäsur.
Sie beschreiben im Buch auch Ihre Lockdown-Routine. Das klingt so: «Erst Tee, dann Bach, dann beides.» Corona als erholsames Entschleunigungsprogramm – das ist nur einem privilegierten Teil der Gesellschaft vergönnt.
Ich bin sehr viel in Kriegsgebieten gewesen, in denen es zwar Tee, aber keinen Bach gab – glauben Sie mir, ich bin schon dankbar für das Aufwachen ohne Gewalt oder Gefahr. Aber im Buch ist dieser Morgen mit Bach gerade keine Routine, sondern die Ausnahme: als Mittel gegen Angst und innere Bedrängnis. Das Tagebuch versucht beides: die Schatten im Privaten zu beschreiben, aber auch immer zu anderen Menschen, anderen Weltgegenden hinzudenken. Aber natürlich ist auch mein beschütztes Leben unterbrochen und belastet.