Autocorrect, du Astloch!
Unser Autor begab sich in die Untiefen der automatischen Textunterstützung. Dabei hat er subtile Verschlimmbesserung und abstrakten Humor gefunden.

Lieber Gruss zurück, wenn du noch jemanden brauchst. Ich weiss gar keinen Unterschied zwischen Kiosk und authentisch. So, Uschi, ist das Wetter hier und heute geht leider erst nächste Zeit zum Hochzeitstag. Findest du das mit dem Anhänger zu viel Arbeit für deine Liebe?
Diesen Einstieg habe ich mithilfe der Textunterstützung eines Android-Smartphones erstellt. Toll geworden, oder? Ich habe jeweils ein mir vom Programm vorgeschlagenes Wort ausgewählt, ein paar Buchstaben getippt, wieder einen Vorschlag gepickt und schliesslich selbst entschieden, wann ich den Satz beende. Die Textunterstützung, auch Autocorrect genannt, spuckt, kaum habe ich etwas aufs Display gepatscht, jeweils eine Handvoll Varianten aus, selbst solche mit anderen Anfangsbuchstaben – man könnte sich ja vertan haben (darum eben auch «autocorrect»). Wählt man eines davon aus, lassen sich gleich weitere anfügen. Das Programm schlägt, so nehme ich an, aufgrund eines Algorithmus Möglichkeiten vor, die man schon einmal in Kombination mit dem bereits vorhandenen Wort verschickt hat. Auch wenn ich mich nicht erinnern kann, jemals Uschi erwähnt zu haben. Ich kenne keine Uschi.
Hassliebe auf den ersten Klick
Was das alles soll? Gegenfrage: Woher soll ich das wissen? Mir ist aufgefallen, dass Autocorrect ein perfides Programm ist, das mir immer wieder in die Quere kommt. Nennen wir es eine Hassliebe. Denn ich bin froh um die Unterstützung beim Nachrichtenschreiben auf dem Handy. Als einer, der sich noch das SMS-Verfassen auf einem Nokia 3310 mit ein-, zwei- oder dreimaligem Drücken auf dieselbe Taste angeeignet hat, es aber nicht mehr als die Mühe wert empfand, das zweihändige Zweifingersystem des Smartphones zu perfektionieren, bin ich ausgesprochen dankbar, bietet mir das Gerät praktisch auf halbem Weg das Wort an, das ich ohnehin suche.
Bleibe ich im Schriftdeutsch, läuft alles relativ rund. Relativ. Denn oft ist das Programm vorschnell, will schlicht den kürzesten Weg nehmen, und das ist dann falsch. Gebe ich «schönes» ein, nimmt es zum Beispiel an, dass ich «Wochenende» ergänzen will. Das will ich meistens, manchmal meine ich aber auch das Haar, und dann habe ich Pech gehabt. Zusammengefasst: Autocorrect ist raffiniert – und dumm.
Schweizerdeutsche Pein
Oft nimmt es mir beim Schreiben den Floh, 'Tschuldigung Flow. Etwas, das mir eigentlich helfen sollte, lähmt dann nur. Und mir kommt es vor, als würde ich mich mit dem Vorsatz, schneller zur Kasse zu gelangen, in eine andere Schlange einreihen, nur um dann später dranzukommen. Und schreibe ich mal Schweizerdeutsch, wird es zur Pein. «Morn» wird «Morbus», «gseit» wird «gleiten», wie soll da eine vernünftige Unterhaltung zustande kommen?
Klar, ein Programm kann nichts dafür. Es ist nur so schlau wie sein Benutzer. Und schlau oder, besser gesagt, geduldig genug war ich nie, etwa meine Insider-Begriffe zu speichern, sodass Autocorrect sie erkennt, oder anderweitig dem Programm zu helfen, damit es sich verbessert. Will sagen: Es gibt sicher Leute, die mit der Schreibhilfe zurechtkommen. Ich bin keiner davon.
Betrachten Sie diesen Text darum als Retourkutsche. Für einmal stellt das Autocorrect nicht mich bloss, indem es etwa aus «bisch au ume?» ein «Bischof auch unentschieden?» macht, nein, diesmal blamiere ich das System.
Einmal zu schnell die Leertaste gedrückt, und schon steht da wieder «viskos» anstatt «bisous».
Ich stehe mit meiner Absicht nicht allein da. Vor kurzem sah ich einen Post von @twitterperlen mit dem Aufruf, beliebige Sätze zu bilden, indem man jeweils das mittlere von Autocorrect vorgeschlagene Wort verwendet. Dabei kamen grandiose Texte zustande wie «Und wir haben uns beiden als neu angezeigt und wir waren der festen Überzeugung dass du anscheinend einfach mitzufeiern dich voll nicolemässig selber ausgeschlossen hast».
Haha. Ich mach das jetzt auch: «Wollte nur mal so richtig in Erinnerung habe ich auch nicht mehr so viel wie möglich zu halten und die anderen beiden Seiten des Tages noch nicht so fit und munter weiter zu machen und dann noch die Möglichkeit die ich nicht mehr so viel wie möglich zu halten.» Echt jetzt, Autocorrect? Da konnte ich ja schon in der ersten Klasse besser schreiben. Peinlich.
Zugegeben, das war gemein. Versuchen wir also mal, einen möglichst sinnvollen Satz zu bilden. «Ich habe mich sehr gefreut, dich zu sehen. Das war ein schöner Tag.» Nicht schlecht. Simpel und romantisch scheint Autocorrect draufzuhaben.
Aha, ich habe gerade bemerkt, hier lässt sich ja das Häkchen bei «automatisch ersetzen» rausnehmen – das verringert die Gefahr, etwas zu schreiben, das man gar nicht schreiben wollte. Das vermindert aber auch die Funktion des Programms, Fehler auszumerzen. Ich sag ja, die Schreibhilfe ist eine mehr als zwiespältige Sache.
Omas Wehrmachtsgeschenk
Auf unzähligen Seiten im Web kann man zudem nachlesen, wie Autocorrect den Leuten die Schreibe verschlimmbessert und das Leben schwermacht. Dabei ist ziemlich sicher mehr als die Hälfte gelogen. Im Ernst, sollen wir wirklich glauben, dass sich folgender Dialog so zugetragen hat? «Roland Strumpf hat die katastrophal besoffen.» – «Wer ist Strumpf? Wer hat sie katastrophal besoffen?» – «Strumpf ist doch der neue Student von Paprika!» Come on! Fake-News sind schon schlimm genug, aber Fake-Gags? Nicht mal Autocorrect ist so schlecht, das so treffend zu vergeigen. Das Programm vermaledeit viel subtiler, auch mehrmals hintereinander. Einmal zu schnell die Leertaste gedrückt, schon steht da wieder «viskos» statt «bisous».
Mittlerweile gibt es sogar Bücher mit Autocorrect-Stilblüten, zum Beispiel jenes mit dem Titel «Hast du schon ein Wehrmachtsgeschenk für Oma?» und darin Perlen wie «Schatz, wie viel Hosen Tomatensauce brauchen wir?». Na ja, eigentlich disqualifiziert sich Autocorrecht viel besser selbst, als wir es veräppeln können.
Und manchmal, wenn mir etwas philosophisch zumute ist, kommt mir die Trotzigkeit des Programms wie ein Aufbegehren vor; als würden sich die Maschinen gegen uns erheben. Etwas, das wir geschaffen haben, um uns das Leben zu erleichtern, wendet sich gegen uns. Womöglich übertreibe ich da jetzt aber auch.
Gern hätte ich übrigens den ganzen Text mit Autocorrect geschrieben. Das war leider nicht möglich. Hätte ich das getan, sprich: nur mir vorgeschlagene Wörter verwendet, sähe der erste Satz dieses Abschnitts nämlich so aus: Gerne würde ich auch schon die erste Mail an mich wenden.
Haha, Autocorrect, du Astloch!
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