Da sticht Zürichs Geschichte ins Auge
Das Haus, erzählt vom Wandel der Stadt. Einst lagerte dort Geld im Tresor und RAF-Terroristen überfielen es, heute sind darin Kleider fein drapiert.

In einem Modegeschäft erwartet kaum einer ein Stück städtische Vergangenheit. Im Untergeschoss des Gebäudes an der Bahnhofstrasse 53, jenes lang gezogenen Eckbaus seewärts an den St.Annahof anschliessend, sticht die Geschichte ins Auge: acht Tonnen Panzertür in Kornblumenblau gestrichen und golden umrandet. Daneben blaue Pullover und goldbraune Jacken in diversen Grössen sorgfältig an Kleiderständern drapiert.
Wo früher Geld eingelagert und mit Geld gehandelt wurde, verkauft COS, eine Marke der H&M-Gruppe, seit einem Jahr schlichte und bezahlbare Mode von der Stange. Im Tresorraum, in dessen Vorraum und in der Schalterhalle auf 800 Quadratmeter Fläche. Das verleitet zum Gedanken, statt Wertgegenständen gelten heute Kleidungsstücke als neue Geldanlage, stünde Mode für die Stabilität dieser Stadt.
Die Zürcher Architektin Tilla Theus hat das denkmalgeschützte ehemalige Bankgebäude an der Bahnhofstrasse im Auftrag der Axa-Winterthur renoviert und die Entwicklungen in Buchform dokumentiert. (Neben dem Modegeschäft gehören eine Kanzlei und ein Optikergeschäft zu den Hauptmietern.)
Überfall von RAF-Teorroristen
Das Haus steht für eine Zeit, in der ein Bankbau eine Mischung aus Standhaftigkeit und Noblesse verkörpern musste, damit die Kunden dem Unternehmen das Geld anvertrauten. Von aussen wirkt der Baukörper eher massiv und kompakt. Die Natursteinböden mit grossen Ornamenten, die mit verzierten Terrakottaplatten eingekleideten Raumpfeiler, die runden Treppenhäuser oder das getäferte Sitzungszimmer im Obergeschoss verleihen dem Bau den nötigen Glanz.
Die Volksbank hatte das Gebäude 1924 für seine 250 Mitarbeiter erbauen lassen. Weil sich die Wettbewerbsjury nicht auf ein Neubauprojekt einigen konnte, realisierten Otto Honegger und Hans W. Moser den Bau gemeinsam. Der Grundriss trägt die Handschrift Honeggers, Fassade und Wendeltreppe stammen von Moser. Bekannt wurde das Gebäude 1979. In diesem Jahr überfielen RAF-Terroristen die Bank. Die Schalter waren zu jener Zeit noch wenig gesichert. Die Täter flohen mit gut 470'000 Franken Beute.
Auf demselben Grundstück hatte die Bank mit viel Aufwand bereits einen Neubau realisiert. Die Berner Bank war 1877 nach Zürich gekommen und hatte Richtung Bahnhof ihre erste Zürcher Filiale eröffnet. Sie wurde bald zu klein, das Grundstück mit Haus an der Pelikanstrasse 2 bot sich an. Um auf dem Land einen Bau nach eigenen Bedürfnissen erstellen zu können, liessen sie das Haus Grabenegg abtragen und an der Freiestrasse 90 wieder aufbauen, wo es heute noch steht.
Die wöchentliche Kolumne «Bauzone» widmet sich den vielen ausgefallenen, spannenden, hässlichen oder irgendwie schrägen Häusern, die überall im Kanton Zürich stehen. Sämtliche über hundert bisher erschienenen Beiträge finden sie hier: bauzone.tagesanzeiger.ch
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