«Ich baue an, was ich esse»
Masha Malashkevich überwindet eine Lebenskrise, indem sie für ein Jahr als Bäuerin arbeitet. Bald will sie zurück in die Stadt ziehen.

Sie leben bei der Felsenegg, hoch über Zürich, fernab von Autos und Lärm auf einem Hof. Ein wunderbares Aufstehen am Morgen?
Oh ja, ich wache wie die Kühe mit der Sonne auf. Danach trinke ich einen Kaffee mit frischer Milch, die der Bauer gerade geholt hat. (lacht)
Ist es hier wirklich so idyllisch?
Für mich schon. Klar habe ich auch mal den Koller wegen der harten Arbeit. Dann aber sag ich mir: Hey, schau, wie schön es hier ist, so nah bei den Tieren und der Natur. Das ist mir extrem wichtig. Ich baue an, was ich esse.
Sie haben alles?
Fast. Zu 80 Prozent versorgen wir uns selber. Wir haben auch einen Forst, wo wir im Winter holzen.
Sind Sie die geborene Bäuerin?
Nein, ich habe in der Stadt gelebt, im Service gearbeitet und studiert. Aber ich wollte schon immer in der Landwirtschaft arbeiten, habe sogar von einem eigenen Hof geträumt. Als Kind fuhr ich im Sommer jeweils aufs Landgut meiner Grosseltern in Russland.
Ist das Bauernleben streng?
Extrem. Man sagt, die Bauern jammern immer. Ich verstehe das, manchmal tut wirklich alles weh. Dann möchte ich den Overall gegen schicke Kleider tauschen.
Wie sieht Ihr Tag aus?
Der Tag beginnt mit Ausmisten. Das ist mein Fitnessprogramm bis zur Znünipause. Dann geht es aufs Feld. Im Sommer heisst das: Blacken stechen und heuen bis in den Abend hinein; im Herbst ernten, Weiden umzäunen und die Tiere ins Winterlager bringen. Dafür brauchts die ganze Mannschaft, denn meine Schönheiten sind wild.
Meine Schönheiten?
Das sind die Kühe! Und die Kälber nenne ich meine Süssen. (lacht)
Haben Sie keine Mühe, Ihre Süssen zu essen?
Bevor ich vor einem Jahr hierherkam, war ich Vegetarierin. In der Stadt ging das. Hier, mit der körperlichen Arbeit, reicht mir eine rein pflanzliche Ernährung nicht. Ausserdem sehe ich, wie gut die Tiere auf unserem Demeter-Betrieb gehalten werden.
Wie sind Sie hier gelandet?
Das war eine Fügung. Ich hatte eine Lebenskrise, war in einer Klinik und wollte mich auf einen Hof zurückziehen. Diesen Betrieb der Stiftung Puureheimet Brotchorb kannte ich nicht. Ein Freund erwähnte den Namen. Nach zwei Wochen Schnuppern wollte ich bleiben.
Wer lebt hier?
17 Menschen. Wir sind alle hier, um wieder auf den Boden zu kommen. Jeder hat eine Bezugsperson für regelmässige Gespräche. Wir werden nach unseren Kräften auf dem Hof eingesetzt, die Arbeit hat auch therapeutische Aspekte. Bei der Bewirtschaftung der 41,5 Hektaren Nutzfläche und der Pflege der vielen Tiere werden wir von Bauern, Lehrlingen, Praktikanten und Zivis unterstützt.
Wie läuft das Zusammenleben?
Das ist nicht immer einfach. Jeder ist sehr mit sich selber beschäftigt. Es gibt Gruppenräte, in denen Konflikte gelöst werden. Die Zeit auf dem Hof hat mich sozialer gemacht. Ich fühle mich ernst genommen. Vor einem Monat konnte ich in eine externe 3er-WG ziehen. Ich habe hier einen normalen Arbeitsvertrag – dazu gehört auch ein Selbststudium.
Selbststudium?
Ich habe mich in Umweltwissenschaft weitergebildet, bin aber zum Schluss gekommen, dass ich etwas mit meiner Kunst, der Fotografie, machen möchte.
Leiden Sie nie unter Landkoller?
Es ist ein Segen, hier zu sein: weg von der Stadt, aber in einer Stunde dort. In der Natur konnte ich zu mir selber finden, war nicht abgelenkt. Die Stadt hat schon einen Sog. Ich geniesse es, am Morgen das Brot mit dem Frischkäse der Ziege, dich ich selber gemolken habe, zu bestreichen. Aber ich spüre, dass ich nach einem Jahr zurück in die Stadt, zur Kultur, möchte – bald, im Frühling.
Erstellt: 18.01.2015, 19:11 Uhr
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