Bezirk darf auf Unesco-Titel hoffen
Die Überreste der Pfahlbausiedlungen haben gute Chancen, zum Weltkulturerbe erkoren zu werden.
Von Nicole Trossmann An den Gestaden des Zürichsees finden sich, im Wasser verborgen, Stätten jahrtausendealter Pfahlbausiedlungen. Im Bezirk Meilen sind es zwanzig. Zwei davon, jene in Erlenbach-Winkel und jene in Obermeilen-Rohrenhaab, sind zusammen mit jener vom linken Ufer bei Wädenswil im Rennen um den Titel «Unesco-Weltkulturerbe». Die Fundstätten sind Teil einer gemeinsamen Kandidatur der Schweiz mit Frankreich, Deutschland, Italien, Österreich und Slowenien. In diesen Ländern nämlich wurden an rund 1000 Orten Reste von Pfahlbausiedlungen entdeckt. Mit über 100 dieser Fundstellen haben sich die sechs Länder unter dem Titel «Prähistorische Pfahlbauten der Alpen» um die Aufnahme ins Unesco-Weltkulturerbe beworben, das zurzeit weltweit rund 700 Stätten zählt. Morgen Samstag soll der Entscheid fallen. Denn momentan tagen die Unesco-Delegierten in Paris, wo sie über die mögliche Aufnahme 37 neuer Welterbe-Stätten beraten. Unter den Kandidaten ist die Schweiz, ebenfalls in einer gemeinsamen Kandidatur mit anderen Ländern, gleich zweimal vertreten: neben den Pfahlbau-Funden nämlich mit dem architektonischen Werk des schweizerisch-französischen Architekten Le Corbusier. Mord in Feldmeilen Entdeckt wurden die Funde im Zürichsee durch Zufall: Im Winter 1853/54 hatte der Zürichsee extrem wenig Wasser. So stiess man bei Aufschüttungen am Ufer auf Pfähle, Steinbeile und Geräte aus Geweih. Die jahrtausendealten Reste von Pfahlbausiedlungen zeugen von Menschen, die zwischen 4300 und 850 vor Christus hier lebten. «Die Menschen damals suchten die Nähe zum See aus praktischen Gründen – nicht der Aussicht wegen», sagt Markus Graf, stellvertretender Kantonsarchäologe. Das Klima änderte sich damals, sodass der Seespiegel sank und untiefe Strandpartien trockenlegte. Das war ideales Siedlungsgebiet: Die Leute mussten nicht roden und fanden Fische quasi vor der Haustür. Zudem wurde der See als Wasserstrasse intensiv genutzt; am See fand das Leben statt. So nah am Wasser zu wohnen, barg aber auch Risiken. Etwa, wenn im Frühling die grosse Schneeschmelze einsetzte. «Die Leute nahmen in Kauf, den See im Wohnzimmer zu haben», sagt Graf. Der Seespiegel sank jedoch nicht immer bald wieder ab. Dann gaben die Menschen das Dorf auf und zogen in höhere Regionen. Die Häuser fielen in sich zusammen, Sand und Schlamm schlossen die Siedlungsreste luftdicht ab. So wurde das Material für Tausende von Jahren ausgezeichnet konserviert, und die Forscher fanden Werkzeuge und Geräte aus Stein, Knochen und Geweih, Bronze, Schüsseln, Schalen und Schöpfer aus Holz, Schmuck aus farbigen Steinen, gelegentlich Perlen aus Glas. Warum die Leute mitunter wertvolle Geräte einfach zurückliessen, ist nicht geklärt. «Vielleicht dachten sie, sie kämen wieder zurück. Oder sie wurden überfallen und mussten Hals über Kopf fliehen.» In Feldmeilen fanden Forscher ein auf dem Bauch liegendes Skelett mit einer Pfeilspitze zwischen den Schultern. «Dieser Mensch wurde offensichtlich von hinten erschossen», erzählt Graf. Stätten gefährdet In Paris indes befinden die Unesco-Delegierten nicht nur über die Aufnahme neuer Kandidaten ins Welterbe. Sie diskutieren ebenso darüber, dass es je länger, je schwieriger wird, historisch wertvolle Stätten zu schützen. Darum analysieren sie den Stand von 169 Welterbe-Stätten im Detail, denn 34 davon befinden sich bereits heute in Gefahr, unwiederbringbar zerstört zu werden. Zurzeit aber hoffen Forscher wie Kantonsarchäologe Beat Eberschweiler vor allem auf einen positiven Bescheid aus Paris: «Die Anerkennung als Unesco-Weltkulturerbe wäre ein willkommener Impuls für den Schutz dieser einzigartigen Quellen.» Zwei Archäologietaucher untersuchen die Reste einer frühbronzezeitlichen Pfahlbausiedlung (um 1600 vor Christus) in Zürichsee. Foto: Kantonsarchäologie Zürich
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