Das Ende der Pauschalsteuer ist kein Ende mit Schmerzen
Am Fall des Milchbarons Theo Müller in Erlenbach zeigt sich: Der Wegfall der Pauschalsteuer tut weder den Goldküstengemeinden noch den Superreichen weh – und die Steuerberater freut er sogar.
Von Linus Schöpfer Die Neuigkeit war für einmal, dass nichts passierte: Der milliardenschwere deutsche Unternehmer Theo Müller («Alles Müller, oder was?») zog nicht nach Monaco oder Zug, sondern wohnt entgegen allen medialen Ankündigungen und Spekulationen weiter in seiner Erlenbacher Villa. Müller zahlt seine Steuern damit auch nächstes Jahr an der Goldküste – obwohl ihm das Privileg der Pauschalbesteuerung abhanden kommt. Diese wird per 1. Januar 2011 abgeschafft. Offenbar lebt Müller in Erlenbach nun sogar zu besseren fiskalischen Konditionen denn je, wie unlängst bekannt wurde (TA vom 11.10.). Alle Welt fragt sich seither, wie Müller das gemacht hat – nicht zuletzt vermögende Ausländer, die glauben, dass sie hier zu viele Steuern zahlen. Für Treuhänder Marco G. Walser, der an der Goldküste zahlreiche Klienten in Steuerfragen berät und Kanzleien in Zürich, Freienbach SZ und Zug unterhält, ist die Antwort auf die Frage kein grosses Geheimnis. Die Pauschalsteuer sei zwar einfach, sicher und auf mehrere Jahre hin angelegt, dabei aber keineswegs immer die finanziell günstigste Lösung, wie sich am Beispiel Müller zeige. Die Vorzüge regulärer Steuern Wer sich für die Pauschalsteuer entscheide, verzichte auf die Vorzüge einer ordentlichen Steuer, erklärt der Treuhänder. Beispielsweise sei es dann nicht mehr möglich, über ein Doppelbesteuerungsabkommen die Quellensteuer zurückzufordern; Quellensteuern auf ausländische Dividendengewinne würden vom jeweiligen Fiskus vollständig einbehalten. «Ich habe Kunden schon davon abgeraten, sich pauschal besteuern zu lassen», verrät Walser. Von der Pauschalsteuer hätten vor allem jene Reichen Gebrauch gemacht, die den grossen Aufwand einer ordentlichen Steuerklärung vermeiden wollten, sagt Walser. Unternehmer wie Theo Müller seien international derart stark und kompliziert verflochten, dass ihre jährliche Steuererklärung stapelhoch ausfalle. In der Folge steige die Gefahr von Detailfehlern rapide, so Walser. «Es gibt halt nur falsch ausgefüllt oder richtig ausgefüllt.» Wegen Kleinigkeiten könne der Steuerzahler so leicht in ein juristisches Verfahren verwickelt werden. Für den Übergang von der Pauschalbesteuerung zu einer ordentlichen Besteuerung biete sich die Einrichtung einer Holdinggesellschaft an. Mit einer solchen Dachgesellschaft könne die komplexe Steuererklärung wieder vereinfacht werden, indem ein Teil der Verpflichtungen in die Holding ausgelagert werde, erklärt Walser. Eine Holding ermögliche es überdies, die Versteuerung auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben (nämlich bis das Geld von der Holding an die Privatperson überwiesen werde). Weitere gewichtige Abzüge seien über die Pensionskassen oder die Lebensversicherung zu erreichen. «Vor der Steuerrechnung sind viele Goodies zu sammeln – für Büezer ebenso wie für Topmanager», meint Marco Walser. Man müsse sich im Klaren sein, dass Pauschalbesteuerungen in Zürich immer extrem selten gewesen seien, betont Walser. «Diese Steuer wird allgemein stark überschätzt «– sie macht den Braten nicht feiss.» «Hier wurde doch getrickst» Eine Einschätzung, welche von Behörden der Goldküsten-Gemeinden bestätigt wird. Martin Byland etwa, Finanzvorsteher der Gemeinde Zollikon, die immerhin 8 von 13 Pauschalbesteuerten bereits verloren hat, erwartet keine durch die Abschaffung der Steuer bedingten negativen Auswirkungen. SP-Bezirkspräsident Hanspeter Göldi hat eine Erklärung parat für den ausbleibenden Einnahmeneinbruch. Die Goldküste habe es gar nicht nötig, mit Dumping-Angeboten wie der Pauschalsteuer zu locken. Wichtig sei vielmehr, das Steuernetz zu straffen und die Finanzbehörde aufzustocken. «So ein Fall wie derjenige von Herrn Müller macht mich echt wütend. Es ist offenkundig, dass hier getrickst wurde.» Es könne nicht angehen, dass die Verwaltung immer wieder aufs Neue von den Spitzenanwälten der Reichen überrumpelt werde. Riesenpulk von Beratern Tatsächlich könnte die Abschaffung der Pauschalsteuer für Bewegung in der Zürcher Finanzadministration sorgen, da die Vermögenswerte einiger bis dato pauschal besteuerten Reichen neu eingeschätzt werden müssen. «Es ist davon auszugehen, dass reiche Personen wie Herr Müller jetzt genau deswegen einen Riesenpulk von Steuerexperten beschäftigen», vermutet Walser. Die Abschaffung der Pauschalsteuer bringe mehr Aufträge für Finanzberater, da sie meist fünf Jahre Gültigkeit hatte, die ordentliche Steuererklärung dagegen jedes Jahr neu ausgefüllt werden muss. Göldis Verärgerung über Müllers clevere Steuerberater kann Walser nicht nachvollziehen. Der Spielraum für fiskalische Tricks sei viel kleiner und gefährlicher als gemeinhin angenommen – «das lohnt sich nie und nimmer.» Es sei doch ganz einfach, führt Marco G. Walser aus: «In der Schweiz werden die Steuergesetze immer noch vom Volk bestimmt. Und wenn das Volk die Gesetze ändert, dann passen wir Steuerberater uns den neuen Begebenheiten an.» «Die Pauschalsteuer ist keineswegs immer die günstigste Lösung. Ich habe Kunden schon davon abgeraten.» Marco G. Walser, Treuhänder
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