Die Parteilosen sind schwer einzuordnen
Ein Drittel der Gemeinderäte im Kanton Zürich gehört keiner Partei an. Im Bezirk Bülach sind es deutlich weniger, im Bezirk Dielsdorf deutlich mehr. SVP und FDP dominieren im Unterland.
Gemeindewahlen (6)
Unterland - Landesweit und kantonal sind die politischen Parteien deutlich wahrnehmbar. Auf Gemeindeebene verlieren sie zunehmend an Kraft und treten oft nur noch marginal in Erscheinung. Dafür nimmt die Zahl der parteilosen Gemeindepolitiker ständig zu.
Im Kanton Zürich gehört bereits ein Drittel der Exekutivmitglieder keiner Partei an (siehe Grafik). Im Zürcher Unterland ist dieser Prozess bereits weiter fortgeschritten. Im Bezirk Dielsdorf sind 50 Prozent aller Gemeinderätinnen und Gemeinderäte parteilos. In Niederweningen ist die gesamte Exekutive ohne Parteimitgliedschaft. In Oberembrach ist es die Mehrheit, wobei der Bezirk Bülach mit einer Parteilosenquote von knapp 25 Prozent noch unter dem kantonalen Schnitt liegt.
Wählergruppen statt Parteien
Immer mehr Gemeindepolitiker kehren ihrer Partei den Rücken, vor allem dann, wenn sie von dieser nicht mehr portiert werden. Der Klotener Stadtrat Ueli Studer (ex FDP) ist das jüngste Beispiel. Es gibt auch Politiker, die sich von einer Partei oder Gruppierung aufstellen lassen, aber mit dem ausdrücklichen Hinweis «parteilos». So Gemeindepräsident Pier-Luigi Quattropani auf der Liste der Vereinigung freier Bürger (VfB) in Glattfelden. Das ist ein weiteres Phänomen: Es sind in verschiedenen Gemeinden Wählergruppierungen entstanden, denen sich auch ehemalige Mitglieder einer Partei angeschlossen haben. Diese Gruppierungen haben parteiähnlichen Charakter, sind aber im Links-rechts-Schema oft schwer einzuordnen. Erstaunlich schwer tun sich im Unterland die Lokalgruppierungen von national bekannten Parteien wie die Grünen, die Grünliberalen und die Bürgerlich-Demokratische Partei (BDP).
Die Parteilosigkeit dominiert in der Regel vor allem in kleineren Gemeinden, wo man sich noch kennt und wo es für eine erfolgreiche Wahl keine grösseren, kostspieligen Kampagnen braucht. So liegt im Bezirk Bülach der Anteil der Parteilosen in Landgemeinden mit weniger als 2000 Einwohnern auch bereits bei 53 Prozent, im Bezirk Dielsdorf gar bei 68 Prozent.
Mit dem Wegfall der klassischen Parteien wird die Politik nach Auffassung von Soziologe Urs Meuli unberechenbarer und zufälliger. Es werde für die Bürger und Wähler, aber auch für die Medien zunehmend schwieriger, zu erkennen, für welche Werte und Ziele die Behörden einstünden. Die angestammte politische Kultur der Auseinandersetzung gehe verloren, und es bestehe die Gefahr, dass das politische Interesse der Bürger weiter abnehme. In Rafz wollten nicht alle Parteien an einem Podium teilnehmen. In Höri zog die amtierende Gemeindepräsidentin plötzlich ihre Kandidatur zurück, weil sie sich den Wahlkampf ersparen wollte.
Parteien verlieren Fundament
Über die Folgen der Parteilosigkeit kann man vorläufig nur Mutmassungen anstellen. Urs Meuli glaubt, dass die Landesparteien gar noch nicht gemerkt haben, was sich an der Basis abspielt. Die Parteien würden aber langfristig das Fundament der dreistufigen Demokratie verlieren. Das Reservoir an Nachwuchskräften werde so geleert. Man werde nicht nur in den Gemeinden Probleme haben mit der Bestellung von Kommissionen und Behörden, sondern es werde auch der Nachwuchs auf kantonaler und nationaler Ebene fehlen. Die üblichen Politkarrieren von Stufe zu Stufe werde es nicht mehr geben. Parteilose neigten dazu, für vier bis acht Jahre ein Amt zu übernehmen, um dann wieder aus der Politik auszusteigen.
Doch auch wenn die Zahl der parteilosen Gemeinderäte zunimmt: Noch immer gehört gesamtkantonal die Mehrheit einer Partei an, meist der SVP oder der FDP. Gerade die FDP ist auf lokaler Ebene noch immer sehr stark - anders als auf nationaler Ebene, wo sie seit Jahren mit Wählerschwund zu kämpfen hat. «Die Zürcher Gemeinderäte sind klar bürgerlich dominiert», sagt Meuli. Sie stünden häufiger rechts der Mitte als andere Schweizer Exekutivmitglieder. Das mache es für Linke unattraktiv, sich wählen zu lassen. «Sie sind immer in der Minderheit, und das kann aufreibend sein.» Wenn ein Linker doch gewählt werde, komme er nicht darum herum, sich mit der Zeit an die Mehrheit anzupassen. So könne er seine Ideen zumindest teilweise in die Entscheidungen einfliessen lassen, sagt Meuli.
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