Die Seestrasse - ein ewiger Patient
Kaum ist eine Baustelle weg, folgt schon die nächste. Doch die Männer vom kantonalen Tiefbauamt tun alles, damit die Hauptverkehrsachse des Bezirks für Autofahrer und Anwohner erträglich bleibt.
Alle paar Jahre fährt Argus um den Zürichsee. Argus ist ein orangefarbener Transporter, der wie ein aufgerüstetes Schneeräumungsfahrzeug aussieht. Mit hochauflösenden Videokameras und Sensoren ausgerüstet, tastet Argus die Strasse ab. Er misst die Beschaffenheit des Asphalts, registriert Oberflächenmerkmale und berechnet die Spurrinnentiefe. Die Messwerte werden vom Bordcomputer erfasst und dienen als Grundlage für Sanierungsentscheide.
Das ist nötig, denn die Seestrasse am rechten Ufer scheint eine ewige Baustelle zu sein. Diesen Eindruck bekommt jeder, der den Lebensnerv des Bezirks Meilen Richtung Zürich oder Rapperswil regelmässig befährt. 22 Kilometer Asphalt winden sich das rechte Ufer des Zürichsees entlang. Gemeinde folgt auf Gemeinde an der dicht bebauten Goldküste.
Zwischen zwei Flaschenhälsen
Für die Spezialisten vom kantonalen Tiefbauamt ist die rechtsufrige Seestrasse ein Patient, an dem ständig herumoperiert werden muss. Für Sanierungs- und Unterhaltsarbeiten ist sie das typische Beispiel einer rollenden Planung. Derzeit wird die Seestrasse vor allem in Küsnacht und Männedorf saniert, in Meilen sind die Arbeiten teilweise bereits abgeschlossen (siehe Grafik).
Wird die Seestrasse auf einem Abschnitt saniert, gibt es für Autos und Lastwagen kaum Ausweichmöglichkeiten. Denn im Gegensatz zum linken Seeufer, wo die Autobahn A 3 einen wesentlichen Anteil an der Verkehrsentlastung in den Gemeinden hat, erfüllt die Forchstrasse auf der anderen Seite des Pfannenstiels diese Aufgabe kaum - sie ist schlicht zu weit weg.
Die Seestrasse am rechten Seeufer liegt zwischen zwei Flaschenhälsen - Zürich und Rapperswil. Bis zu 20 000 Fahrzeuge rollen täglich über den Asphalt. Je näher bei Zürich, desto grösser ist das Verkehrsaufkommen. Auch die Ansprüche der Bevölkerung würden mit jedem Kilometer näher zur Metropole steigen, denn «dort sind die Bewohner eindeutig anspruchsvoller», sagt Dirk Göbbels, Abteilungsleiter Projektieren und Realisieren beim kantonalen Tiefbauamt. Dadurch sei man mehr gefordert, «doch das gehört zu unserem Job». Die bauliche Verdichtung mache die Sache auch nicht einfacher, ergänzt Markus Walt, Sektionsleiter in Göbbels’ Abteilung. Da bleibe links und rechts der Strasse kaum Platz zum Ausweichen.
Man müsse den Verkehr aber irgendwie durch die Baustellen bringen, sagt Göbbels. Das sei eine spezielle Herausforderung - denn die Optionen, die normalerweise geprüft werden, stünden im Falle der rechtsufrigen Seestrasse, einer Staatsstrasse unter der Hoheit des Kantons, nicht wirklich zur Verfügung. Unter dem Primat der Sicherheit für Verkehrsteilnehmer und Anwohner werden folgende Möglichkeiten regelmässig überprüft:
Eine Sperrung setzt voraus, dass es Umfahrungsmöglichkeiten gibt. Umleitungen seien im Bezirk kaum zu realisieren. Es fehlt an geeigneten Strassen. Man könne den Schwer- und den Stossverkehr nicht durch Tempo-30-Zonen leiten, sagt Göbbels. Man sei mit den Gemeinden aber im ständigen Dialog, um Umfahrungsmöglichkeiten zu prüfen.
Aus den gleichen Gründen komme ein einseitiges Einbahnsystem nur an wenigen dafür geeigneten Stellen infrage.
Was bleibt, ist die Verkehrsregelung mittels Lichtsignalanlagen. Diese sind bei den Automobilisten wegen der langen Wartezeiten zwar unbeliebt, «aber die einzige realistische Möglichkeit», ist Göbbels überzeugt.
Im Dialog mit den Gemeinden
Voraussetzung für eine erfolgreiche Strassensanierung am See sei der konstruktive Dialog mit den Gemeinden. «Es herrscht ein riesiger Koordinationsbedarf, alle Bedürfnisse müssen auf den Tisch kommen», sagt Göbbels. Beispiel Küsnacht: Hier werden in den nächsten sechs Jahren 3 Kilometer Seestrasse saniert. Weil die Gemeindewerke gleichzeitig die Leitungen für Wasser, Abwasser, Gas und Telekommunikation erneuern, muss die Sanierung mit den lokalen Behörden abgestimmt werden - man will möglichst vermeiden, dass die Strasse mehr als einmal aufgebrochen wird. Dies erkläre auch die lange Dauer, welche die Sanierung in Anspruch nimmt, erläutert Göbbels. «Die Küsnachter Werke können hier nur 500 Meter pro Jahr bewältigen.» Es sei das Bestreben sowohl seiner Abteilung als auch des Strasseninspektorats, das für den Unterhalt der Strassen im Kanton zuständig ist, die Bauzeit so kurz wie möglich zu gestalten.
Mit der Bevölkerung wächst auch der Verkehr an der Goldküste. Der kantonale Richtplan sieht hierfür keine konkrete Lösung vor. Eines ist aber sicher: Eine Autobahn über den Pfannenstiel wird es vorläufig nicht geben, und der von vielen geforderte Seetunnel ist reine Zukunftsmusik.
ÖV wird immer wichtiger
Die Autofahrer müssen sich damit abfinden, dass die Seestrasse über Jahre hinaus die einzige Verkehrsachse entlang des Sees bleiben wird. Und die Pendler werden sich vermehrt die Frage stellen müssen, ob es nicht sinnvoller sei, ab Meilen im Zug zu stehen als ab Küsnacht im Stau. Für Rolf Vaqué, Leiter der für die Seestrasse zuständigen Unterhaltsregion des Tiefbauamts, ist klar: «Der öffentliche Verkehrs wird in den nächsten Jahren auch an der Goldküste deutlich an Bedeutung gewinnen.» Seestrassensanierung in Küsnacht: Jetzt wirds eng. Foto: Daniel Kellenberger
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