«Heirate ich nochmals, dann am Strand – barfuss»
Die Wedding-Planerin Judith Bellaiche aus Kilchberg ist ein Kontrollfreak und hat an Hochzeiten immer einen Teppichschneider dabei. Bei ihr gibt es Champagnerbrunnen, Bräute in Rot und – Dragqueens.
Mit Judith Bellaiche* sprachNicole Trossmann Frau Bellaiche, als Wedding-Planerin haben Sie seit 2005 schon Dutzende Hochzeiten organisiert. Sie selber sind seit genau einem Jahrzehnt verheiratet – wie sähe Ihr Fest aus, wenn Sie nochmals Ja sagen würden? Ich würde am Strand heiraten, barfuss. Wie war Ihre eigene Hochzeitvor zehn Jahren? Ich heiratete in Lausanne und trug ein schlichtes Seidenkleid; heute würde ich aber alles anders machen. Verstehen Sie mich nicht falsch: Meine Hochzeit war sensationell. Aber ich hatte damals natürlich keine Ahnung, was alles möglich ist. Was ist denn möglich? Eigentlich fast alles. Der Trend geht klar zur individualisierten Hochzeit: Beim Showact etwa habe ich schon Slam-Poetry-Künstler, Operndiven oder Edel-Dragqueens gebucht – oder eine Salsaband aus London einfliegen lassen. Manche Paare wünschen sich statt einer Hochzeitstorte einen Austernturm oder Champagnerbrunnen, sie wollen in Eisblöcke eingeschlossene Blumensträusse, riesige Klebetattoos an den Wänden oder einen langen weissen Teppich in der Kirche, auf dem vielleicht die Namen des Paares stehen, ein Gedicht, ein Wort. Wo kauft man so was? Ich bestelle die Läufer in Amerika. Diese Qualität findet man in Europa nicht. Ich nehme an, auch die Hochzeitskleider dürfen heute ausgefallen sein. Die meisten Frauen lassen sich den Traum in Weiss zwar nicht nehmen, aber viele entscheiden sich für Champagnerfarben oder ein zartes Rosé. Eine einzige Braut hatte ich bis jetzt, deren Hochzeitskleid feuerrot war. Gross im Kommen sind auch kniekurze Designerkleider. Pflegt die Braut den alten Brauch noch, je etwas Altes, Neues, Geborgenes und Blaues zu tragen? Zuweilen. Aber auch hier geht der Trend zur Individualisierung: Früher trugen viele Bräute ein blaues Strumpfband, heute wollen sie blaue Tagestattoos, ein blaues Steinchen im Piercing oder Stilettos, deren Sohlen übersät sind mit blauen Swarovski-Kristallen. Engländerinnen übrigens stecken sich zusätzlich dazu noch eine Münze in den Schuh. Ihre Branche ist beliebt. Die Zahlan Wedding-Planerinnen in der Schweiz explodierte. Absolut, auch der Ansturm auf die Ausbildung des Verbands Unabhängiger Schweizerischer Hochzeitsplaner (VUSH), dem ich angehöre, ist enorm. Viele junge Frauen machen sich jedoch ein völlig falsches Bild von diesem Beruf. Das Jö-Image, welches ihm anhaftet, ist längst überholt. Man denkt an Herzchen, Schleifchen, Schwänchen – dabei handelt es sich um topseriöse Arbeit. Immerhin vertrauen einem zwei Menschen den wichtigsten Tag ihres Lebens an und geben dafür sehr viel Geld aus. Dieser Verantwortung muss man gerecht werden. Und wie? Mit minutiöser Planung. Man muss über die Massen pingelig sein und nicht das winzigste Detail dem Zufall überlassen. Ich gebe es auch offen zu: Ich bin diesbezüglich ein Kontrollfreak. Sie scheuen sich auch nicht, eine Standesbeamtin so hartnäckig zu bearbeiten, bis Sie Ihren Willen haben. Was wäre die Alternative? Meinen Kunden mitzuteilen, dass ihre Hochzeit nicht stattfinden kann? Unmöglich. Damals war auf dem Standesamt kein Termin mehr frei. Ich stiess auf eine unerbittliche Beamtin, liess ein Nein aber nicht auf mir sitzen, rief dreimal täglich an, weinte vor Verzweiflung und textete die Standesbeamtin dermassen zu, bettelte und flehte. Bis sie schliesslich nachgab. Es war für die Gemeinde genauso von Vorteil; manche realisieren das nur nicht sofort. Ich betreue eine exklusive Klientel, und wenn diese einen sechsstelligen Betrag für ihre Hochzeit ausgibt, hat das überaus positive Auswirkungen auf die Gemeinde. Sie dürfen sich rühmen, die Hochzeit von James-Bond-Regisseur Martin Campbell und seiner Schweizer Verlobten Sol Romeroin Lausanne organisiert zu haben. Nicht schlecht. Die Hochzeit war unglaublich. Die Braut trug zwei verschiedene Hochzeitskleider, eines extravaganter als das andere, Prominenz aus Amerika wurde eingeflogen, und das Aufgebot an Sicherheitskräften war enorm. Dementsprechend belagerte auch eine Horde Journalisten die Hochzeit. Hatten Sie auch schon ein gleichgeschlechtliches Pärchen begleitet? Eines, ja. Beide trugen einen Hosenanzug in dunkler Schokoladefarbe und trumpften mit einer ganzen Schar an Brautjungfern auf, alle in auberginefarbenen Kostümen und mit englischen Hüten. Das Paar kannte selbst einen ehemaligen Pfarrer, der sie traute; ich hätte wohl Schwierigkeiten gehabt, einen zu finden. Heute entscheiden sich aber auch viele Paare für einen Mönch, einen Professor oder einen Autor. Welches ist eigentlich am Tagder Hochzeit Ihr unabdingbarer Begleiter? Einer? Ich habe Dutzende. Am Fest schleppe ich eine riesige Notfalltasche mit mir herum. Darin befinden sich Taschentücher ohne Ende, Traubenzucker, Baldriantropfen, Magentabletten, Puder, Haarspängeli, Sonnencreme, Mückenspray, ein grosser weisser Regenschirm, meterweise weisse Schleifen. Und Postich, Doppelklebeband, Sekundenkleber, Teppichschneider. Warum das? Vielleicht verliert die Braut eine Schleife, eine Ecke des Wandtattoos löst sich, der weisse Läufer aus Amerika stösst irgendwo an. Und welches ist für Sie das Highlight an einer Hochzeit? Die Trauung. In diesem Augenblick fügt sich das gesamte Puzzle zusammen, auf diese Minute haben alle monatelang hingearbeitet. Das Geschehen ist perfekt choreografiert, eine feierliche Spannung liegt in der Luft, alles wartet auf die Braut. Ich gebe der Musik ein Zeichen, und dann schreitet die Braut hinein, langsam, bedächtig, in voller Pracht. Jedes Mal fiebere ich mit ihr mit, bin ergriffen, Tränen stehen mir in den Augen. Es ist ein Moment von tiefer Magie. * Die Wedding-Planerin Judith Bellaiche (39) studierte Rechtswissenschaften an der Universität Basel und war in der Wirtschaft tätig. Die grünliberale Gemeinderätin von Kilchberg ist verheiratet und hat zwei Söhne. «Die Trauung. In diesem Augenblick fügt sich das gesamte Puzzle zusammen. Auf diese Minute haben alle monatelang hingearbeitet.» Judith Bellaiche, Wedding-Planerin Bei der Planung von Hochzeiten überlässt Judith Bellaiche nichts dem Zufall. Foto: Patrick Gutenberg
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