«In Stäfa gibt es keine Anzeichen für erhöhte Gewaltbereitschaft»
In letzter Zeit haben junge Männer mit einschüchterndem Auftreten für Aufregung im Dorf gesorgt. Der Kinder- und Jugendbeauftragte Thomas Baumann relativiert die Bedrohung.
Wird die hiesige Jugend rabiater und rücksichtsloser?
Die Auffälligkeit von Jugendlichen ist kein neues Thema. Chilbischlägereien und dergleichen gab es schon immer. Zurzeit liegt Stäfa absolut im grünen Bereich. Wir haben rund 1500 Jugendliche. Den harten Kern der Auffälligen bildet jedoch knapp ein Dutzend junge Erwachsene.
Sie sprechen von Auffälligkeit - warum sind diese Leute auffällig?
Das hat vielfältige Gründe. Sicher spielen Migration, Integration und Strukturlosigkeit ihre Rolle.
Diese Phänomene haben sich in den letzten beiden Jahrzehnten verstärkt. Ist die Auffälligkeit also neu?
Was meinen Sie damit?
Sprayereien. Oder den auf viele bedrohlich wirkenden Habitus.
Ja, das ist neu. Jugendliche, die einen Hang zur Auffälligkeit haben, orientieren sich heute an der gewaltverherrlichenden Hiphop-Kultur. Auffälligkeit an und für sich ist nichts Neues.
Und die Sachbeschädigungen?
Der Vandalismus ist ein Phänomen, das in der gesamten Gesellschaft zunimmt. Ich habe die jüngsten Zahlen einer Umfrage im Bezirk. Da zeigt sich, das Stäfa unter dem Schnitt ist.
Wie wird das gemessen?
Die Anzahl Anzeigen bei der Polizei gibt Aufschluss über die Menge von Littering und Vandalismus. Man schiebt das dann schnell Jugendlichen in die Schuhe. Diese lärmen zum Beispiel am Abend. Sind am Morgen Scheiben eingeschlagen, so werden sie beschuldigt. Es können aber auch andere Täter gewesen sein. Die Zahlen sind daher mit Vorsicht zu interpretieren.
Wie siehts bei der Gewalt aus?
Ich sehe keine Anzeichen für eine erhöhte Gewaltbereitschaft in Stäfa.
Die Gewaltbereitschaft ist doch grösser als früher. Eine Chilbischlägerei war ein Kampf Mann gegen Mann. Jetzt sind im Internet Bilder aufgetaucht. Da posieren Mitglieder einer Gang mit Waffen. Macht Ihnen diese Entwicklung keine Sorgen?
Die Information, es sei eine Waffe vorhanden, ist bei uns vor etwa 2 Jahren via verschiedene Seiten eingetroffen. Da heisst es schnell, es seien Waffen im Umlauf. Vielleicht ist es nur eine einzige Pistole, die irgendjemand einmal gesehen hat. Doch ist es eine Faustfeuerwaffe? Es könnte eine Softgun sein, die allerdings auch verboten ist. Das können Sie nur beurteilen, wenn Sie die Waffe in der Hand haben.
Nochmals: Beunruhigt Sie das nicht?
Doch, das ist beunruhigend. Aber es sagt nichts darüber aus, ob und wie viele richtige Waffen im Umlauf sind.
Wie sind Sie mit der Polizei vernetzt?
Es gibt das Gremium Puls, das aus Vertretern der Schulsozialbehörde und der Jugendarbeiten der Politischen und der Kirchgemeinden besteht und sich alle 6 Wochen trifft. Zweimal im Jahr wird es durch Kantons- und Kommunalpolizei ergänzt. Man tauscht sich aus auf der operativen Ebene. Zusätzlich trifft man sich regelmässig mit den Gemeindepolizisten zum Sicherheitskaffee. Man kennt sich, deshalb greifen wir zum Telefon, wenn es aktuelle Entwicklungen gibt. Die Fusspatrouille der Polizei ist auch mal zu Besuch im Zentrum Domino.
Nehmen wir an, es gibt ein Problem. Was kann die Gemeinde machen?
Es gibt zwei Ebenen. Einerseits klären wir präventiv die Bedürfnisse der Jugendlichen ab und versuchen, diesen wenn möglich zu entsprechen. Anderseits stellen wir Probleme fest, womit ein erster Teil der Massnahme bereits ergriffen ist. Es ist unser Auftrag, mit problematischen Jugendlichen physisch in Kontakt zu treten und Lösungen zu finden. Wir machen sie etwa darauf aufmerksam, dass es Räume gibt, in denen sie sich aufhalten können. Selbstverständlich gelten dort Regeln wie ein Alkoholverbot.
Wo zieht die Gemeinde die Grenze zwischen tolerierbarem und inakzeptablem jugendlichem Verhalten?
Zuerst müssen wir definieren, was Jugendliche sind. Für mich sind sie maximal 18 Jahre alt. Danach gelten sie als junge Erwachsene. Die abendliche Problematik am Bahnhof betrifft diese Altersklasse. Auch die Gruppe, die im Spittel Probleme gemacht hat, besteht aus über 18-Jährigen.
Das sind Fragen der Definition. Wo aber ziehen Sie also die Grenze des Tolerablen?
Problematisch wird es erst, wenn ein Straftatbestand erfüllt ist. Allgemein wollen wir den Jugendlichen zeigen, dass man sich für sie interessiert und weiss, dass sie da sind. Es geht nicht darum, sie zu vertreiben. Eine Unterführung ist öffentlicher Grund. Jeder darf sich dort aufhalten, auch junge Leute. Das signalisieren wir diesen auch.
Trotzdem fühlen sich viele durch Ansammlungen Junger bedroht. Kann man dem entgegenwirken?
Wichtig ist, die Jugendlichen dafür zu sensibilisieren, dass sie bedrohlich wirken können. Aber natürlich gibt es hier Grenzen unserer Möglichkeiten und Zuständigkeit.
Jeder kann ja auf die Jugendlichen zugehen und mit ihnen sprechen. Müsste die Gemeinde die Leute darauf hinweisen?
Grundsätzlich sollte dieses Bewusstsein in der Bevölkerung vorhanden sein. Es gibt natürlich immer wieder Einzelne, die sich über einzelne Jugendliche aufregen. Dort nimmt die Jugendarbeit dann eine vermittelnde Funktion ein. Der brüllende Anwohner und der herumhängende Jugendliche müssen beide sensibilisiert werden.
Wird diese Aufgabe erfüllt?
Das hat bisher die Mojuga, die Mobile Jugendarbeit, gemacht. Deren Auftrag wird künftig das Jugendbarometer übernehmen. Die Vermittlung ist natürlich auch meine Aufgabe. Ich hatte Kontakt mit den Betroffenen im Spittel. Es ist immer ein Anliegen der Gemeinde, die Bedürfnisse der Stäfner zu berücksichtigen und wenn möglich unter einen Hut zu bringen. Die offene Jugendarbeit ist aber nur zuständig für Jugendliche ab 12 Jahren, zuvor können wir keinen Einfluss nehmen. Die Jugendarbeit basiert zudem auf Freiwilligkeit. Die Jugendlichen müssen nicht darauf eingehen. Wichtig ist, dass überhaupt ein Angebot vorhanden ist.
Wie gehts weiter?
So viel ich weiss, ist Ruhe eingekehrt. Junge Männer, die aufgrund ihrer Sozialisation und ihrer Lebenssituation auffällig werden, sind ein gesamtgesellschaftliches und kein Stäfner Phänomen. Das wird es daher immer geben. Wir versuchen mit der Vernetzung aller zuständigen Stellen präventiv zu wirken. Wir wollen Entwicklungen erkennen, bevor Taten strafrechtlich relevant werden. Meist können wir aber nur reagieren. Deshalb sind Eltern und Schule genauso gefordert wie die Politische Gemeinde.
Gibt es neue Projekte?
Ja, die aufsuchende Kinder- und Quartierarbeit. Das bedeutet Arbeit für und mit Kindern unter 12 Jahren. Mit bestehenden Ressourcen lancieren wir dieses Jahr ein Pilotprojekt (siehe Text links; Red.). Thomas Baumann vermittelt bei Bedarf auch selber. Foto: Sabine Rock
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