Kaum aus der U-Haft raus, fischte die Betrügerin wieder in fremden Briefkästen
Eine 51-jährige Kroatin sieht sich als «Opfer der Justiz». Und sie sei von unbekannten Männern zu den kriminellen Handlungen gezwungen worden.
Bülach - Das Gefängnisdach sei undicht, die Wände feucht. Es gehe ihr schlecht, sagte die Angeklagte gestern vor den Richtern. Sie werde sich wegen der Haftbedingungen beschweren.
Die 51-jährige Kroatin wurde mit einem weissen Gefangenentransporter zum Gerichtstermin gebracht. Dabei war sie doch am 10. August aus der Untersuchungshaft entlassen worden. So zumindest stand es in der Anklageschrift. Wegen mehrfachen Betrugs musste sich die Frau am Dienstag vor Gericht verantworten. Im Zeitraum von Juni 2008 bis März 2009 soll sie rund 150 000 Franken ergaunert haben, indem sie mit erschlichenen Bankkarten Geld abhob.
Im März war die Frau aus dem Bezirk Bülach auf frischer Tat ertappt worden. Nach fast fünfmonatiger Untersuchungshaft unterzeichnete sie schliesslich ein Schuldeingeständnis und kam auf freien Fuss. Wer gedacht hätte, dass sie die Zeit bis zum Prozess in Freiheit verbringen würde, sah sich getäuscht. Im September - wenige Wochen nach der Haftentlassung - wurde sie erneut straffällig.
Wieder hatte sie diverse Postsendungen aus fremden Briefkästen gefischt. So versuchte sie Informationen über die Personen und ihre Konten zu beschaffen. Wie gestern bekannt wurde, blieb es nicht beim Trick mit den Briefkästen. Einem Mann überbrachte die Angeklagte ungefragt einen Blumenstrauss und verlangte von ihm eine schriftliche Empfangsbestätigung. So wollte sie seine Unterschrift erschleichen.
Hintermänner vom Balkan?
Vor Gericht hinterliess die Angeklagte einen zwiespältigen Eindruck. Immer wieder stellte sie sich selber als «Opfer der Justiz» dar. Sie sei von Hintermännern zu den Taten gezwungen worden. Sie habe als willenloses Werkzeug die Handlungen ausgeführt, sagte der Pflichtverteidiger. Die Frau sei massiv unter Druck gesetzt worden, man habe ihr gedroht, der 14-jährigen Tochter etwas anzutun. Das Mädchen ist inzwischen bei Pflegeeltern untergebracht. Von den angeblichen Hintermännern fehlt jede Spur. Die Angeklagte kann nur Vornamen nennen. Es soll sich um einen Mario und einen Ivan sowie weitere Männer «vom Balkan» handeln.
In der Befragung durch den vorsitzenden Richter konnte sich die Frau an einige Geldbezüge - mit blonder Perücke und Baseballmütze - erinnern, bei anderen wollte sie es partout nicht mehr gewesen sein.
Der Staatsanwalt forderte neu eine Freiheitsstrafe von 21 Monaten - davon seien sechs Monate zu verbüssen. Unter Anrechnung der U-Haft käme die Angeklagte demnach umgehend frei. Das Bezirksgericht wollte gestern mangels Beratungszeit aber keinen Entscheid treffen. Das Urteil wird schriftlich eröffnet.
Das Gericht muss auch über die finanziellen Konsequenzen befinden. Gemäss Staatsanwalt soll die Frau dem Staat das ertrogene Geld zurückbezahlen. Immer noch zu klären ist, was mit beschlagnahmten Möbeln und Geräten passiert. Vor Gericht kam zudem aus, dass die Frau für insgesamt 76 000 Franken eine Wohnungseinrichtung gekauft und den Grossteil in bar bezahlt hatte. Das Geld habe sie von ihrem Bruder erhalten - einem IV-Bezüger aus Kroatien, der sich sporadisch in der Schweiz aufhielt. Dieser sei Kunstmaler und habe zwei Bilder verkauft. Dumm nur, dass die Frau während der U-Haft versuchte, eine geheime Nachricht aus dem Gefängnis zu schmuggeln. Darauf war genau dies zu lesen - allerdings als Aufforderung an den Bruder, er solle es so erzählen.
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