«Mit einem Parlament gäbe es weniger IGs»
Die Horgner Ortsparteien stünden auf verlorenem Posten, sagt Politologe Daniel Kübler. Es sei wie in Liechtenstein: Es gebe nur Fürst und Volk. Er plädiert für ein Parlament.
Die Horgner Ortsparteien stehen in der Kritik. Die Grünen werfen den anderen Parteien Inaktivität vor, die parteilose Esther Holm spricht von einem politischen Einheitsbrei, die Interessengemeinschaft (IG) Neudorf fühlt sich von den Parteien nicht ernst genommen.
Statt inhaltlich auf den offenen Brief der IG Neudorf vom Mai einzugehen, stören sie sich am Ton des offenen Briefes (TA von gestern). Nach monatelangem Schweigen verfasste die SP nun eine Stellungnahme zum offenen Brief der IG Neudorf.
Herr Kübler, wie schätzen Sie die Position der Ortsparteien in Horgen ein? In einer grossen Gemeinde wie Horgen haben die Parteien Schwierigkeiten, sich zu positionieren. Das gilt nicht nur für Horgen, das ist bezeichnend für Gemeinden ohne Parlament.
Wieso? Ohne Parlament gibt es keine Kontinuität in der politischen Diskussion. Und es ist natürlich schwierig für eine Partei, die Exekutive zu kritisieren, wenn man selber in der Exekutive vertreten ist. Horgen ist nach Wetzikon die zweitgrösste Gemeinde im Kanton ohne Parlament.
Was spricht für ein Parlament? Das Hin und Her in Horgen zwischen Interessengemeinschaften und Parteien und dem Gemeinderat steigert sich oftmals in ein Hickhack zwischen den verschiedenen Exponenten. Das zeigt, dass die politischen Strukturen fehlen, um eine sachliche Diskussion zu führen.
Wie schätzen Sie die Rolle der IGs in der Dorfpolitik ein? Auseinandersetzungen finden immer dann statt, wenn neue Bauprojekte vorgestellt werden, die den Vorstellungen der Quartierbewohner nicht entsprechen. Das mobilisiert die Leute. Hinzu kommt, dass Gemeindeversammlungen leicht zu beeinflussen sind: Machen Gruppen für oder gegen etwas mobil, schaffen sie es oft, die Mehrheitsverhältnisse in der Versammlung zu kippen.
Die IG Neudorf wirft den Parteien vor, sie müsse in der Gemeinde die Arbeit der Parteien übernehmen. Das stimmt zu einem gewissen Teil. Hätte Horgen ein Parlament, könnten die Parteien ihre Rolle finden, und die IGs würden teilweise überflüssig. Aber den Parteien fehlt eben diese Plattform für die politische Debatte.
Dann müsste den Parteien doch eigentlich die Aufforderung der IG zur Diskussion willkommen sein. Die Verweigerung ist sicher ungeschickt. Das wäre tatsächlich eine Möglichkeit für die Parteien, aufzustehen und zu zeigen: «Wir haben in der Sache auch etwas zu sagen.»
Wieso machen sie das nicht? Ein Grund ist sicherlich, dass die Ortsparteien unterdotiert sind. Und dann stehen sie einem Widerspruch gegenüber: Sie sollten einerseits aktiv sein. Andererseits ist es wie erwähnt schwierig, die Exekutive zu kritisieren, in der man selber vertreten ist.
Wieso gelingt es daneben der Grünen Partei immer wieder, politisch aktiv zu sein? Erstens sind sie in der Exekutive nicht vertreten. Zweitens sind sie jünger und politisieren motivierter. Und drittens gehören Themen wie beispielsweise die Erhaltung von Grünflächen zu den Kernthemen ihres Parteiprogramms.
In den Workshops der einzelnen Mitwirkungsverfahren wird die Gemeindeentwicklung öffentlich diskutiert. Wie beurteilen Sie diese Workshops? Das sind Ad-hoc-Plattformen für die Diskussion. Aber der Ansatz ist falsch: Man diskutiert Themen wie Städtebau, Dorfentwicklung und Verkehr separat, obwohl sie zwingend zusammengehören. Positiv ist, dass auch ausländische Mitbürger ihre Anliegen einbringen können.
Die Mitwirkung ist also vor allem Legitimation für den Gemeinderat? Die Mitwirkung ist ein Instrument des Gemeinderats zur Legitimation seiner Pläne. Eine strukturierte öffentliche Debatte über die Grundsätze der Gemeinde-entwicklung findet auch hier nicht statt.
Was heisst das für die Parteien? Auch hier finden die Parteien ihre Rolle schlecht. Die Mitwirkung trägt sicher nicht zur Stärkung der Parteien bei. Es erinnert ein bisschen an die Verhältnisse in Liechtenstein: Fürst und Volk.
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