Paukenschlag in Winterthur: Stadtrat Gfeller tritt zurück
Matthias Gfeller stolpert über die «Wärmering-Affäre». Der erste Grüne in der Winterthurer Stadtregierung gibt sein Amt vorzeitig auf.

Der Winterthurer Vorsteher des Departements Technische Betriebe, Matthias Gfeller (Grüne), ist in den vergangenen Monaten unter starken Beschuss geraten: Ihm wurde vorgeworfen, im Vorfeld einer Abstimmung Informationen zurückbehalten zu haben.
Über den Zeitpunkt und die Gründe des Rücktritts wollen Gfeller und seine Partei am Montag informieren. Gfeller ist wohl gesundheitlich angeschlagen. Die Medienorientierung, die ungewöhnlicherweise in Anwesenheit eines Arztes durchgeführt wird, steht unter dem Titel «Rücktritt von Matthias Gfeller und Rückblick auf gute 10 Jahre im Stadtrat». Der «Landbote» hat die Nachricht bereits am Samstagabend publiziert, weshalb sich auch Tagesanzeiger.ch/Newsnet entschieden hat, den angekündigten Rücktritt Gfellers zu verbreiten.
Schlussbericht liegt vor
Am Dienstag lädt zudem der Winterthurer Gesamtstadtrat zu einer Medienkonferenz: Er will die Ergebnisse und die Massnahmen präsentieren, die aus dem inzwischen vorliegenden Schlussbericht der Administrativuntersuchung zur Wärme Frauenfeld AG hervorgehen.
Wegen der «Wärmering-Affäre» war Gfeller in diesem Jahr unter Beschuss geraten: Vor der städtischen Abstimmung im Juni 2015 über einen 70-Millionen-Rahmenkredit für Energiecontracting-Projekte soll er die Information zurückbehalten haben, dass bei einem der Vorhaben, der Beteiligung an der Wärmering Frauenfeld AG, eine Sanierung in Millionenhöhe anstehe.
Bereits zuvor entmachtet
Der Winterthurer Gesamtstadtrat leitete in der Folge eine Administrativuntersuchung durch einen externen Gutachter ein. Im Juli, als ein vorläufiger Bericht vorlag, entschied der Stadtrat, dass Gfeller die politische Führung des Stadtwerks Winterthur abgeben muss. Er blieb jedoch Vorsteher seines Departements.
Die SVP verlangte eine Wiederholung der Energiecontracting-Abstimmung, weil der Stimmbevölkerung damals «bewusst und mit Arglist Tatsachen vorenthalten» worden seien. Deren Stimmrechtsbeschwerde wies der Bezirksrat am 16. September ab. Die Vorlage sei mit einem Ja-Stimmenanteil von 69,9 Prozent klar angenommen worden, sodass «eine mangelhafte Information nicht von derart zentraler Bedeutung anzusehen wäre». Die SVP akzeptierte diese Begründung und zog ihre Beschwerde nicht weiter.
Frühere Affäre schadlos überstanden
Wegen ähnlicher Vorwürfe sah sich der Winterthurer Stadtrat bereits in den Jahren 2013 und 2014 mit einer Stimmrechtsbeschwerde konfrontiert. Es ging um die Beteiligung am Fleischvergärungsbetrieb Biorender. Gfeller hielt am Pilotprojekt, das das Stadtwerk bis zum Ausstieg mehrere Millionen kostete, lange fest.
Im November 2013 stimmten die Winterthurer einer Biorender-Finanzspritze zu. Erst einen Tag nach der Abstimmung wurde bekannt, dass die Gemeinde Wil längst entschieden hatte, aus dem gemeinsamen Projekt auszusteigen. Der Bezirksrat kam damals zum Schluss, dass dem Stadtrat kein absichtliches Vorenthalten von Informationen vorgeworfen werden könne.
Die Kritik am Biorender-Engagement überstand Gfeller schadlos: 2014 wählten die Winterthurerinnen und Winterthurer den Grünen für eine dritte Amtsperiode.
Ein Grüner der ersten Stunde
Gfeller wurde 2006 als erster und bislang einziger Grüner in den Winterthurer Stadtrat gewählt. Zuvor war er während 17 Jahren im Stadtparlament aktiv. Zwischenzeitlich sass er auch während dreier Jahre im Zürcher Kantonsrat.
Der 60-jährige Umweltinformatiker gilt als «Grüner der ersten Stunde». Er trat 1984 als Mitbegründer der Winterthurer Ortspartei in die Öffentlichkeit. Gfeller lebt, wie er auf seiner Homepage schreibt, in «einer kleinen 3,5-Zimmer-Wohnung» nahe eines Bahnhofs. Er besitzt weder ein Auto noch eine Zweitwohnung, dafür ein Generalabonnement und sechs Velos. (sda/pu)
Erstellt: 25.09.2016, 11:11 Uhr
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