Fischer kritisieren Riesenrechen in der Sihl
Damit bei Hochwasser kein Treibholz die Sihl verstopft, hat der Kanton im Sihltal einen riesigen Rechen gebaut. Dieser zerstöre wertvollen Lebensraum für Fische, klagen die Fischer. Und: Der Kanton habe ihre Kritik ignoriert.
«Wir sind einfach nicht ernst genommen worden.» So lautet die Klage von Rolf Schatz – und der Mann schaut besorgt zur Sihl hinunter, als er sie vorbringt. Schatz steht am Rand eines gigantischen Bauwerks: Zum Schutz der Stadt Zürich vor Hochwasser hat der Kanton in Langnau am Albis für 26 Millionen Franken einen sogenannten Schwemmholzrechen gebaut.
Rolf Schatz ist Präsident der IG Dä Neu Fischer, die sich für nachhaltige Fischerei einsetzt, sowie Langnauer GLP-Gemeinderat. Er zweifelt weder am Sinn noch am Zweck des Rechens; seine Empörung gilt der Ausgestaltung des Bauwerks sowie den Bauarbeiten zwischen April 2016 und diesem Frühling.
Verstecke für die Fische fehlen
«Vorher war diese Stelle eine der fischreichsten der ganzen Sihl», sagt Schatz. Bachforellen, Alet, Barben, Groppen, Elritzen, Bartgrundeln und weitere mehr tummelten sich dort im Wasser. Jetzt: Fehlanzeige, kein Fisch zu sehen. Und, wichtiger: Kein Unterstand, in dem sich die Sihlbewohner vor Raubvögeln oder Fischern in Schutz bringen könnten. Flussfische brauchen neben Nahrung zwei Dinge: Strömung und Rückzugsgebiete. In der lang gezogenen Kurve oberhalb von Langnau, auf rund 350 Meter Länge, fehlen vor allem die Verstecke. Das Wasser plätschert auf ebenem Grund vor sich hin.
Benjamin Leimgruber, Bereichsleiter Gewässerschutz von Aqua Viva, betont, dass bei Eingriffen in Fliessgewässer ein möglichst natürlicher Zustand anzustreben sei, damit die Wasserlebewesen geeigneten Lebensraum finden. Wichtig sei auch, dass die natürliche Dynamik des Wassers erhalten bleibt. Entfernt man Hochwasserabflüsse aus Fliessgewässern oder werden diese begradigt, können sie sich nicht selber gestalten und verändern. Nimmt man den Flüssen diese Möglichkeit zur Erneuerung, leide die Ökologie, so Leimgruber.
Zuvor gab es im Sihlrank auf der einen Seite tiefes Wasser und unterspülte Felsen und auf der anderen Kiesbänke und schattenspendende Pflanzen – perfekte Laichplätze. Dazu muss man wissen, dass es die Fische in der Sihl nicht einfach haben. Klimaerwärmung, Krankheiten, Wassermangel und Pestizide machen ihnen das Leben schwer. Die vom Kanton ergriffenen ökologischen Ausgleichsmassnahmen für das Bauwerk seien ungenügend oder für andere Tiere gut, aber nicht für die Fische, kritisiert Schatz.
Auch die einjährige Bauphase hat beim Fischexperten für Ärger gesorgt. Einerseits sei ohne Rücksicht auf die Tierwelt im Fluss gebaggert worden. Das führte zu längeren Trübungen, die für Fische fatal sein können. Anderseits wurde mitten in der Forellen-Schonzeit gearbeitet. Seine Interventionen hätten nichts gebracht, sagt Schatz. Man hätte ein provisorisches Flussbett ausbaggern können, um daneben auf dem Trockenen zu arbeiten. Zumindest hätten Lenkbuhnen zur Schonung der Fischgebiete zum Einsatz kommen sollen.
Dass dies nicht passiert sei, habe wohl terminliche und letztlich finanzielle Gründe, vermutet er. «Es ist halt immer die Frage, ob Geld oder die Ökologie wichtiger ist.» Schatz ist derart aufgebracht, dass er heute Montag dem Projektleiter des kantonalen Amts für Abfall, Wasser, Energie und Luft (Awel) die Urkunde der Fischer-IG für den «Gewässerverschmutzer des Jahres 2017» überbringt. Der Termin ist kein Zufall – morgen Dienstag wird der Schwemmholzrechen offiziell von Baudirektor Markus Kägi (SVP) eröffnet.
Die Bauarbeiten gestaffelt
Bei der Baudirektion weist man die Vorwürfe zurück. Zum Schutz des aquatischen Ökosystems habe man die Haupt-bauphasen gestaffelt und einen Zwischendamm gebaut, sagt Mediensprecher Dominik Bonderer. Dabei sei es zu Trübungen gekommen, räumt er ein. Alle Eingriffe ins Wasser seien aber von der Fischerei- und Jagdverwaltung begleitet worden. In einem so grossen Gewässer wie der Sihl sei keine Trockenlegung des Bauabschnitts möglich. Bei der öffentlichen Projektauflage seien auch keine Verbesserungsvorschläge eingegangen.
Die Natur arbeiten lassen
Bonderer gesteht hingegen ein, dass die Sihl jetzt – kurz nach Beendigung der Arbeiten – «eher monoton» wirkt. «Nach einigen Hochwasserspitzen wird sich aber ein natürlicheres Gerinne mit Eintiefungen hinter den Steinen bilden», zeigt er sich überzeugt. Zudem werde die frisch bepflanzte Böschung in fünf bis zehn Jahren Schatten spenden.
Nicht gelten lassen will Bonderer den Vorwurf, nicht auf Proteste eingegangen zu sein. Alle Eingaben aus Fischereikreisen seien beantwortet worden. Zudem wurde vereinbart, die Sihl in diesem Abschnitt während zwei bis drei Jahren zu beobachten. Falls nötig, würden Verbesserungsmassnahmen realisiert, versichert Bonderer.
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