«Herzlichen Glückwunsch zur Pensionierung Erich»
In Rapperswil werden Lokführer mit besonderen Gesten verabschiedet. Diese bekommen auch Bahnpassagiere mit.

Es war mitten im abendlichen Pendlerverkehr, als in Rapperswil auf dem Monitor der abfahrenden Züge plötzlich eine ungewöhnliche Information erschien: «Herzlichen Glückwunsch zur Pensionierung Erich» stand da in weisser Schrift auf blauem Grund, schön eingereiht unter dem Hinweis auf die S 5, 18.29 Uhr, Richtung Rafz.
Welche geniale Marketingidee, ist man im ersten Augenblick geneigt zu denken. Die SBB stellen ihre Anzeigetafeln der Öffentlichkeit als Plattform für persönliche Kurzmitteilungen zur Verfügung. Schliesslich wirft praktisch jeder Zugspassagier trotz App noch immer einen Blick auf den Abfahrtsmonitor, um keine aktuelle Information zu Zügen, Abfahrtsorten und -zeiten zu verpassen. Auch der Zugspassagier Erich dürfte trotz seines fortgeschrittenen Alters zu dieser Sorte gehören. Doch man fragt sich: Warum nur wird Erich diese Ehre zuteil? Und wer ist Erich überhaupt?
38 Jahre Lokführer
Der beglückwünschte Erich, der 65-jährige Erich Reiser, wie er mit vollem Namen heisst, war bis Anfang Woche Lokführer an der Basis Rapperswil. Und dies sein halbes Leben lang. Vor 38 Jahren trat er als 27-Jähriger ins Unternehmen ein. In Zürich durchlief er die damals gängige Lokführerausbildung. Er war zunächst Fahrdienstanwärter, dann Führergehilfe und Lokführer-Ablöser bis er schliesslich zum Lokführer avancierte. Seit 1982 war er in Rapperswil tätig.
Am Montag, 7. September, kurz vor halb sieben Uhr abends, ging seine berufliche Tätigkeit zu Ende. Er entstieg in Rapperswil dem Zug 18578 auf Gleis 4. Dafür dankte ihm sein Betrieb mit einer Anzeige und einer persönlichen Durchsage. Die Mitarbeiter standen Spalier und feierten Erich Reiser.

Sein ehemaliger Chef Bruno Gallati sagt nur Gutes über seinen einstigen Angestellten. Adjektive wie angepasst, angenehm und selbstständig fallen. «Kurz: Er war einer, der für einen Vorgesetzten sehr pflegeleicht war.» Er sei nie aufgefallen. Deshalb erstaunt es auch nicht, dass Reiser nicht selbst an die Öffentlichkeit tritt. Er will nun sein Leben mit seiner Familie und seinen Enkelkindern im Zürcher Oberland geniessen.
Anders als die meisten seiner Berufskollegen kam Reiser erst spät zur Bahn. Er absolvierte zunächst eine handwerkliche Ausbildung als Maschinenschlosser in der Maschinenfabrik Rüti. Danach war er für den Betrieb als Monteur in Europa und Afrika tätig und arbeitete für verschiedene andere Firmen, bis er 1977 zu den SBB wechselte.
Persönlichkeit auf Zeit?
Die familiäre Verabschiedung in Rapperswil ist im Schweizer Bahnbetrieb eine Seltenheit, wie Pressesprecher Reto Schärli sagt. Sie ist auch nur deshalb möglich, weil noch nicht der ganze Bahnhof von der Betriebszentrale ferngesteuert ist. Ob Gallati und sein Team diese Tradition auch noch pflegen werden, wenn Rapperswil nächstes Jahr ein neues Stellwerk erhält und ganz von der Betriebszentrale in Zürich-Kloten gesteuert wird, wird sich zeigen.
Doch bis dahin wird der Rapperswiler Monitor noch einige Male mit Glückwünschen bespielt werden, denn im Team Gallati gehen demnächst einige Lokführer in Rente. Die ersten beiden Ende November. Dann heisst es vielleicht «Herzlichen Glückwunsch zur Pensionierung, Fritz» oder «Herzlichen Glückwunsch zur Pensionierung, Peter».
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