«Meine Kandidatur ist kein Gag, das ist mein Ernst»
Der Zürcher Sänger und Gründer des Festival da Jazz St. Moritz, Christian Jott Jenny, kandidiert als Parteiloser für das Gemeindepräsidium von St. Moritz.

Sie haben sich ja wieder einen ganz besonderen PR-Gag ausgedacht. Spüren Sie das Sommerloch, Herr Jenny?
Im Gegenteil, wir hatten kein Sommerloch. Das Festival da Jazz platzte dieses Jahr aus allen Nähten. Es war sehr anstrengend. Und damit das klar ist: Das ist kein Gag, das ist mein Ernst.
Sie wollen jetzt also auch noch in die Politik einsteigen, was treibt Sie an?
Drei Dinge: Meine Liebe zu St. Moritz und zum Engadin. Die Lust, diesen Ort wieder auf die 1800 Meter über Meer zu heben, auf denen er einmal war – und von wo er leider in den letzten Jahren etwas abgesunken ist. Und die Unterstützung der vor allem jüngeren St. Moritzerinnen und St. Moritzer, die mich zur Kandidatur angestachelt haben.
Wie ordnen Sie sich ein: grün, sozial, wirtschaftsfreundlich oder radikal?
Ganz genau.
Das ist jetzt zu billig: Wofür stehen Sie – ausser fürs Jazzfestival?
Billig ist, wenn die Zukunft eines Ortes mit parteipolitischen Dogmen erklärt werden soll. Aber Sie haben die Stichworte ja selber geliefert. Ohne Gäste gäbe es kein St. Moritz, die Tourismuswirtschaft ist fundamental für das Überleben dieses Ortes. Aber das Gemeinwesen besteht auch aus Einheimischen und aus ausländischen Arbeitskräften, die Mühe haben, die Mieten zu bezahlen. Ergo muss man auch sozial denken. Ohne Natur kein Tourismus, zu ihr muss man Sorge tragen. Und radikal waren gewisse erfolgreiche Leute in St. Moritz immer, sonst wäre dieser Ort nie zur Weltmarke geworden.
«Wir haben hier Kaiserwetter bei 24 Grad. Doch die Zürcher hocken lieber in ihren muffigen Stuben, schwitzen und jammern.»
Ist Ihnen in Zürich langweilig geworden?
Um Zürich kommt man in der Schweiz nicht herum. Aber es gibt auch andere schöne Flecken. Mein Lebensmittelpunkt ist über die Jahre immer mehr ins Engadin gewandert. Hoffentlich ist das nicht bloss eine Alterserscheinung.
Welches Talent befähigt Sie zu dieser Aufgabe?
Etwas durchzuziehen, wenn ich daran glaube. Das ist letztlich das Einzige, was eine Politik erfolgreich macht. Als ich zum Beispiel mit dem Festival da Jazz vor über zehn Jahren angefangen habe, sagten viele, du spinnst, das wird nie funktionieren. Heute haben wir ein Unternehmen etabliert, an dem im Sommer rund 50 Leute beteiligt sind.
Konkret: Wie wollen Sie diesen Ferienort der Schönen und Reichen prägen?
St. Moritz ist viel mehr als ein Nobelkurort. Nehmen Sie die Hitzewelle, die im Moment die Schweiz plagt. Eigentlich müssten hier oben alle Hotelzimmer restlos ausgebucht sein, wir haben Kaiserwetter bei 24 Grad. Ein Traum. Aber die Zürcher und Baslerinnen hocken lieber in ihren muffigen Stuben und jammern darüber, dass sie aus allen Poren schwitzen. Die Leute kommen nicht, solange sie fälschlicherweise meinen, St. Moritz sei nur etwas für die anderen.
Kennen Sie denn das St. Moritz ausserhalb des Kulturzirkels gut genug?
Ich bin noch nicht mit allen Duzis. Aber fast. Sagen wir so, wer mit mir durchs Dorf spaziert, muss alle paar Meter anhalten und zuhören, wie ich mit irgendwem plaudere.
«Heute haben es Ideen schwer. Dabei ist St. Moritz ursprünglich das Produkt innovativer Visionäre.»
Was treibt St. Moritz um, was stehen für wichtige Weichenstellungen an?
Es ist eigentlich ein Wahnsinn, die Weltmarke St. Moritz ist bekannter als Zürich und Genf zusammen. Doch der Tourismus hat sich verändert, während St. Moritz grossteils in den Neunzigern stehen geblieben ist. Heute haben es Ideen schwer. Dabei ist St. Moritz ursprünglich das Produkt innovativer Visionäre.
Also: Was passiert, wenn Sie die Wahl gewinnen sollten?
Dann werde ich Gemeindepräsident von St. Moritz.
Welche Idee, die es heute schwer hat, soll dann umgesetzt werden?
Grossartig, jetzt können wir im Tagi über Oberengadiner Lokalpolitik sprechen! Zum Beispiel haben wir hier eine alte Reithalle, die unbedingt umgenutzt werden muss. Aber die Gemeinde hat das Projekt an die Wand gefahren. Wir fragen uns auch, wieso wir trotz vieler Hotelbetten im oberen Segment keine grossen Kongresse durchführen können – weil die Infrastruktur dafür nie geschaffen worden ist. Doch das Wichtigste: Die Ideen sind da, die Leute auch, die sie haben. Bloss wandern vor allem die Jüngeren irgendwann frustriert woanders hin, weil sie keine Unterstützung erhalten. Ich muss die Ideen nicht liefern. Ich muss nur Geburtshilfe leisten.
Zügeln Sie dann – als Chef von St. Moritz – ins Engadin?
Das muss ich nicht, denn ich habe seit zwei Jahren meinen Lebensmittelpunkt und meine Schriften bereits hier oben. Es lässt sich auch durchaus hier oben ganzjährig leben!
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch