Freisprüche für Schlachthofangestellte gefordert
Eine Kuh wurde auf dem Zentralschlachthof Hinwil von zwei Angestellten gequält, sagt die Staatsanwaltschaft. Die Verteidigung sah das am Prozess ganz anders.

Vor der Einzelrichterin am Bezirksgericht Hinwil haben heute Mittwoch beide Beschuldigten Freisprüche vom Vorwurf der Tierquälerei gefordert. Die Staatsanwaltschaft, die am Prozess nicht anwesend war, hatte bedingte Geldstrafen und Bussen verlangt.
Zu Beurteilen ist ein Fall, der sich am
Fleisch nicht mehr verwertbar
An jenem Februarvormittag war in Anwesenheit des Tierarztes und von ein paar Schlachthofmitarbeitern eine Kuh angeliefert worden, welche sich zum Aussteigen nicht auf den Beinen halten konnte. Nachdem sie mit Mühe ausgeladen war, blieb sie am Boden liegen.
Wie der Tierarzt vor Gericht ausführte, sei die Kuh an sich gesund gewesen, er habe aber gesehen, dass sie eine Beeinträchtigung an einem Gelenk gehabt habe und deshalb nicht gehen konnte. In solchen Fällen sagen die Regeln, ein Tier müsse umgehend gleich vor Ort getötet werden. Damit aber, so der Tierarzt, könne das Fleisch nicht mehr verwertet, sondern der Kadaver müsse verbrannt werden.
Missstände im Schlachthof
Es gebe am Schlachthof aus betrieblichen Gründen keine Möglichkeit, ein grosses, nicht gehfähiges Tier ins Schlachtgebäude zu bringen. Das passiere etwa zehnmal im Jahr. Ein solcher Verlust habe ihn jedes Mal geschmerzt. Er habe das Veterinäramt darauf aufmerksam machen wollen, indem er die Vorgänge filmte und die Aufnahmen dem Amt zustellte.
Anstatt also die Tötung des Tiers anzuordnen, rief er telefonisch den Geschäftsführer herbei, mit dem er sich nicht gut verstand, wie beide einräumten. Dieser kam und sah die Kuh daliegen. Auf sein Nachfragen habe ihn niemand der Anwesenden über den Zustand des Tieres informiert, sagte der Geschäftsführer. Er habe also nicht gewusst, dass es gehunfähig sei.
Er habe seine Gehfähigkeit testen wollen, indem er zwei breite Gurten unter seinem Bauch hindurch zog und das schwere Tier mit einem Hubstapler leicht anhob. Dies sei eine «übliche und verbreitete» Methode, sagte sein Verteidiger. Als er sah, dass das Tier «nicht einmal zappelte», habe er es nach etwa einer halben Minute wieder auf den Boden senkten lassen und die umgehende Tötung angeordnet.
«Wie ein Pressefotograf»
Dies wäre zwar eigentlich Aufgabe des Tierarztes gewesen, erklärte der Verteidiger. Dieser habe sich aber «wie ein Pressefotograf» verhalten und «nicht wie ein Vertreter des Staates». Und als Beauftragter des kantonalen Veterinäramtes sei er das nun einmal gewesen.
Dem widersprach die Anwältin des Tierarztes: Ihr Mandant habe die Tötung angeordnet. Wenn er nicht genügend Durchsetzungsvermögen gehabt habe, sei dies eine persönliche Eigenschaft und nicht strafbar. Beide Rechtsvertreter verlangten vollumfängliche Freisprüche und Entschädigungen für ihren Mandanten.
Leiden unnötig verlängert
Noch am Tag des Vorfalls wandte sich der Tierarzt mit einem E-Mail und den Videoaufnahmen an das Veterinäramt. Dieses reichte Strafanzeige wegen Tierquälerei ein – das Anheben des bereits gestressten und verängstigten Tieres mit den Gurten habe dessen Leiden unnötig verlängert.
Die Staatsanwaltschaft wollte zwar das Strafverfahren gegen Tierarzt und Geschäftsführer einstellen, wurde aber vom Obergericht zurückgepfiffen. Auf dessen Geheiss erhob sie schliesslich aber Anklage. Verfahren gegen die anderen Anwesenden wurden separat erledigt.
Für den heute 64-jährigen damaligen Geschäftsführer beantragt der Staatsanwalt eine bedingte Geldstrafe von
Das Urteil wird am 20. November eröffnet.
(sda/pu)
Erstellt: 16.10.2019, 08:23 Uhr
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