Mario Fehr gewinnt wichtiges Vertrauensvotum
Die SP-Delegierten haben Mario Fehr und Jacqueline Fehr für die Regierungsratswahlen 2019 nominiert.
Zusammenfassung
Der Zürcher Sicherheitsdirektor Mario Fehr und die Justizdirektorin Jacqueline Fehr sollen im kommenden Frühling erneut für die SP in den Regierungsrat einziehen: Die Partei hat ihren beiden bisherigen Amtsinhabern am Dienstagabend das Vertrauen ausgesprochen.
Im Vorfeld war insbesondere ungewiss, wie stark die Partei noch hinter Mario Fehr steht: Insbesondere die Juso sowie Teile der Stadtzürcher SP hatten ihm in den vergangenen Jahren immer wieder vorgeworfen, rechtsbürgerliche Positionen zu vertreten. (sda)
So verlief die Debatte
22.10 Uhr – Resultat
- Justizdirektorin Jacqueline Fehr wird wie erwartet offiziell nominiert mit 167 zu 8 Stimmen.
- Auch Sicherheitsdirektor Mario Fehr schafft die Nominierung mit 102 zu 73 Stimmen. Der Sicherheitsdirektor reagiert sichtlich gerührt und erleichtert.
21.20 Uhr – Schlussvotum
Nun sind die Reden durch. Das Fazit: Mario Fehr hat vor allem auf dem Land viel Zuspruch, aber auch in Städten wie Winterthur, Uster und Illnau-Effretikon. In der Stadt Zürich hingegen ist es schwierig.
Nun halten die beiden Regierungsräte noch einmal ein Schlussvotum. Mario Fehr bedankt sich für die offene Debatte und wehrt sich nochmals für seine Politik: «Ein Verlassen der SKOS-Richtlinien gibt es nur über meine politische Leiche.» Was die Stadtpartei von ihm erwarte, das sei in einer bürgerlich dominierten Regierung kaum möglich: «Wir sind zwei von sieben, das ist keine Mehrheit.» In der Stadt, wo rotgrün die Mehrheit habe, sehe das ganz anders aus.
Nun schreiten die Delegierten zur Abstimmung. Bis die Stimmen ausgezählt sind, dürfte es eine Weile dauern.
21 Uhr – Überraschendes Votum von Davide Loss
Inzwischen haben sich mit Martin Naef und Davide Loss zwei weitere bekannte Sozialdemokraten für Mario Fehr ausgesprochen. Überraschend war vor allem Loss' Votum, der als Anwalt einen tiefen Einblick in die Arbeit des Migrationsamts hat. Und Loss korrigierte das Bild des Hardliners: «Ein Grossteil der Fälle läuft problemlos ab, das Migrationsamt arbeitet gut und speditiv. Es gibt auch andere Fälle, das stimmt. Aber mit Mario Fehr kann man reden.» Er habe es mehrfach erlebt, dass Fehr seinen Spielraum zu Gunsten der Betroffenen genutzt habe.
Mit Spannung erwartet wurde auch das Votum von Fabian Molina. Er bezog nicht öffentlich Position, sondern ermutigte die Anwesenden, «auf ihr Herz zu hören.»

20.30 Uhr – Jositsch stärkt Mario Fehr den Rücken
Noch stehen 14 Rednerinnen und Redner auf der Liste – und es ist völlig unmöglich abzuschätzen, wie die Abstimmung ausgehen wird. Jene Rednerinnen und Redner, die gegen Mario Fehr sprechen, scheinen mehr Applaus zu erhalten. Anderseits hat sich mit Daniel Jositsch ein Parteischwergewicht für den Sicherheitsdirektor ausgesprochen: «Die Bevölkerung da draussen ist der Meinung, dass unsere beiden Regierungsräte eine gute Arbeit machen. Ausserhalb dieses Saals würde es niemand verstehen, wenn wir ihn nicht mehr aufstellen würden.»

Zwischendurch ergreifen auch einzelne Rednerinnen Partei für Jacqueline Fehr. Klar ist: Sie ist unbestritten.
20.20 Uhr – Die Stadtzürcher SP spricht sich gegen Mario Fehr aus
Die Rednerliste ist offenbar lang – bereits wird eine etwa einstündige Diskussion erwartet, obwohl die Redezeit nur zwei Minuten beträgt. Mario Fehr muss sich schon vom zweiten Redner, Tom Cassee, harsche Kritik anhören. Fehr setze seinen Spielraum konsequent nicht für, sondern gegen Flüchtlinge ein: «Es geht nicht um politische Breite, sondern darum, was sich ein Regierungsrat noch zu Schulden kommen lassen muss, damit wir sagen, jetzt ist Schluss.»
Auch die Zürcher Stadtpartei spricht sich gegen Fehr aus. Eine erneute Nomination werde die Partei nicht nur viel Energie kosten. Die Stadtpartei fürchtet auch Parteiaustritte.
Ganz anders sehen das Delegierte vom Land, etwa Matthias Stammbach: «In der Stadt mögen manche Forderungen opportun sein - auf dem Land sind sie es nicht.» Die SP sei sehr breit aufgestelllt, aber alle befänden sich unter einem Dach. Jonas Erni erinnert an die Toleranz, welche die SP gern predige: «Es ist wichtig, dass wir diese auch leben.»
20 Uhr – Jacqueline Peter stellt sich hinter Mario Fehr
Nun spricht Jacqueline Peter als Gotte Mario Fehrs. «Ich habe nicht lange gezögert, als Mario mich angefragt hat», sagt sie, «obwohl ich nicht verhehle, dass ich ihn manchmal einen unmöglichen Typen finde.» Vor allem seine Kommunikation sei nicht immer einfach. Als sozialdemokratischer Regierungsrat sei er aber ein «Glücksfall für die nächsten vier Jahre». Er sei kompetent, engagiert und kompetitiv. Und: Er setze sich für Asylbewerber ein,die hier bleiben dürfen.
19.35 Uhr – Mario Fehr spricht
Jetzt spricht Mario Fehr. «Als Regierungsrat war es in den letzten sieben Jahren mein Privileg, mich für die sozial Schwachen einzusetzen.» Er und die SP hätten es geschafft, ein Bollwerk gegen den Abbau auf dem Buckel der Armen zu errichten – anders als beispielsweise im Kanton Bern.
Dann verteidigt er vehement seine Asylpolitik: «Glaubt niemandem, der sagt, dass ich der grösste Hardliner sei - das stimmt nicht.» Der Kanton Zürich sei der einzige mit einer automatischen Härtefallprüfung. Aber: «Wenn jemand weniger als fünf Jahre da ist, gibt es schlicht keinen Spielraum.»
Seine Mitgliedschaft bei der SP bezeichnet Fehr als Herzenssache. Sozialdemokraten seien immer mutig gewesen – und nun kritisiert er seine Genossinnen und Genossen: «Ich fand es nicht besonders mutig, dass in den letzten Wochen niemand offen zu seiner Kritik stand.» Betretenes Gelächter. Schliesslich quittieren die Delegierten Fehrs Ansprache mit warmem Applaus.

19.20 Uhr – Jacqueline Fehr ergreift das Wort
Jacqueline Fehr bekräftigt ihren Wunsch, Justizdirektorin zu bleiben. Es brauche Mut, jenen die rote Karte zu zeigen, welche die Grundwerte des Rechtsstaats angriffen: «Ich werde diesen Mut aufbringen.» Fehr erntet dafür spontanen Applaus.
Ihr Amt habe sie aber auch demütig werden lassen, etwa wenn sie Eltern gegenüber sitze, die ihr Kind nach einem Verbrechen verloren hätten.

19.05 Uhr – Die Versammlung ist eröffnet
Die Delegiertenversammlung kann noch nicht starten, der blaue Saal ist komplett überfüllt. Die Luft ist jetzt schon stickig; Sitzplätze gibt es nur für die Delegierten, zahlreiche Gäste aber müssen stehen. Journalistinnen und Journalisten drängen sich an einem kleinen Tisch.
Nach einiger Verwirrung eröffnet Parteipräsidentin Priska Seiler die Versammlung. Sie richtet sich an die «lieben Genossinen und Genossen»: «Wir sind da, um die Vertrauensfrage zu beantworten. Es ist uns ein grosses Anliegen, dass ihr diese Frage beantworten könnt. Und zwar nicht erst im Wahlkampftrubel.» Wie auch immer die Delegierten heute entscheiden: Die übliche Nominationsversammlung im Oktober finde dennoch statt, sagt Seiler. Bis dann könnten theoretisch weitere Kandidaten nominiert werden.
Co-Präsident Andreas Daurù ruft die Delegierten zu einer sachlichen Diskussion auf: «Wir wollen keinen Schlagabtausch». Und schiebt nach: «Im Notfall würden wir eingreifen.»
Die Ausgangslage
Wie anders war das im September 2014: Da hob die SP Mario Fehr per Applaus als Kandidat für eine weitere Amtsdauer im Regierungsrat auf den Schild. Es gab keine Diskussion, keine Kritik, keine Abstimmung. Vier Jahre danach ist die Lage für den Sicherheitsdirektor deutlich ungemütlicher. Heute Abend muss er sich im Volkshaus einer Vertrauensabstimmung stellen – ein Vorgang, der auch in einer basisdemokratischen Partei wie der SP ungewöhnlich ist.
Zwar muss auch Justizdirektorin Jacqueline Fehr dasselbe Prozedere über sich ergehen lassen, aber in ihrem Fall dürfte das eine Formsache sein. Dass die Parteispitze auch zu ihr die Vertrauensfrage stellt, ist lediglich eine Frage der Gleichbehandlung. Tatsache ist: Die Justizdirektorin ist in der Partei bestens aufgestellt. Der Sicherheitsdirektor hingegen steht seit vier Jahren in der Kritik.
Asylpolitik als Stolperstein
Angefangen hat der Streit zwischen Fehr und seiner Partei recht bald nach seiner Wiederwahl, als die Juso ihn nach dem Kauf einer Trojaner-Software anzeigten. Fehr sistierte in der Folge vorübergehend seine Parteimitgliedschaft. Doch das war nur das erste Zerwürfnis.
Das zweite bahnte sich langsam an, dafür war es heftiger: Es drehte sich um Fehrs Asylpolitik, namentlich um den Umgang mit Abgewiesenen. Fehr traf mehrere Entscheidungen, die viele Sozialdemokraten vor den Kopf stiessen. So erhalten die Bewohner von Notunterkünften seit Anfang 2017 nur noch Geld, wenn sie täglich per Unterschrift ihre Anwesenheit bezeugen. Als die damalige SP-Vizepräsidentin Andrea Arezina im Februar 2017 eine Medienmitteilung verschickte, Fehr habe auf Druck der Partei Lockerungen in Aussicht gestellt, eskalierte der Konflikt. Fehr dementierte, tags darauf trat Parteipräsident Daniel Frei zurück.
Ausgang ist völlig offen
Die verdatterte Partei musste eilends ein neues Präsidium bestellen. Seit einem Jahr führen Priska Seiler und Andreas Daurù die SP. Es gab eine Aussprache, seither ist es um die Sozialdemokraten und ihr Verhältnis zu Mario Fehr ruhiger geworden. Doch der Konflikt schwelte unter der Oberfläche weiter, richtig ausgetragen wurde er bis heute nicht. Das passiert heute Abend.
Wie die Abstimmung ausgeht, ist völlig offen. Mario Fehr selbst gab sich heute zwar selbstbewusst. In einem Interview mit dem «Landboten» sagte er: «Ich gehe davon aus, dass es unter den SP-Delegierten eine Mehrheit gibt, die mir das Vertrauen schenkt und sich damit für meine Nomination ausspricht. Dass offen darüber diskutiert werden kann, ob ich erneut für die SP kandidieren soll, ist für mich eine Selbstverständlichkeit.» Auf Facebook postete Fehr am frühen Morgen ein Selfie, das ihn mit Velohelm auf der Albispasshöhe zeigt. Dazu schreibt er: «Das Leben ist schön. Und was immer geschieht: move on!»
Ob Fehr tatsächlich so zuversichtlich ist, ist eine andere Frage. Sicher ist: In der SP ist die Nervosität gross. Niemand kann abschätzen, wie der heutige Abend verläuft. Es ist gut möglich, dass die Suppe nicht einmal halb so heiss gegessen wird, wie sie gekocht wurde. Aber es ist auch nicht ausgeschlossen, dass am Ende üble Brandwunden zurückbleiben.
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