Was der Kanton zum Fall Jürg Jegge zu sagen hat
Heute präsentiert die Zürcher Bildungsdirektion ihre Untersuchung zum Fall Jegge. Der einst gefeierte Pädagoge hatte Schüler sexuell missbraucht. Sechs Fragen und sechs Antworten.

Was liess die Bildungsdirektion untersuchen?
Die Untersuchung der Bildungsdirektion verfolgt drei Ziele: Erstens soll die damalige Rechtslage von Sonderschulen und sonderpädagogischen Massnahmen aufgearbeitet werden. Dieser Aspekt ist im Fall Jegge von Belang, weil Jürg Jegge als Pädagoge in diesem Bereich tätig war und die Missbräuche in den 70er-Jahren in diesem Umfeld geschahen. Die rechtliche Situation war damals eine andere, rudimentärere; das heute geltende Volksschulgesetz war noch nicht in Kraft. Zweitens will die Bildungsdirektion wissen, ob Behörden und involvierte Personen die damals geltenden rechtlichen Vorgaben eingehalten haben. Konkret geht es um die Frage, ob die Schulbehörden die Kinder zu Recht in Jegges Sonderschule eingewiesen haben. Drittens soll die Untersuchung die Akten zum Fall Jegge aufbereiten, sodass diese später von Historikern genutzt werden können.
Wer hat untersucht?
Die Bildungsdirektion hat den Zürcher Rechtsanwalt Michael Budliger mit der Untersuchung beauftragt. Budliger ist seit 23 Jahren als Rechtsanwalt tätig. Als seine Spezialgebiete gelten das Mietrecht, das Umweltrecht, das Bau- und Planungsrecht sowie das Bildungsrecht. Vor seinem Jurastudium an der Uni Zürich war Budliger mehrere Jahre lang als Primarlehrer tätig. Später arbeitete er während des Studiums auf dem Rechtsdienst der Zürcher Bildungsdirektion. Budliger, so schreibt die Bildungsdirektion, sei «ein ausgewiesener Experte der Volksschulgesetzgebung».
Hat das Untersuchungsergebnis rechtliche Folgen für Jürg Jegge?
Nein. Die strafrechtliche Bewältigung des Falls ist abgeschlossen. Die Zürcher Staatsanwaltschaft hat ihre Untersuchungen eingestellt, weil die Missbrauchsfälle verjährt seien. Da Jegge die sexuellen Handlungen mit Minderjährigen gestanden hat und es damit erwiesen sei, dass der Lehrer die Persönlichkeit seiner Ex-Schüler verletzt habe, hat ihm die Staatsanwaltschaft die Verfahrenskosten von 4400 Franken auferlegt. Jegge wollte diese zunächst nicht bezahlen, hat dann aber nachgegeben und die Rechnung akzeptiert.
Laufen noch andere Untersuchungen?
Hängig ist ein Postulat der Zürcher SVP-Nationalrätin Natalie Rickli. Mit diesem fordert die Parlamentarierin den Bundesrat auf, «den Fall Jürg Jegge und weitere Missbräuche von Pädokriminellen während der Sechziger- bis Achtzigerjahre im Lichte der Reformpädagogik» aufarbeiten zu lassen. Für Rickli ist der Fall Jegge eine Auswirkung der Reformpädagogik, weshalb sie eine breit angelegte Untersuchung nötig findet. Der Bundesrat beantragt, das Postulat abzulehnen. Zwar verurteile er sexuelle Übergriffe auf Minderjährige «aufs Schärfste», doch lägen obligatorische Schule und Heimerziehung in der Zuständigkeit der Kantone. «Eine historische Aufarbeitung von sexuellen Übergriffen durch (Sozial-)Pädagogen im Lichte der Reformpädagogik ist deshalb in erster Linie Sache der Kantone und nicht des Bundesrates», schreibt der Bundesrat in seiner Antwort. Der Nationalrat hat das Postulat noch nicht behandelt.
Wie wurde der Fall Jegge publik?
Dass Jürg Jegge ihm anvertraute Jugendliche sexuell missbraucht hatte, wurde aufgrund eines Buches publik, das im April 2017 erschienen ist. Markus Zangger, ein ehemaliger Schüler von Jegge, schilderte darin die Übergriffe seines ehemaligen Lehrers.
Was tut Jürg Jegge?
Jegge, einst gefeiert und landesweit als «Lehrer der Nation» gerühmt, ist durch die Enthüllungen tief gefallen. Der Zytglogge-Verlag, bei dem Jegges Bücher – darunter das berühmte «Dummheit ist lernbar» – erschienen sind, hat die Zusammenarbeit mit dem Autor eingestellt und seine Werke aus dem Sortiment genommen. Einzig die «Weltwoche» gibt Jegge als Autor eine Bühne: Anfang Jahr schrieb er für die Zeitung einen Reisebericht aus Wien. «Jürg Jegge ist ehemaliger Lehrer, Liedermacher und Schriftsteller. Er lebt seit 45 Jahren zeitweise in Wien», hiess es in der Fussnote.
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