Roter Pass wird exklusiver
Der Kantonsrat verschärft unter Führung von FDP und CVP den Erwerb des Bürgerrechts. Neu müssen Einbürgerungskandidaten den Ausweis C haben. Der SVP reicht das aber bei weitem nicht.
Von Daniel Schneebeli Zürich – Immer mehr Ausländerinnen und Ausländer bewerben sich im Kanton Zürich Jahr für Jahr um das Schweizer Bürgerrecht (Grafik unten). Doch nicht für alle gelten die gleichen Aufnahmebedingungen, denn jede Gemeinde kann über die Mindestanforderungen des Bundes hinaus zusätzliche Kriterien aufstellen. Das muss der Kantonsrat nun ändern, weil die neue Kantonsverfassung im ganzen Kanton einheitliche Bedingungen verlangt. Gestern hat das Parlament sieben Stunden um die 26 Paragrafen des ersten Zürcher Bürgerrechtsgesetzes gerungen, nicht weniger als 20 Minderheitsanträge wurden dabei debattiert. Die Parlamentsmehrheit hat sie allesamt bachab geschickt und ist den Anträgen seiner vorberatenden Kommission, der FDP und der CVP gefolgt. So liegt nun ein Bürgerrechtsgesetz auf dem Tisch, das klare Verhältnisse schafft. Neu gibt es für alle Gesuchsteller einen Anspruch auf Einbürgerung, sofern sie alle Bedingungen erfüllen. Wird ein Gesuch abgelehnt, kann das nur begründet geschehen, und der Gesuchsteller kann die Ablehnung gerichtlich anfechten. Im Vergleich mit der gegenwärtigen Praxis und mit den Anträgen des Regierungsrates hat das Parlament aber die Einbürgerungskriterien deutlich verschärft: Wohnsitzpflicht: Ein Kandidat muss mindestens drei Jahre am gleichen Ort wohnen, bevor er ein Gesuch stellen kann. Heute verlangt die Mehrheit der Gemeinden nur zwei Jahre. Das gilt auch für junge Kandidatinnen und Kandidaten, für die heute zwei Jahre gelten. Umzug: Wenn ein Kandidat umzieht, muss er ein neues Gesuch stellen und folglich wieder drei Jahre warten. Ausländerstatus: Ein Gesuchsteller muss im Besitz einer Niederlassungsbewilligung (C) sein, bevor er sich einbürgern lassen kann. Heute spielt der Aufenthaltsstatus keine Rolle. Integration: Ob junge Kandidaten integriert sind, muss generell überprüft werden und nicht nur im Zweifelsfall, wie es Regierung und Linke wollten. Einkommen: Wer Arbeitslosengelder bezieht, soll künftig kein Einbürgerungsgesuch mehr stellen können. Erhaltungsfähigkeit: Neu müssen nicht nur Ehepaare nachweisen können, dass sie für ihre Familie aufkommen können, sondern auch Homosexuelle mit eingetragener Partnerschaft. In der Debatte setzte sich vor allem die SVP für weitere massive Verschärfungen ein. Der Regierungsrat wolle kein griffiges Gesetz, sagte Hans Heinrich Raths (Pfäffikon): «Wir aber wollen nur Leute mit tadellosem Leumund einbürgern und keine Mörder, Verbrecher und Vergewaltiger.» Um dieses Ziel zu erreichen, schreckte die SVP auch nicht vor Vorschlägen zurück, die gegen übergeordnetes Recht verstossen. Etwa beim Antrag, auf eine Begründungspflicht von negativen Entscheiden zu verzichten. Ruedi Lais (SP, Wallisellen) erinnerte die SVP daran, dass dies weder mit der Rechtsprechung des Bundesgerichts vereinbar sei noch mit dem Willen des Volkes, das vor zwei Jahren die Initiative «Demokratische Einbürgerungen» abgelehnt hatte. «Das ist ein grobes Foul gegen Rechtsstaat und Demokratie», so Lais. «Appell an niedere Instinkte» Die SVP liess sich aber von solcher Kritik nicht beeindrucken. Barbara Steinemann (Regensdorf) betonte, dass praktisch an allen aufsehenerregenden Kriminalfällen der Gegenwart Ausländer oder eingebürgerte Ausländer beteiligt waren. Und René Isler rief aus: «Am Ende werden solche Leute noch mit einer Einbürgerung belohnt!» Die Linke kämpfte für tiefere Einbürgerungshürden und übte massive Kritik an der SVP: «Das ist reine Stimmungsmache und ein Appell an niedere Instinkte», sagte Max Homberger (Grüne, Hinwil). Er bezeichnete die SVP-Exponenten als Brandstifter: «Sie geben sich als Feuerwehrmänner, giessen aber Öl ins Feuer.» Markus Bischoff (Alternative, Zürich) kritisierte nicht die SVP. Er nahm die Mitteparteien ins Visier, die Wahlkampf mit der Bürgerrechtsvergabe machen wolle. Bischoff warnte darum: «Wer sich mehr Härte wünscht bei den Einbürgerungen, wählt das Original und nicht die Kopie.» CVP und FDP würden bei den Wahlen im Frühling darum leer ausgehen. Umschwung bei FDP und CVP SP-Sprecher Benedikt Gschwind (Zürich) nahm für sich und seine Partei in Anspruch, «ein entkrampftes Verhältnis zur Einbürgerung» zu haben. Es sei zwar auch im Interesse der Sozialdemokraten, nur Leute einzubürgern, welche die Rechtsordnung der Schweiz respektierten. Doch die heutige Einbürgerungspraxis bewähre sich, und darum sei an ihr festzuhalten. Der Freisinnige Dieter Kläy (Winterthur) glaubte zu wissen, «dass die Bevölkerung hohe Hürden für Einbürgerungswillige wünscht». Darum trete seine Partei für die Verschärfungen ein. Allerdings dürften die Entscheide nicht willkürlich sein. Wer die Kriterien erfülle, müsse eingebürgert werden. Dazu zog Kläy einen Vergleich aus dem Strassenverkehr heran: «Wer an der Ampel bei Grün losfährt, kann mit Vortritt rechnen.» Patrick Hächler (CVP, Gossau) meinte: «Wir dürfen das Schweizer Bürgerrecht nicht verscherbeln, dessen Vergabe darf keine Lotterie sein.» Justizdirektor Markus Notter zeigte sich über die Verschärfungen erstaunt. Noch vor zwei Jahren habe es der gleiche Rat deutlich abgelehnt, eine Niederlassungsbewilligung C als Kriterium für die Einbürgerung festzulegen. Er erinnerte die Mitteparteien daran, dass sie im Verfassungsrat in der gleichen Frage noch anderer Meinung gewesen waren. SVP abgeblitzt Zu einem heftigen Schlagabtausch kam es beim Thema Strafrecht. Die SVP hatte nicht nur für Schwerverbrecher lange Wartefristen gefordert, sondern auch für einfache Vergehen im Strassenverkehr (bis zu 15 Jahren). Auf der einen Seite warf Barbara Steinemann der Mehrheit vor, mit Sexualstraftätern und deren Taten zu sympathisieren. Auf der anderen Seite wurde der SVP vorgeworfen, jegliches Augenmass zu verlieren. Regierungsrat Notter sagte, in einem Rechtsstaat sei eine Straftat einmal gesühnt, und er erinnerte die SVP an das christliche Gebot der Vergebung: «Oder wollen Sie, dass ein Gesetzesbrecher das Kainszeichen seiner Tat ein Leben lang auf der Stirn trägt?» Der SVP-Verschärfungsvorschlag wurde mit 105:52 Stimmen abgelehnt. In einigen Wochen wird das Gesetz im Rat definitiv verabschiedet. Die SVP kündete bereits das Referendum an. Kommentar Seite 2 Es wird immer schwieriger, Schweizer zu werden – Szene aus dem Musical «Die Schweizermacher». Foto: Reto Oeschger Text (1-zeilig)www.url/stichwort.ch
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch